Alle Jahre wieder - Die Weihnachtszüge der S-Bahn


Auflistung Weihnachtszüge kleine Bildergalerie

Seit über einem halben Jahrhundert dreht in der Vorweihnachtszeit ein ganz bestimmter Zug seine Runden im S-Bahn-Netz: Der Weihnachtszug. Sein genauer Geburtstag (oder auch erster Verkehrstag) ist nicht genau überliefert. Da hält sich der Weihnachtszug genau an seinen "Chef": Vom alten Mann im Rauschebart und roten Mantel weiß man das ja auch nicht so genau.

Bild: Weihnachtszug 1952

Das älteste überlieferte Foto stammt aus dem Jahre 1952. Dieser Weihnachtszug wurde von der S-Bahnbetriebswerkstatt (S-Bw) Wannsee gestellt. Jedoch kann auch schon vor 1952 ein ebensolcher Zug gefahren sein. Genaueres weiß man darüber nicht, da der Weihnachtszug auf Eigeninitiative von Eisenbahnern beruht und somit keine offiziellen Dokumente nach derzeitigem Erkenntnisstand existieren.

Angefangen hatte es in den 1950er Jahren mit der Idee, den Kindern der Mitarbeiter des S-Bw Papestraße in der Vorweihnachtszeit eine Freude zu machen. Also schmückte man einen Zug, bemalte die Scheiben mit weihnachtlichen Motiven, servierte Essen und Getränke und los ging die Reise. Da diese Idee gut ankam, sollte der Zug auch im Ostteil für die Kinder der ostdeutschen Mitarbeiter fahren. Jedoch nahm man schnell Anstoß an den allzu westlichen Bildermotiven. So wurden die Bilder gegen Ostmotive ausgetauscht. Selbst bei so einfachen Sachen war immer etwas Politisches im Spiel.

Kamen anfangs nur Eisenbahnerkinder in den Genuß, so wurden die Fahrten Anfang der 1970er Jahre zumindest im Ostteil der Stadt vermehrt von Kindergärten und Schulen genutzt. Offiziell drehte der Weihnachtszug ab 1974 regelmäßig jedes Jahr seine Runden, zumeist auf der Strecke zwischen Erkner und Alexanderplatz. Im Westteil wurde er erst ab 1978 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Leider fuhr er dort dann nur noch 1979. Der Reichsbahnerstreik vom September 1980 beschied ihm ein vorzeitiges Ende.

Bild: Weihnachtszug 1952

Der erste (und einzige) Weihnachtszug unter Regie der BVG (5. Dezember 1987).

Erst 1986 wurde dieser Brauch in Westberlin auf Initiative eines S-Bahn-Mitarbeiters wieder aufgegriffen. Man mietete von den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) einen Halbzug und sah vor, in privater Regie mit diesem Zug zwischen dem Lehrter Stadtbahnhof und Wannsee hin und herzufahren. Die Fahrgastinitiative IGEB unterstützte diesen besonderen Zug und warb für ihn. Eine Betriebsstörung brachte jedoch die geplanten Fahrten durcheinander.
Ein Jahr später übernahm die BVG diese Idee. So fuhr man am 29. November 1987 mit 275 735/736, am 5. und 12. Dezember 1987 jeweils mit 275 641/642 und am 19. Dezember 1987 mit 275 683/684 statt. Jedoch war der Zug einigen Verantwortlichen in der Verwaltung ein Dorn im Auge, so daß er 1988 "aus Sicherheitsgründen" [1] nicht mehr verkehrte.

Nach den Ereignissen vom 9. November 1989 sah man ihn auch wieder auf der westlichen Stadtbahn. Waren die (Ost-)Fahrten bis dato nur Eisenbahnerkindern und Kindergartengruppen vorbehalten, so wurde er ab 1992 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Seit 1994 fährt er unter der Obhut des Vereines Historische S-Bahn e.V., dessen Mitglieder ihn in ihrer Freizeit schmücken und während der Fahrten betreuen. Und seitdem dreht er nun jedes Jahr seine Runden, erfreut Kinder und Eltern, Omas, Opas, Tanten und Onkels. Und alle hoffen, daß der Nachwuchs nun für wenige Minuten das Kind ist, was sie sich schon immer wünschten. Bleibt uns nur noch zu wünschen, daß dieser Zug nun noch viele Jahre seine Runden drehen wird.

Wer hätte das gedacht, daß der Weihnachtszug einmal nicht verkehren würde? Zu Weihnachten 2009 fielen alle Fahrten aus, da sich die S-Bahn Berlin GmbH nicht in der Lage sah, aufgrund ihrer mißlichen Fahrzeugwirtschaft zusätzliche Zugfahrten anzubieten. Die Webseite des betreuenden Historischen Vereins der S-Bahn e.V. schrieb dazu im Jahre 2009:

Das Jahr 2009 hielt für die S-Bahn in Berlin wenig gute Überraschungen bereit. Nun steht fest, dass mit der langjährigen Tradition des S-Bahn-Weihnachtszug in diesem Jahr gebrochen werden muss. Da die S-Bahn derzeit alle Kräfte darauf konzentriert, den Fahrbetrieb zu stabilisieren und möglichst schnell den regulären Fuhrpark wieder herzustellen, hat man sich entschlossen, die Adventfahrten in diesem Jahr abzusagen. Derzeit sind alle nötigen Werkstattkapazitäten bei der S-Bahn durch die Wartung der sogenannten Regelfahrzeuge erschöpft.

Auch im Jahr 2010 änderte sich die angespannte Fahrzeugsituation bei der S-Bahn Berlin GmbH so gut wie garnicht. Und so verblieb der Weihnachtszug 2010 aufgrund fehlender bzw. mangelnder Wartungskapazitäten in der Triebwagenhalle Erkner. Auch in den Jahren 2011, 2012 und 2013 konnte kein Weihnachtszug eingesetzt werden. Welche Symphatie der Zug auch im Jahre vier seines Nichtverkehrens hat, belegen die bei uns im November und Dezember eingegangenen zahlreichen Anfragen zu den Fahrten des Weihnachtszuges.

Bild: Weihnachtszug 2004 in Potsdamer Platz

Auch am Weihnachtsmann geht der Fortschritt nicht vorbei:
Funkgerät und Arbeitsschuhe helfen ihm heutzutage, seinen Auftrag zu erfüllen (28. November 2004).


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Autor:
Mike Straschewski

Quellen:
[1] Kurzmeldung Berliner Verkehrsblätter; Heft 12/1988
Seit mindestens 50 Jahren unterwegs: Der Weihnachtszug der Berliner S-Bahn; Manuel Jacob; Berliner Verkehrsblätter 12/2002
Mit Tannengrün und Lichterglanz: 50 Jahre S-Bahn-Weihnachtszug; Manuel Jacob, Fahrgastzeitung Punkt 3, Ausgabe 24/2002

letzte Änderung:
15. Dezember 2013

Veröffentlichung:
15. Dezember 2008

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