Um auch im neu gebauten Nordsüd-S-Bahntunnel Gleisbau- und Wartungsarbeiten durchführen zu können, wurden spezielle Fahrzeuge benötigt, die mittels Akkumulatoren fahren (um Abgasbelästigung im Tunnel auszuschließen) und eine möglichst große Ladefläche bei gleichzeitig einfachster Bauart aufweisen konnten. Solche Fahrzeuge stellte die damals in Berlin Karlshorst ansässige Firma Gottwalt Müller her.
Werbefaksimilie der Firma Gottwalt Müller.
Bereitstellung: Jens Merte (www.merte.de).
Die Elektrokleinwagen (Ekl), von denen bei der Berliner S-Bahn definitiv zwei Stück vorhanden waren, wurden an den dem Tunnel am nächsten gelegenen S-Bahnbetriebswerken (S-Bw) stationiert. So ist zumindest das Vorhandensein je eines Fahrzeugs im in S-Bw Wannsee und in der ehemaligen S-Bw Nordbahnhof eindeutig bekannt. Die Ekl erhielten jeweils noch einen kleinen, etwa drei Meter langen Beiwagen, der mit einem Ladekran versehen werden konnte.
Auch zum Personentransport waren die Fahrzeuge geeignet.
Bereitstellung: Jens Merte (www.merte.de).
So ausgerüstet war das Fahrzeug, beladen mit einer zerlegten Weiche, in der Lage, eine Höchstgeschwindigkeit von ca. 50 km/h zu erreichen. Der Fahrzeugführer hatte keinerlei Schutz gegen Witterungseinflüsse. Ein Führerhaus gab es nicht und so musste der Fahrzeugbediener, dessen Füße sich in einer "Führerstandsgrube" befanden, auf dem Fahrschalter mit horizontal angeordneter Schaltwalze Platz nehmen. Gebremst wurde das Fahrzeug über eine Widerstandsbremse und eine Handbremse, die allerdings nur als Feststellbremse diente.
Über den Einsatzzeitraum der Fahrzeuge ist wenig bekannt. Die Indienststellung müsste sich etwa auf 1935 datieren lassen, Daten über die Außerdienststellung dagegen sind unbekannt. Bekannt ist aber, dass beide Fahrzeuge in den sechziger Jahren ihren zweiten Fahrmotor abgeben mussten. Der Verbleib dieser Motoren ist allerdings unbekannt.
Seit der Betrieb in der S-Bw Nordbahnhof 1984 eingestellt wurde, rottete einer der Kleinwagen, welcher mit einer Achse entgleist war, neben einer Kuppelstelle der Bahnstromversorguung, die sich in der Spitzkehre zum S-Bw Nordbahnhof befand, vor sich hin (siehe nachfolgendes Bild). Im Jahre 1996 wurde das Fahrzeug im vollkommen verwahrlosten Zustand von einem Vereinsmitglied der AG Märkischen Kleinbahn e.V. geborgen und auf das Betriebsgelände in Berlin-Lichterfelde verbracht.
Das Fahrzeug im Jahre 1992 in den Spitzkehrgleisen zwischen der Tunnelausfahrt und dem S-Bw Nordbahnhofs.
Nachdem das Fahrzeug von seinen alten Akkus befreit war, wurde zunächst unter Zuhilfenahme zweier LKW-Batterien eine erste Probefahrt durchgeführt. Diese verlief, zum Erstaunen aller Beteiligter, ohne nennenswerte Probleme. Das Fahrzeug rollte ohne Geräuschkulisse mehrmals über die Gleisanlagen des Vereinsgeländes und wurde dann, um Schäden am Motor vorzubeugen, abgestellt. 1999 begann dann die Zerlegung des Fahrzeugs, um mit einer fachgerechten Aufarbeitung zu beginnen. Glücklicherweise konnte im Jahre 1996 der passende Kranbeiwagen aus Wannsee erworben werden, um so das Erscheinungsbild des Fahrzeugs zu vervollkommnen.
Leider wurden die Arbeiten an dem seltenen Fahrzeug immer wieder durch wichtige Aktivitäten unterbrochen, sodass zurzeit nur noch ein Torso zu erkennen ist. Allerdings ist man bemüht, das Fahrzeug in näherer Zeit fertig zustellen.
Die beiden Kleinwagen für die Berliner S-Bahn waren aber nicht die einzigen ihrer Bauart. Viele Anschlussbahnen mit eigener Betriebsführung schafften ein solches Fahrzeug an, da es relativ preiswert zu betreiben war. Auch weit entfernt von seinem Herstellerwerk tut ein Fahrzeug dieser Bauart wahrscheinlich noch heute seinen Dienst: Die Oberweißbacher Bergbahn, die heute durch die DB AG betrieben wird, rüstete einen Wagen ihren Zwecken entsprechend mit einem Führerhaus, Puffern, Regelkupplungen und einer Arbeitsbühne aus und machte ihn zum Turmwagen.
Das Fahrzeug nach der Ankunft auf dem Betriebsgelände der MKB.
Der zweite, ehemals bei der Berliner S-Bahn im Einsatz befindliche Wagen wurde noch im Jahre 1996 verschrottet. Mehr Informationen über diese Fahrzeuge sind leider nicht mehr bekannt. Auch museal wird nach bisherigen Erkenntnissen nur der in diesem Aufsatz genannte Wagen erhalten.
Zur Geschichte der Maschinenfabrik Gottwalt Müller findet man auf www.lokhersteller.de interessante Angaben.
Autor:
Niklas Pempel
letzte Änderung:
25. August 2012
Veröffentlichung:
26. Oktober 2008