Bild: Alt-Reinickendorf


telegrafisches Kurzzeichen: BARF, vormals Rkd
eröffnet: 1. Oktober 1893 (als Reinickendorf (Dorf))
elektrischer Betrieb seit: 16. März 1927
Zugverkehr eingestellt: 9. Januar 1984
Zugverkehr wieder aufgenommen: 28. Mai 1995
Station liegt an der Kremmener Bahn

Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik Schönholz

Als "Reinickendorf (Dorf)" ging die Station, anfangs noch mit einem einfachen ebenerdigen Seitenbahnsteig versehen, am 1. Oktober 1893 in Betrieb. Das einzige Gleis lag nördlich des Bahnsteiges, südlich von diesem wurde das auch noch heute erhaltene Empfangsgebäude am selben Tag seiner Bestimmung übergeben. Die wenigen Personenzüge aus der Anfangszeit (18 Züge am Tag/9 in jede Richtung) waren alsbald dem regen Zuwachs der Reisenden nicht mehr gewachsen. Und so verbesserte die Königliche Eisenbahndirektion (KED) über die Jahre hinweg für den Personen- und Güterverkehr stetig die Fahrpläne. Um die zusätzlichen Züge (Personenzüge 1897: 28 Züge am Tag/14 in jede Richtung) stabil in den Streckenfahrplan mit einlegen zu können, errichtete die KED zwischen Reinickendorf und Dalldorf ein zweites Gleis, dieses ging Mitte August 1899 in Betrieb.

Im Jahre 1905 begann die Höherlegung der Strecke. Aufgrund der gewachsenen Verkehrsaufgaben erhielt diese dabei zumindest zwischen Schönholz und dem Abzweig "Tegeler Gabelung" - Abzweig Tga - drei Gleise, ab dort wurde sie zweigleisig bis Tegel ausgebaut. Der Bahnsteig von Reinickendorf wurde gegen einen Mittelbahnsteig in Hochlage ausgetauscht, die Züge hielten jetzt an beiden Bahnsteigkanten. Die Bedienung der östlich der Reinickendorfer Straße gelegenen Ladestraße nahm ebenfalls immer weiter zu, so das nach der Streckenhochlegung der damals neu entstandene Güterbahnhof (Gbf) Reinickendorf die Rangieraufgaben übernehmen konnte. Das auch heute noch existente Überholungsgleis ging Mitte 1908 in Betrieb. Zum 1. Mai 1911 verschwand das in Klammern stehende "Dorf" aus dem Stationsnamen.

Bild: einfahrender Zug von Schönholz kommend

Einfahrender Zug - von Schönholz kommend.
Das hinter der Halbzug-Haltetafel durch das Kleinpflaster sprießende Gras verdeutlicht die in den Jahren zuvor abgenommene Bedeutung der Station. (3. August 1983)

Als dritte Bahnlinie der Nordstrecken wurde die Kremmener Bahn auf das damals neuartige Stromschienensystem umgerüstet. Seit dem 16. März 1927 fuhren die Versuchszüge, sowie die Züge der Bauarten Bernau und Oranienburg die Station an. Das neu eingeführte System übertraf alle Erwartungen an die Fahrgastzuwächse. Trotzdem brauchte die Deutsche Reichsbahn noch bis zum Sommerfahrplanwechsel am 15. Mai 1936, um den bis dato herrschenden 30-Minutentakt auf einen 20-Minutentakt zu verkürzen. Grund hierfür war die wenige Tage später stattfindende Eröffnung des nördlichen Abschnittes des Nordsüd-S-Bahntunnels. Von nun an war das südliche Ziel der Züge nicht mehr der Stettiner Vorortbahnhof, sondern für die nächsten drei Jahre der unterirdisch gelegene S-Bahnhof Unter den Linden. Ab November 1939 schließlich ging es weiter bis nach Mahlow. Im Jahr darauf tauschte die Reichsbahn das Endziel aus, die Züge fuhren nun nach Lichterfelde Süd.

