Fahrzeugmodernisierung in den 1970er Jahren:
Das "Warzenschwein"


Im Frühjahr 1970 ließ die Deutsche Reichsbahn (DR) eine Grobkonzeption zur Rekonstruktion der vorhandenen Fahrzeuge erarbeiten. Drei Jahre später begannen die ersten Umbauarbeiten mit den Viertelzügen 276 079/080 (später 277 399/400), 276 083/084 (später 277 447/448), 277 337/338 und 277 273/274. Die Außenform der modernisierten Wagen blieb noch unverändert, ebenso gab es auch noch keine optisch-akustische Warnanlage. Über weitere Änderungen an den Fahrzeugen lesen Sie bitte hier weiter.

Nach zwei Jahren der erfolgreichen Erprobung begann im ersten Halbjahr 1975 im damaligen Reichsbahnausbesserungswerk in Schöneweide die Serien-Modernisierung der Baureihe 277. Als erstes Fahrzeug wurde Ende Juni 1975 der 277 169/170 fertiggestellt. Augenscheinlichstes Merkmal der Rekonstruktion waren neben dem Antennensockel auch die auf dem Dach neu angebrachten Warnlampen. Der Türschließvorgang wurde nun neu akustisch (mittels Klingel) und optisch (mit Lampen) eingeleitet, unmittelbar darauf schlossen sich die Türen. Diese Neuerung sorgte für mehr Komfort, war es doch bis dato gang und gebe, das nach dem Ruf "Zurückbleiben!" der Aufsicht die Türen ohne jegliche weitere Warnung geschlossen wurden. Übrigens: Noch bis Dezember 1997 verkehrten solche "lautlosen" Viertelzüge der BR 475 (ex BR 275) im täglichen Fahrgastverkehr.

Bild: 277 133 mit Warnleuchten

Die Außenansicht des 277 133 zeigt die Anordnung der Warnleuchten überhalb der Türen.

Bild: Innenansicht Warnleuchte

Die Warnleuchte im Innern des Fahrgastraumes war komplett im Dach eingebaut.

Die Konstruktion der optischen Warnanlage bewährte sich auf Dauer nicht, hauptsächlicher Grund hierfür war die mangelhafte Abdichtung der am Dach angebrachten Gehäuseaufsätze, die gerade bei eindringender Nässe auch zu Auslösungen der entsprechenden Sicherungen führen konnte. Die Werkstätten bekamen die Antennensockel bzw. Warnlampenanlagen trotz mehrerer Maßnahmen nicht dicht. Ab November 1976 wurde die Antenne vor dem linken Führerstandsfenster angebracht, ab Mitte 1977 integrierte das Raw die Warnlampen nun in die Türtaschen, dort blieben sie bis zum Ende der Fahrzeuge im Jahre 2003. Der Umbau der optisch-akustischen Warnanlage wurde bei den von 1975 bis 1977 modernisierten Zügen ab Anfang 1987 bei einer Hauptuntersuchung T7 im Raw Schöneweide durchgeführt, im Frühsommer 1991 verlor der letzte 277er dieses markante Aussehen.

Bild: Antennensockel und Warnleuchten

Dieses Bild, wenn auch qualitativ arg an der unteren Grenze, zeigt den Einbauort des Antennensockels über dem mittleren Führerstandsfenster am 277 269.

Die DR baute insgesamt 44 Viertelzüge mit den außenstehenden Warnlampen um, der S-Bahner (oder war es doch der Volksmund?) gab diesen Zügen schnell den despektierlichen Spitznamen "Warzenschwein", da diese außen angebrachten Lampen den einen und anderen an eine Warze erinnerten. Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über diese umgebauten Fahrzeuge.


