Die Ausbauplanungen für die Berliner S-Bahn 1988


Politische Rahmenbedingungen

Ende der 1980er Jahre hatte sich aus westlicher Sicht die Beziehung zwischen dem Westen und dem Osten deutlich entspannt. Bereits 1971 wurden das Viermächte-Abkommen und das Transitabkommen abgeschlossen, die mit ihrem Inkrafttreten 1972 Erleichterungen für die Bewohner Westberlins wie zum Beispiel das Ende der Störungen der Zugangswege mit sich brachte. Westberliner erhielten die Möglichkeit, bis zu dreißig Tage im Jahr die DDR einschließlich Ostberlins zu besuchen. Ostberliner durften unter bestimmtem Voraussetzungen in den Westen fahren. Dies betraf hauptsächlich Rentner. An der innenpolitischen Situation in der DDR änderte sich allerdings wenig. Die Mauer wurde immer weiter perfektioniert und auf Flüchtlinge weiterhin gezielt geschossen.

Bild: S-Bahn-Bauvorhaben gemäß Flächennutzungsplan 1965

Die S-Bahn-Bauplanungen in Berlin um 1988.
(Im Plan sind die heutigen Bahnhofsnamen angegeben, um die Bahnhöfe leichter zuordnen zu können.)

Die Planungen für Westberlin

Der Flächennutzungsplan (FNP) 1965 wurde durch den 1988 in Kraft getretenen Flächennutzungsplan 1984 abgelöst. Die Ausbauplanungen der Autobahnen, der S-Bahn und der U-Bahn hatten sich nun wesentlich geändert: Zum einen zwang der Widerstand von Bürgerinitiativen (z.B. die Bürgerinitiative Westtangente) gegen den Ausbau der Berliner Stadtautobahnen zu einer Reduzierung der Ausbauplanung. Die Osttangente und die Südtangente, die den Bezirk Kreuzberg zerschnitten hätten, wurden völlig aufgegeben.

Eine weitere wesentliche Änderung der westlichen Verkehrsplanung ergab sich durch die Übernahme des S-Bahn-Betriebes Anfang 1984 durch die BVG. Von dem bis zum Reichsbahnerstreik 1980 betriebenen 145 Kilometer langen Streckennetz im Westen wurden ab 9. Januar 1984 nur noch knapp 21 Kilometer betrieben. Bis 1985 wurde der Betrieb auf die Strecken Wannsee—Frohnau (S1), Lichtenrade—Anhalter Bahnhof (S2) und Wannsee—Friedrichstraße (S3) ausgedehnt. In den Planungen des FNP 1984 war die Wiederinbetriebnahme von 117 Kilometer S-Bahn vorgesehen. Die Wiederinbetriebnahme der Ringbahn sowie der Strecken Westkreuz—Staaken und Priesterweg—Lichterfelde-Süd waren darin enthalten. Nicht berücksichtigt waren die Strecken Schönholz—Heiligensee, Jungfernheide—Gartenfeld, Jungfernheide—Spandau sowie Zehlendorf—Düppel. Allerdings wurden alle seit 1961 durch den Mauerbau stillgelegten Strecken bis zur Stadtgrenze freigehalten, da der Senat nach wie vor von einer Wiedervereinigung ausging.

Für diejenigen S-Bahnflächen, auf denen kein Betrieb stattfand und auch zukünftig nicht stattfinden soll, erarbeiten die zuständigen Senatsdienststellen zusammen mit den Bezirken ein Konzept für endgültige oder vorübergehende Nutzungen. Sie sind im Plan teilweise als Bahnflächen, teilweise bereits im Sinne der vorgesehenen endgültigen Nutzung dargestellt. Als Vorgabe für die Planung gilt, daß die Trassenqualität erhalten bleiben muß und vornehmlich verkehrliche und Grünnutzungen in Frage kommen (z.B. Rad- und Fußwege) [1].