Fünf Jahre später gab es gab es weder Züge nach Lichterfelde Süd noch überhaupt einen S-Bahnverkehr mehr. Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges und des Dritten Reiches aufgrund der Kapitulation Nazideutschlands fuhren vorerst keine rotgelben Züge mehr. Erst am 11. Juni 1945 verkehrte das erste Zugpaar - ein Dampfzug, der einmal am Vor- und einmal am Nachmittag fuhr. Die S-Bahnzüge kehrten am 19. Juli zurück und hielten nur noch an der nördlichen Bahnsteigkante. Das südliche Gleis mußte als Reparationsleistung an die damalige Sowjetunion abgegeben werden. Wenige Wochen später konnte die Reichsbahn wieder einen Stundentakt anbieten, zu groß waren bis zu diesem Zeitpunkt die Einschränkungen durch fehlendes Personal, Fahrzeug- und Streckenschäden sowie durch die mangelhafte Stromversorgung. Am 22. November 1945 kam mit der Einführung des 30-Minutentaktes zu einer weiteren Verbesserung.

Bild: stillgelegter Bahnsteig

Blick vom Einfahrsignal A (rechts im Bild angeschnitten) zum Westende des Bahnsteiges.
Das Gleis im Vordergrund ist ein Stumpfgleis, dessen Länge bis ungefähr an die Hälfte des Bahnsteiges reicht. (Juni 1984)

Der Vorkriegs-Zugtakt von 20 Minuten wurde erst wieder am 15. Oktober 1961 eingeführt, mit ihm wollte die Reichsbahn bei den Fahrgästen der Kremmener Bahn punkten. Der knapp zwei Monate zuvor ausgerufene S-Bahnboykott als Ausdruck der Wut über die am 13. August 1961 vollzogene Trennung der Stadt durch den Mauerbau hatte zur Folge, daß die Fahrgastzahlen der S-Bahn in Westberlin drastisch zurückgingen. Daran konnte die nun dreimal stündlich in jede Richtung verkehrende S-Bahn auch nichts mehr ändern. Und so dümpelten Strecke und Bahnhof in den nächsten Jahren vor sich hin. Die einst so stolze Kremmener Bahn verkümmerte zu einem wenig genutzten Streckenast im Westberliner S-Bahnnetz. Die Wiederaufnahme des Verkehrs nach dem Zweiten Reichsbahnerstreik ist wahrscheinlich mehr dem Taktieren der Ostberliner Reichsbahn zu einer möglichen Übernahme der S-Bahn durch den Westberliner Senat geschuldet als der zum damaligen Zeitpunkt wirklich bestehenden Verkehrsbedeutung.

Ende 1983 war es mit der Übernahme soweit: Die Ost-Reichsbahn und der Senat von Westberlin schlossen eine S-Bahn-Vereinbarung ab, in der übertrug der Senat ab dem 9. Januar 1984 den S-Bahnbetrieb an die Westberliner BVG. Diese sah sich jedoch gezwungen, den bis zum Vortag bestehenden Rumpfbetrieb auf der Kremmener Bahn wegen Personalmangels sofort einzustellen. Und so fiel neben der Strecke auch der Bahnhof Reinickendorf wie viele andere Westberliner S-Bahnhöfe in den Jahren zuvor in einen Dornröschenschlaf. Einzig die ebenfalls auf dem alten S-Bahngleis verkehrenden Güterzüge von und nach dem Bahnhof Tegel bzw. zu diversen anderen Anschlußgleisen, u.a. auch zum Güterbahnhof Reinickendorf, ließen den Schienen keinen Rost ansetzen. Hinzu kamen ab 1984 viele Probefahrten der in der Waggon Union grundsanierten Viertelzüge der BR 275 sowie ab 1986 die Abnahmefahrten der damals neuen Baureihe 480.

