Das Schnee und Eis den Eisenbahnverkehr behindern, ist keine Erscheinung der Neuzeit, auch wenn das eine und andere Medium in diesen Fällen so tut, als würde gleich die Welt untergehen. Katastrophe, Chaos und weitere Übertreibungen sind in diesem Zusammenhang gern benutzte Worte wie auch der Hinweis auf frühere, vermeintlich bessere Zeiten.
Richtig ist, das Eisenbahnunternehmen, sofern in ihren Breitengraden auch Schnee fällt, sich mehr oder weniger auf die Wintersaison vorbereiten müssen. Die Deutsche Reichsbahn mit ihrem Betriebszweig Berliner S-Bahn hatte dafür ab den 1960er Jahren, vielleicht auch schon früher, mindestens einen sogenannten Schneezug oder auch Schneeräumzug bereitstehen.
Zur planmäßigen Wintervorbereitung, die ja meist schon im Sommer bzw. Herbst begann, gehörte auch die Bereitstellung bzw. das Aufrüsten eines oder mehrerer Fahrzeuge für diese speziellen Einsätze. Diese Züge, meist ein Halbzug, wurden im Oktober aus dem aktuell zur Verfügung stehenden Wagenpark herausgenommen und blieben bis in den Monat März hinein mit ihrer neuen Aufgabe betraut. Im geteilten Berlin gab es natürlich mindestens zwei dieser Züge, je einer für jede Stadthälfte.
Ziel dieser Züge war es, z. B. bei gestörten Weichenheizungen bei Schneefall die beweglichen Teile der Weichen von Schnee frei zu blasen bzw. bei entsprechenden Einsatzfahrten vorsorglich die Gängigkeit der Weichen zu gewährleisten. Ein weiterer Grund dieser Züge war der geringere und schnellere Personaleinsatz, konnte man doch zum Einsatzort fahren und nach getaner Arbeit schneller den nächsten Arbeitsort erreichen. Bei Bedarf gingen diese Züge raus auf die Strecke, bei Schneefall in den Betriebspausen wurden die Züge auch für Spurfahrten herangezogen. Die Züge verkehrten operativ, d.h. es gab keine festen Fahrpläne wie bei anderen Dienstzügen der S-Bahn, z.B. Boulettensusi.
Wie funktionierte ein Schneeräumzug?
An der Scharfenbergkupplung wurde eine Halterung, in Höhe der Bahnräumer wurden vor der ersten Achse entsprechende Düsen angebracht. Die Düsen wurden mittels Luftschläuche mit der Hauptluftbehälterleitung im Führerstand verbunden, ein dazwischengeschaltetes Betätigungsventil brachte die erforderliche Luft an die Ausströmrohre. Mit Hilfe von Druckluft, aus der Hauptluftbehälterleitung mit maximal 8 bar bereitstehend, sollten nun die Weichen frei von Schnee geblasen werden. Der Erfolg war manchmal jedoch sehr gering, da die Luft kalt und in den vielen Fällen der Schnee festgebacken war. Durch den beim Arbeitsvorgang abfallenden Hauptluftbehälterdruck, die Luftverdichter schalteten erst bei einem Wert von 6,5 bar wieder zu, war der Wirkungsgrad nicht immer gleich. Zusätzlich gab es einen Luftschlauch, der durch einen Eisenbahner händisch bedient werden konnte.
Die Fahrten der Schneezüge wurden in den 1980er Jahren eingestellt, leider läßt sich aufgrund der dürftigen Quellenlage kein genaues Datum dazu angeben. Nachfolgend ein paar Bilder, die diese Schneezüge dokumentieren:
277 063 vom S-Bw Grünau ist im November 1977 für die kommende Wintersaison als Schneezug vorgesehen.
Detailansicht der Anbringung der Luftdüsen vor der ersten Achse (November 1977).
Vorbereiteter Passviertelzug im S-Bw Wannsee (Januar 1978).
Zusätzlich gab es auch einen Luftschlauch, um betroffene Stellen damit von Eis und Schnee befreien zu können.
Das Bild entstand im Jahrhundertwinter 1979 im S-Bw Friedrichsfelde, im Hintergrund der damals noch vorhandene Wasserturm.
Bild: Zentralbild der Deutschen Reichsbahn; Sammlung Straschewski
Auch in den 1980er Jahren standen in der Wintersaison entsprechende Züge bereit (undatiert).
Detail der Befestigung der Luftschläuche an der Scharfenbergkupplung (undatiert).
Autor:
Mike Straschewski
Quelle:
Zeitzeugenaussagen
letzte Änderung:
24. Dezember 2012
Veröffentlichung:
24. Dezember 2012