lfd. Nr. Viertelzug Fertigstellung spätere BR 477 Bemerkung
1 277 169/170 Juni 1975 477 072  
2 277 307/308 Juli 1975 477 138  
3 277 007/008 August 1975 477 003  
4 - 5* 277 025/026 September 1975 477 012  
277 269/270 September 1975 477 120 + 877 125 ET mit 277 270 II (ex 280 I) neu zusammengestellt
EB zu 277 280 II umgezeichnet und mit ET 277 279 neu zusammengestellt
6 - 7* 277 101/102 Oktober 1975 477 040  
277 401/402 Oktober 1975 477 181  
8 - 9* 277 343/344 November 1975 477 156  
277 363/364 November 1975 477 081  
10 277 093/094 Dezember 1975 477 036  
11 277 117/118 August 1976 477 047  
12 - 14* 277 223/224 September 1976 477 097 erster rückgebauter Zug (Anfang 1987)
277 207/208 September 1976 477 090  
277 445/446 September 1976 477 192  
15 - 19* 277 095/096 Oktober 1976 477 037 erstmals zweigeteilte Stirnfront mit zwei Fenstern
277 155/156 Oktober 1976 477 066 erstmals zweigeteilte Stirnfront mit zwei Fenstern
277 133/134 Oktober 1976 477 055  
277 239/240 Oktober 1976 477 105  
277 335/336 Oktober 1976 477 152 erstmals ohne Antennensockel
20 - 25* 277 437/438 November 1976 477 188  
277 289/290 November 1976 477 129  
277 357/358 November 1976 477 163  
277 429/430 November 1976 477 185  
277 275/276 November 1976 477 123  
277 107/108 November 1976 477 042  
26 - 29* 277 171/172 Dezember 1976 477 073  
277 217/218 Dezember 1976 477 095  
277 251/252 Dezember 1976 477 111  
277 317/318 Dezember 1976 477 143  
30 - 32* 277 203/204 Januar 1977 477 088  
277 329/330 Januar 1977 477 149  
277 313/314 Januar 1977 477 141 letzter Viertelzug mit Dach-Warnanlage - Umbau September 1991
33 - 34* 277 049/050 Februar 1977 477 020  
277 255/256 Februar 1977 477 113  
35 - 38* 277 041/042 März/April 1977 477 018  
277 165/166 März/April 1977 477 601  
277 267/268 März/April 1977 477 119  
277 281/282 März/April 1977 477 126  
39 - 41* 277 131/132 Mai 1977 477 054  
277 367/368 Mai 1977 477 168  
277 379/380 Mai 1977 477 174 Versuch mit plastbeschichteten Türgriffen
42 - 43* 277 085/086 Juni 1977 477 033  
277 159/160 Juni 1977 477 068 Versuch mit plastbeschichteten Türgriffen
44 277 375/376 Juli 1977 477 172  

* Die laufenden Nummern und die Reihenfolge der Viertelzugnummern im jeweiligen Tabellenabsatz stellen nicht die chronologische Reihenfolge der Modernisierung dar.

Die Viertelzüge des Musterzuges erhielten ab Frühjahr 1977 im Rahmen ihrer planmäßigen Instandsetzung (damals alle vier Jahre) nicht nur die neue Frontgestaltung, sondern auch die in den Türtaschen eingebaute optische Warnanlage. Erstes Fahrzeug war (zufällig?) wieder der 277 399/400, es folgten ihm im Juli 1977 zwei regulär umgebaute Viertelzüge: 277 315/316 und 451/452. Die drei anderen Viertelzüge des Musterzuges wurden noch im Laufe des Jahres 1977 entsprechend umgebaut: 277 273/274 im Juli, 277 447/448 im Oktober und 277 337/338 im Dezember.

Die akustische Warnung war anfangs nur ein Klingeln, bevor sich die Türen schlossen. Am 26. März 1986 konnten die Reisenden erstmals den auch heute noch vorhandenen Dreiklang vernehmen - im Viertelzug 277 409/410. Dieser Viertelzug gab die Tonfolge über neu installierte Lautsprecher aus, die zukünftig auch zur Ansage von Bahnhöfen und für Durchsagen bei Bauarbeiten und Störungen dienen sollten. Während der Baumusterzug der BR 270 von Anfang an über eine Lautsprecheranlage verfügte (und später auch alle Serienfahrzeuge), rüstete die Reichsbahn ab 1986 ihre modernisierten Fahrzeuge der BR 276 und 277 während ihres planmäßigen Raw-Aufenhaltes um. Bis in die Mitte der 1990er Jahre hinein verkehrten jedoch auch noch modernisierte Züge ohne entsprechende Lautsprecheranlagen im S-Bahnnetz.


Autor:
Mike Straschewski

Quellen:
diverse Kurzmeldungen in den Verkehrsgeschichtlichen Blätter; Jahrgänge 1975 - 1978
Fahrzeugauflistung von Jens Wirgenings (†)

letzte Änderung:
7. Juli 2013

Veröffentlichung:
7. Juli 2013

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