Sie gehör(t)en zur S-Bahn dazu wie die Sonne zum Sommer: die Aufsichten auf den Bahnsteigen. Ihr wichtigstes Erkennungsmerkmal war die rote Dienstmütze- somit waren sie immer gut sichtbar für Fahrgäste und Triebfahrzeugpersonale. Das die Aufsichten, entgegen wie in anderen Städten, Jahrelang zum alltäglichen Anblick auf Berliner S-Bahnhöfen gehörten, war auch dem Umstand geschuldet, daß die Modernisierung des Wagenparks erst im Jahre 2004 ihren Abschluß fand.
Ihr Ende kam zügig: aufgrund des Verkehrsvertrages mit dem Berliner Senat, der eine Kürzung von 48 Millionen € jährlich vorsieht, griffen die Rationalisierungsmaßnahmen sehr schnell bei der S-Bahn. Dies war neben der erfolgten Modernisierung des Wagenparkes und der Kürzung der Zuschüsse auch dem Bestreben seitens der Deutschen Bahn AG für den (immer noch) bevorstehenden Börsengang geschuldet. Zuviel Personal senkt die eigenen Gewinne und die Attraktivität gegenüber Investoren.
In der Koalitionsvereinbarung für die Legislaturperiode 2001-2006 zwischen SPD und PDS hatte man noch vereinbart:
Ziel ist es, alle Berliner Bahnhöfe mit Personal zu besetzen.
Papier ist bekanntlich geduldig, die Berliner Kassen dagegen leer und die Börse lockt. Was folgte, nennt sich ZAT und bedeutet: Zugabfertigung durch den Triebfahrzeugführer. Willkommen in einem Trauerspiel der Berliner Verkehrspolitik!
Jetzt schon Vergangenheit: in Schönholz fertigt die Aufsicht einen Zug der Bauart "Olympia" nach Wannsee ab (1979).
Beim Abfertigungsverfahren ZAT sind auf dem Bahnsteig vier Kameras installiert, diese nehmen die betreffende Bahnsteigseite komplett auf. Diese Bildsignale werden in den Führerstand des Zuges gesandt, wo sie auf einem Monitor als ein so genanntes "Quad-Bild" dargestellt werden.
Nach dem Ruf "Zurückbleiben bitte" führt der Triebfahrzeugführer selbstständig den Türschließvorgang durch und kontrolliert über den Monitor, ob der Abfahrt des Zuges nichts mehr entgegensteht. Eingeklemmte Gegenstände und Personen verhindern zusätzlich über eine so genannte unterbrochene Türschleife die Weiterfahrt des Zuges. Nachdem der Zug den Bahnsteig verlassen hat, schaltet sich der Monitor dunkel. Ein Einschalten erfolgt erst beim Halt auf dem nächsten Bahnsteig.
Der erste Versuchsbetrieb der ZAT lief auf der S-Bahnlinie 1. Dafür ausgewählt wurden die Bahnhöfe Borgsdorf, Schönholz, Nordbahnhof, Botanischer Garten und Sundgauer Straße, die aufgrund ihrer geografischen Lagen dafür bestens geeignet erschienen. Die Kosten wurden für jedes umgerüstete Bahnsteiggleis mit 20.000 €, für jeden S-Bahnzug mit 15.000 € angegeben.
Als weiteren Rationalisierungseffekt verspricht sich die S-Bahn von diesem Abferigungsverfahren kürzere Aufenthaltszeiten, wovon wiederum die Fahrgäste mit kürzeren Fahrzeiten profitieren werden. Doch die Aufsichten werden nicht ganz verschwinden: Nehmen sie derzeitig noch betriebliche Aufgaben neben der Kundenbetreuung war, so werden sich ihre Tätigkeitsfelder komplett verändern: sie sollen näher am Fahrgast sein, Auskünfte erteilen und als Serviceträger der S-Bahn fungieren. So sollen sie nach dem derzeitigen Stand auf 23 Bahnhöfen weiterhin für den Fahrgast sichtbar präsent sein.
Autor:
Mike Straschewski
Quellen:
Geisterbahnhöfe bei der S-Bahn; Peter Neumann; Berliner Zeitung vom 2. März 2004
Die S-Bahn-Aufsicht wird abgefertigt; Klaus Kurpjuweit; Der Tagesspiegel vom 2. März 2004
S-Bahn-Fahrer fertigen Züge jetzt selbst ab; gd ; Berliner Morgenpost vom 2. März 2004
letzte Änderung:
26. Oktober 2008
Veröffentlichung:
26. Oktober 2008