Bild: unbenutztes Ostende des Bahnsteiges

Blick vom östlichen Bahnsteigende in Richtung Westen:
Links verkehrt die S-Bahn, rechts die Fernbahn. Dazwischen bleibt viel ungenutzter Platz. (31. März 2007)

Auch wenn sich der Ortsteilname Reinickendorf etymologisch vom Dorfgründer Reinhardt (damals Reinhardts Dorf, auf plattdeutsch Renekentorp) ableitet und nichts mit dem aus dem 15. Jahrhundert stammenden Fabelwesen Reineke Fuchs zu tun hat, eines paßte nun wie die vielzitierte Faust aufs Auge: hier sagten sich Fuchs und Hase nach der Bahnhofsschließung ab sofort wirklich gute Nacht. Nach 4099 Gute-Nacht-Wünschen kehrte die S-Bahn wieder zurück auf die Kremmener Bahn. Ab dem 28. Mai 1995 fuhren die S-Bahnzüge der seit knapp vier Jahren wiedervereinigten Stadt Berlin die Station wieder an. Schon ein Jahr zuvor benannte man sie in "Alt-Reinickendorf" um. Im selben Jahr baute man zwischen dem Abzweig Tga und dem Gbf Reinickendorf das zweite, südlich liegende Gleis auf einer Länge von ca. 1.200 Metern wieder auf [1]. Mit der Wiederinbetriebnahme ging somit das südliche Bahnsteiggleis in Betrieb, auf dem nördlichen verkehrte weiterhin der mit den Jahren immer weniger gewordene Güterverkehr. Ein Zaun trennt seitdem auch beide Bahnkanten, die Abfertigung der Züge erfolgte bis ins Jahr 2006 hinein mittels Kamera von der Aufsicht in Tegel aus.

Kurz nach der westlichen Ausfahrt schwenkt das S-Bahngleis wieder auf die bis 1984 genutzte Trasse, während das Gütergleis ebenfalls um eine Gleisachse nach Norden schwenkt. Ein Gleis des Güterbahnhofes Reinickendorf versah man mit einer Stromschiene, so daß im Falle von Verspätungen und Bauarbeiten die S-Bahnzüge hier kreuzen können. Die Bedienung des Güterbahnhofes sowie der für die S-Bahn benötigten Weichen und Signale erfolgt durch das am östlichen Bahnhofsende stehende Fahrdienstleiter-Stellwerk "Rkd" und das am westlichen Ende sich befindliche Wärterstellwerk "Rwb". Mit der Wiederinbetriebnahme der S-Bahn wurden die Formsignale durch Lichtsignale des Hl-Signalsystems ausgetauscht. Bei Umbaumaßnahmen im Rahmen von mehrwöchigen Streckenbauarbeiten im März 2010 sollte die Sicherungstechnik des Bahnhofes angepasst werden, dadurch wäre das Wärterstellwerkes "Rwb" überflüssig geworden. Aufgrund eines Planungsfehlers und der damit verbundenen Nacharbeiten konnte das Stellwerk erst im Dezember 2010 außer Betrieb genommen und die Arbeiten vollendet werden.

Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik Schönholz

Autor:
Mike Straschewski

Quellen und weiterführende Buchtipps:
Die Kremmener Bahn; Peter Bley, Verlag Bernd Neddermeyer, 2004
Berlins S-Bahnhöfe; Jürgen Meyer-Kronthaler/Wolfgang Kramer, be.bra Verlag, 1998
[1] Tegel und Lichterfelde wieder verbunden; Jürgen Meyer-Kronthaler, Uwe Poppel; Berliner Verkehrsblätter; Heft 7/1995

weiterführende Links:
Der Bahnhof bei Google Maps
www.kremmener-bahn.net
Die Stellwerke "Rkd" und "Rwb" auf der Webseite S-Bahn-Fahrdienstleiter

Veröffentlichung:
30. Januar 2011


letzte Änderung des Textes: 30. Januar 2011

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