Bei den in Ostberlin gelegenen Bahnhöfen Potsdamer Platz und Nordbahnhof sowie Bahnhof Bornholmer Straße schien dem Senat eine Wiedereröffnung denkbar, da hier wie beim S-Bahnhof Wollankstraße direkte Ausgänge zum Westteil möglich gewesen wären. Die großzügigen Planungen für S-Bahn-Neubaustrecken aus dem FNP 65 wurden alle aus den Planungen gestrichen. Die einzige Neubaubaustrecke im Westen wäre die Verlegung der Dresdener Bahn (damals S2) im Bereich der Kolonnenstraße zur Wannseebahn und von dort weiter zum geplanten S-Bahnhof Gleisdreieck gewesen.

Bild: S-Bahnverlegung der Dresdener Bahn

Grafik über die angedachte Streckenverlegung der S-Bahn zwischen Papestraße und Kolonnenstraße.

Der Ausbau der S-Bahn hatte auf die Ausbauplanungen der U-Bahn erhebliche Auswirkungen, da die zur Verfügung stehenden Mittel nun auf beide Verkehrsmittel aufgeteilt werden mussten. Vorgesehen waren nur noch die Verlängerungen der U8 im Norden bis ins Märkische Viertel und im Süden zum S-Bahnhof Hermannstraße, weiterhin die Verlängerung der U9 im Süden bis nach Lankwitz, sowie die Verlängerung Uhlandstraße—Adenauerplatz (damals U3) und Krumme Lanke—Mexikoplatz (damals U2).

Zusätzliche neue Linien der S- und U-Bahn werden nicht dargestellt, da ihre mögliche Realisierung weit über den Zeithorizont des Flächennutzungsplanes hinausgeht. Es hat in der Vergangenheit zahlreiche Linienanregungen gegeben, für die aber, da sie im Verkehrskonzept des Senats nicht enthalten sind, weder eine abgestimmte Priorität vorliegt noch im Planungszeitraum eine Verwirklichungschance besteht. Schon die in den Plan aufgenommenen U-und S-Bahnlinien reichen hinsichtlich ihres Zeithorizontes für die Finanzierung in das nächste Jahrhundert hinein [1].

Der 200-Kilometer-Plan der U-Bahn wurde damit aufgegeben. Die U-Bahnlinie 10, deren Baubeginn ursprünglich Mitte der 1980er Jahre vorgesehen war, wurde mit ihren fünf bereits vorhandenen Bahnhöfen (Rathaus Steglitz, Schloßstraße, Innsbrucker Platz, Kleistpark und Alexanderplatz) zur Phantomlinie.

Im Flächennutzungsplan 1984 waren folgende S-Bahn-Planungen enthalten:

