Die Stellwerke der Berliner S-Bahn - Eine Einleitung


zur Auflistung der Stellwerke zu den elektronischen Stellwerken

Zu den wichtigsten Gebäuden des Eisenbahnbetriebes gehören die Stellwerkhäuser. In den ersten Jahrzehnten des Eisenbahnbetriebes kam man mit sehr einfachen Sicherungsvorrichtungen aus; jedes Signal und jede Weiche wurden einzeln mit der Hand gestellt. Später wurde der angekommene Zug dem Abfahrtbahnhof durch ein telegraphisches Zeichen, und damit die dazwischenliegende Strecke als frei zurückgemeldet. Bei rascher Zugfolge und einer größeren Anzahl von Strecken, die von einem Bahnhof ausgehen, konnte man nicht nur der menschlichen Zuverlässigkeit, Gedächtniskraft, Umsicht und körperlichen Tüchtigkeit trauen, sondern man mußte maschinelle Einrichtungen ausdenken, die von einer Hauptstelle aus, und zwar möglichst zwangsläufig, die Sicherheit des Betriebes gewährleisteten. Für diese Fernbedienung war die Zusammenlegung aller Sicherheitseinrichtungen erforderlich, und so entstanden die großen Stellwerkgebäude, die man überall in den Bahnhofsanlagen bemerkt. Da aber trotz aller ausgeklügelten Einrichtungen Vorfälle eintreten können, die die Notwendigkeit der unmittelbaren Beobachtung ergeben, muß der Stellwerkwärter von seinem Arbeitsraum aus die Strecke übersehen können; oft sind dazu noch besondere Erkerausbauten erforderlich. In vielen Fällen muß der Wärter auch in der Lage sein, durch Zuruf Anweisungen zu geben; dann ist ein offener Austritt besser. [1]

So schreibt Richard Brademann im Zentralblatt der Bauverwaltung im Jahre 1928.

Was hat ein Stellwerk zu machen?

In den ersten Jahren des Bestehens der Eisenbahn verkehrten nur wenige Züge und die Geschwindigkeiten waren relativ gering. Es genügte eine örtliche Weichenstellung von Hand. Durch ständig steigende Transportaufgaben der Eisenbahn verdichtete sich die Zugfolge und es verstärkte sich der Rangierbetrieb. Das erforderte, eine Vielzahl von Weichen von einem Punkt aus zu bedienen und Abhängigkeiten mit ihren schützenden Signalen herzustellen. Diese zusammengefasste Einrichtung wurde nun als Stellwerk bezeichnet.

Mittels dieser Stellwerke (Stw) konnten Zug- und Rangierfahrten schneller durchgeführt und so die Leistungsfähigkeit der Eisenbahn erhöht werden. In der ersten Zeit wurden die Signalabhängigkeiten über verschiedene Varianten hergestellt, jedoch hatten alle eines gemeinsam: die Entfernungen vom Stellwerk zu den Weichen und Signalen waren auf wenige hundert Meter begrenzt. Die damaligen mechanischen Stellwerke bedienten die Außenanlagen noch über Drahtseile, welche nicht unendlich lang gezogen werden konnten.

Mit dem zunehmenden Zugverkehr mussten nicht nur die Weichen in Abhängigkeit der Signale gebracht werden, auch musste der Abstand der Züge zwischen den Bahnhöfen gewahrt bleiben. Bedingt durch den langen Bremsweg der Eisenbahnen entstanden durch die Zunahme der Geschwindigkeiten Probleme in der Abstandshaltung der Züge.
So entwickelte sich über Jahre eine Blocktechnik. Der Grundsatz hierbei: ein Signal darf nur dann einen Fahrtbegriff signalisieren, wenn der Abschnitt bis zum nächsten Signal nicht durch einen vorausfahrenden Zug blockiert ist.

Bild: Zugfolge

Um 1881 präsentierte Siemens&Halske das erste elektromechanische Stellwerk (auch "Kraftstellwerke" oder "elektrische Stellwerke" genannt), mit dem sich die Stellweiten erheblich erweitern ließen. Die Grundsätze der Signalabhängigkeit und Blocktechnik bleiben bis in die heutige Zeit bei allen Stellwerkstechniken unverändert.