  Bauvorhaben / Planung
Trassenfreihaltung für alle durch den Mauerbau stillgelegten S-Bahnstrecken
Stadtbahn  
  • Neubau S-Bahnhof Paulstraße
  • Verlegung S-Bahnhof Charlottenburg zur Wilmersdorfer Straße
  • Neubau S-Bahnhof Holtzendorfstraße
Wetzlarer Bahn  
Neubau S-Bahnhof Hüttenweg
Ringbahn  
Wiederinbetriebnahme S-Bahnhof Gesundbrunnen bis S-Bahnhof Sonnenallee bzw. S-Bahnhof Köllnische Heide
Inbetriebnahme der Verbindungskurve zum S-Bahnhof Charlottenburg lediglich für Betriebszwecke
Neubau S-Bahnhöfe Goslarer Ufer, Komturstraße und Oderstraße
Dresdener Bahn  
Stilllegung der Strecke von S-Bahnhof Papestraße (heute Südkreuz) bis zum Anhalter Bahnhof, dafür Neubau einer Strecke zum geplanten S-Bahnhof Kolonnenstraße (Gemeinschaftsbahnhof mit der Wannseebahn).
Neubau S-Bahnhof Kamenzer Damm
Verlegung S-Bahnhof Buckower Chaussee 100 Meter nach Norden, vermutlich gleichzeitig Höherlegung der Gleise
Neubau S-Bahnhof Schichauweg
Anhalter Bahn  
Wiederinbetriebnahme Priesterweg - Lichterfelde Süd
Neubau S-Bahnhof Seydlitzstraße
Neubau S-Bahnhof Osdorfer Straße
Wannseebahn  
Neubau S-Bahnhof Kolonnenstraße (Gemeinschaftsbahnhof mit der Dresdener Bahn)
Abzweig einer Neubaustrecke vom S-Bahnhof Großgörschenstraße zum S-Bahnhof Gleisdreieck (Endbahnhof der S2)
Nordsüd-S-Bahn  
Wiederinbetriebnahme der S-Bahnhöfe Potsdamer Platz und Nordbahnhof (zu diesem Zeitpunkt in Ostberlin)
Nordbahn  
Wiederinbetriebnahme S-Bahnhof Bornholmer Straße (zu diesem Zeitpunkt in Ostberlin)
Neubau S-Bahnhof Schorfheidestraße
Kremmener Bahn  
Trasse wird für mögliche Wiederaufnahme des S-Bahnbetriebes nach einer Maueröffnung freigehalten. Schönholz -Tegel wird für Güterverkehr und Sonderzüge der Französischen Besatzungsmacht genutzt.
Hamburger Bahn / Lehrter Bahn  
Wiederinbetriebnahme Staaken - Spandau (heute S-Bhf. Stresow) vorgesehen. Keine Wiederaufnahme des S-Bahn-Betriebes zwischen Spandau und Jungfernheide vorgesehen, Strecke wird in den 1980er Jahren ausschließlich für Güterzüge genutzt
Verlegung S-Bahnhof Spandau West (heute Spandau) zur Klosterstraße
Neubau S-Bahnhof Magistratsweg an der Lehrter Bahn geplant
Neubau S-Bahnhof Nauener Straße
Spandauer Vorortbahn  
Neubau S-Bahnhof Charlottenburger Chaussee
Siemensbahn  
Keine Wiederinbetriebnahme vorgesehen, Trasse ist nicht als Eisenbahngelände gekennzeichnet
Stammbahn  
Trasse wird für mögliche Wiederaufnahme des S-Bahnbetriebes nach einer Maueröffnung freigehalten
Friedhofsbahn  
Trasse wird für mögliche Wiederaufnahme des S-Bahnbetriebes nach einer Maueröffnung freigehalten

Die Planungen für Ostberlin

Die Planungen im Osten waren hauptsächlich auf die Erschließung der Neubaugebiete ausgerichtet. Die S-Bahn nach Ahrensfelde und Wartenberg wurden bis 1985 in mehreren Etappen eröffnet. Weitestgehend baulich vorbereitet war die Verlängerung der S-Bahn von Wartenberg über Sellheimbrücke zum Karower Kreuz, wie noch heute anhand der vorhandenen Trasse und Brückenüberbauten zu sehen ist. Nördlich von Karow sollte bei Buchholz ein neues Bahnbetriebswerk für die S-Bahn entstehen [2]. Geplant war weiterhin eine S-Bahnlinie vom Biesdorfer Kreuz zum Grünauer Kreuz.

Trotz baulicher Erweiterungen (Kehrgleis und drittes Bahnsteiggleis im S-Bahnhof Alexanderplatz, dritter Bahnsteig im S-Bahnhof Warschauer Straße) hatte die S-Bahn Mitte der 1980er Jahre ihre Kapazität auf der Stadtbahn vollständig ausgeschöpft und konnte keinen zusätzlichen Verkehr mehr aufnehmen. Aus diesem Grunde erfolgte die Anbindung der Neubaubaugebiete in Hellersdorf bis 1989 durch die Verlängerung der U-Bahnlinie E (heute U5) nach Hönow anstelle der S-Bahn [3]. An der Planung und beim Bau der Strecke war die Deutsche Reichsbahn (DR) maßgeblich beteiligt. Dabei entstand an der Ostbahn der Gemeinschaftsbahnhof Wuhletal, der erstmals das bahnsteiggleiche Umsteigen zwischen S-Bahn und U-Bahn ermöglichte.

Für die noch in der Planung befindlichen Neubaugebiete in Malchow, Karow und Blankenburg musste dringend eine Verkehrslösung gefunden werden. Der Neubau einer U-Bahnlinie F von der Französischen Straße über Alexanderplatz und Weißensee bis zum geplanten Endpunkt am Berliner Außenring bei Malchow mit Umsteigemöglichkeit zum geplanten S-Bahnhof war aus Kostengründen und fehlenden Baukapazitäten nicht realistisch. Ähnliches galt für die Verlängerung der U-Bahnlinie A (heute U2) vom Bahnhof Vinetastraße über S-Bhf. Pankow in die im Norden geplanten Wohnquartiere. Immerhin begannen hier 1988 Bauarbeiten für eine neue Betriebswerkstatt Granitzstraße auf einem Gelände am Güterbahnhof und DR-Kraftwagenbetriebswerk Pankow. Für die S-Bahn gab es Vorschläge einer Neubaustrecke von Pankow vorbei am Güterbahnhof Eberswalder Straße in die Stadtmitte, die aber nicht in die offiziellen Planungen aufgenommen wurden. Denkbar wäre eine Führung zur Nordsüd-S-Bahn im Bereich der Invalidenstraße oder der Neubau eines Tunnels zum Alexanderplatz gewesen [4]. Im Sommer 1989 fand im Bereich des Güterbahnhof Eberswalder Straße ein Gebietstausch zwischen Ost und West statt, bei dem ein Bereich des Güterbahnhofs Pankow zugeordnet wurde. Vielleicht bestand hier schon ein Zusammenhang mit den Planungen, um sich diese Option offen zu halten.

Folgende Streckenerweiterungen waren im östlichen S-Bahnnetz geplant:

  Bauvorhaben / Planung
Außenring  
Neubau von zwei Zwischenbahnhöfen zwischen Schönfließ und Karower Kreuz, für die bereits mit der 1984 erfolgten Trennung der S-Bahn vom Fernverkehr Bauvorleistungen erbracht wurden
Neubau Bahnbetriebswerk Buchholz vorgesehen
Karower Kreuz (Umsteigemöglichkeit zur Stettiner Bahn) - Wartenberg
Neubau S-Bahnhof Bürknersfelde (nördlich Landsberger Allee) baulich vorbereitet
Springpfuhl - Bahnhof Biesdorfer Kreuz - Wuhlheide - Spindlersfeld - Grünauer Kreuz (ohne Bahnhof) - Altglienicke

zum Flächennutzungsplan 1965 / Generalbebauungsplan 1969


Autor:
Norbert Heintze

Grafik:
Andreas Jüttemann und Norbert Heintze

Quellen und Lesetipp:
[1] Flächennutzungsplan von Berlin 1984. Herausgegeben 1988 vom Senator für Stadtentwicklung u. Umweltschutz, Presse u. Öffentlichkeitsarbeit
[2] Geplant, niemals realisiert: S-Bahnbetriebswerk Berlin-Buchholz; Bernd Kuhlmann; Verkehrsgeschichtliche Blätter; Heft 2/2003
[3] Lesetipp: "Warum keine S-Bahn nach Hellersdorf?"; Bernd Kuhlmann; Verkehrsgeschichtliche Blätter Heft 2/2010
[4] Zentrales Forschungsinstitut des Verkehrswesens der Deutschen Demokratischen Republik: Abschlußbericht. Gestaltung der Nahverkehrsanbindung der Wohnungsbaustandorte im Nord- und Nordost-Raum der Hauptstadt der DDR, Berlin, und Untersuchungen zur etappenweisen Realisierung. Berlin, 1978?

letzte Änderung:
19. November 2010

Veröffentlichung:
19. November 2010

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