Für den dichten Stadtschnellbahnverkehr in Berlin bedurfte es einer sehr dichten Signalfolge. An jedem Signal einen Stellwerksbediener mit der Schaltung der Signale zu beauftragen, war ein kostenaufwendiges Verfahren, aber auch ein Sicherheitsrisiko: bei dieser dichten Zugfolge (40 oder 50 Zugfahrten je Stunde, auf einigen Stellwerken bedingt durch den benachbarten Fernbahnverkehr noch einige Fahrten mehr) ist der Mensch mit der Aufgabe überfordert. So entschied man sich mit der dem Aufbau des Streckennetzes der Berliner S-Bahn ein Signal- und Blocksystem zu verwenden, welches dieses Anforderung genügt (Zugfolge von max. 90 Sekunden und für die Regelbedienungen keinen Eingriff des Personals benötigt: ein automatischer Block.
So entstand die Signalverbindung (Sv-Signale) zusammen mit einem Automatikblock (Bauarten AB 29 bis 37) [2],[3].

Bis heute kann man in Berlin verschiedene Stellwerkstechniken antreffen. Begonnen von den ältesten mechanischen Stellwerken (das älteste leistete bis 2003 seinen Dienst zwischen Yorckstraße und Papestraße, nannte sich "Abzweig ABM", später BAHM) über verschiedene Formen der Elektromechanik bis hin zu verschiedenen Formen der Relaistechnik (Siemens und WSSB).
Mit Ausnahme weniger Zentralstellwerke, die einen größeren Bereich überschauten, wurde der Betrieb von zahlreichen kleinen Stellwerken der unterschiedlichsten Bauarten gesteuert. Überwiegend auf jeder Station mit mindestens einer Weiche machte ein Fahrdienstleiter seinen Dienst. Hinzukamen die zahlreichen Blockwärter, die die Blocktechnik überwachten.

Auf den seit 1961, 1980 und 1984 stillgelegten Strecken waren zumeist die alten Stellwerke dem Vandalismus und Verfall ausgesetzt. Nur wenige Streckenabschnitte waren mit weiterhin besetzten Stellwerken versehen, da auf den benachbarten Gleisen der Fernbahn noch der Güterverkehr rollte. Aber auch hier waren die Außenanlagen nicht mehr nutzbar. Auf der westlichen Stadtbahn bis Wannsee, sowie im Nordsüd-S-Bahntunnel war die einstige Zugkapazität nicht mehr möglich, die Blockstrecken wurden verlängert [4]. Die Blocktechnik der Strecken im Westteil der Stadt war nicht für die dichte Zugfolge nach der Wiedervereinigung dauerhaft geeignet.
Im Ostteil der Stadt hingegen wurde in den Jahren vor 1990 auf den innerstädtischen Hauptadern des Netzes ein neues, leistungsfähiges Signal- und Blocksystem installiert: die Hl-Signaltechnik mit dem Automatikblock AB70S [5]. Diese fand auch auf den Streckenerweiterungen nach Wartenberg und Ahrensfelde Anwendung.

Die Erneuerung der Signal- und Blocktechnik fand aus diesem Grund bisher nahezu ausschließlich im ehemaligen Westteil der Stadt statt. Nur wenige Strecken im Ostteil wurden bei Umbauten auf die ESTW-Technik umgestellt. Dazu zählen:

Die nachfolgende Auflistung soll an alte Stellwerke erinnern, an unwiederbringlich verlorene Technikgeschichte. An Stellwerke, die heute größtenteils nicht mehr existieren, an Orte, die dafür gesorgt haben, das Millionen Fahrgäste sicher ihre Ziele erreichten.


zur Auflistung der Stellwerke zu den elektronischen Stellwerken

Autoren:
Markus Jurziczek, Mike Straschewski

Quellen:
[1] Neuere Stellwerksgebäude der Reichsbahndirektion Berlin; Richard Brademann; Zentralblatt der Bauverwaltung vom 8.8.1928
[2] Eisenbahnsicherungstechnik; Autorenkollektiv; transpress - VEB Verlag für Verkehrswesen; 1987
[3] Die Berliner S-Bahn; Günther Götz; transpress; 1968
[4] Der elektrische Betrieb auf der Berliner S-Bahn, Band 7: Sicher ist Sicher; Manuel Jacob; Verlag Bernd Neddermeyer; 2000
[5] Richard Brademann (1884 - 1965) - Architekt der Berliner S-Bahn; Susanne Dost; Verlag Bernd Neddermeyer; 2002

weiterführende Buchtipps:
Systemtechnik des Schienenverkehrs; Jörn Pachl; Verlag B.G.Teubner Stuttgart; 2. Auflage 2000
Sicher auf den Schienen; Hans Pottgießer; Birkhäuser Verlag; 1988

weiterführende Links:
Webseite: www.stellwerke.de
Webseite: www.blocksignal.de

letzte Änderung:
2. Mai 2012

Veröffentlichung:
26. Oktober 2008

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