Die Prototypen der Baureihe 480


Die Serienfahrzeuge


Am 9. Januar 1984 übernahmen die Berliner Verkehrs-Betriebe (BVG) die Betriebsrechte der in Westberlin gelegenen Strecken der S-Bahn von der Deutschen Reichsbahn (DR). Neben den Strecken und Bahnhöfen wurden bei den Regelfahrzeugen nur Fahrzeuge der Baureihe 275 übergeben. Die überlassenen Fahrzeuge hätten - wenn alle Strecken voll betrieben worden wären - nicht ausgereicht, so daß eine Neubeschaffung unumgänglich war. Zudem waren die Viertelzüge zu diesem Zeitpunkt über 50 Jahre im Einsatz.

Die Industrie entwickelte im Rahmen eines Forschungsprojektes, vom damaligen Bundesministers für Forschung und Technologie (BMFT) und dem Senator für Wissenschaft und Forschung gefördert, in Abstimmung mit der BVG ein neues S-Bahnfahrzeug, das den Besonderheiten der Berliner S-Bahn entsprach. Entwicklung und Bau erfolgten in der zu einer Arbeitsgemeinschaft (ARGE) zusammengefassten Firmen AEG, Siemens und Waggon Union, die mit der BVG einen Entwicklungsvertrag abgeschlossen hatten.

Modell in der Hardenbergstraße

Im Rahmen einer Pressevorführung wurde dieses 1:1 Modell in der vorgesehenen Aussenfarbgebung kristallblau vor dem Gebäude der IHK in der Hardenbergstraße eine Zeit lang ausgestellt (Juli 1985).

Das Designbüro Prof. Lindinger & Partner aus Hannover entwickelte die dreigeteilte Frontscheibe, die durch ihr Aussehen an die Tradition der alten Fahrzeuge erinnerte und doch gleichzeitig eine neue "Produktpersönlichkeit" hervorhob.
Es wurden vier Doppeltriebwagen (480 001/501 - 480 004/504) als Prototypen entwickelt, die von Dezember 1986 bis März 1987 ausgeliefert wurden. Den offiziellen Roll-Out gab es am 22. Oktober 1986 auf dem Gelände der Waggon Union in Reinickendorf vor Presse und Gästen.

Jeder der vier Doppeltriebwagen besitzt zwei angetriebene Drehgestelle mit jeweils zwei Drehstrom-Asynchron-Fahrmotoren, die eine Nennleistung von je 90 kW haben. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 100 km/h. Erstmals wurde eine für Berlin neue Türenanordnung verwendet: drei (breitere) Türen pro Wagenseite. Die Anfahrbeschleunigung von 1 m/s² ermöglicht eine Reisegeschwindigkeit von 40 - 50 km/h, je nach befahrener Strecke. Jeder Triebwagen ist mit einem Führerstand versehen, so daß jeder Viertelzug alleine fahrfähig ist.

480 003

480 003-3 in der S-Bahnbetriebswerkstatt Wannsee mit einem (nicht ungelungenen) Farbvorschlag.

Die Fahrzeuge 480 001/501 und 480 002/502 wurden in kristallblau ausgeliefert, während die 480 003/503 und 480 004/504 in rot/gelb ausgeliefert wurden. Die durch die Designer vorgeschlagene Farbgebung kristallblau, welche Schnelligkeit, Freundlichkeit, Leichtigkeit und Sauberkeit der neuen Fahrzeuge hervorheben sollte, wurde schnell durch die Presse niedergemacht. Im Oktober 1986 stimmten während einer Livesendung des Senders Freies Berlin innerhalb von 20 Minuten 22.000 Zuschauer ab, von denen 55 Prozent für die alte Farbgebung votierten.

Den endgültigen Ausschlag gab dann eine Umfrage in den Berliner Zeitungen im Oktober 1987: nach der Auszählung von 20.000 Wahlcoupons stimmten 80 Prozent für die rot/gelb. Ein (nicht ungewollter) Nebeneffekt: die S-Bahn war wieder in aller Munde. Die beiden kristallblauen 480er wurden erst 1996/1997 umlackiert.

Innenraumansicht

Diese Sitzanordnung eines Prototypes wurde zugunsten eines Mehrzweckabteiles bei den Serienfahrzeugen abgewandelt, um Kinderwagen, Rollstühle und Fahrräder besser unterbringen zu können.

In den Prototypen wurde auch eine neue Haltestellenanzeige erprobt, die leuchtende Netzspinne, bei der der jeweilige Haltebahnhof mittels einer LED angezeigt wurde. Die Technik bewährte sich, wurde aber aufgrund der sich rapide veränderten Verkehrssituation nach 1989 nicht mehr in die Serienfahrzeuge eingebaut.

Da es für die Technik der Prototypen keine Ersatzteile mehr gab und eine Anpassung an die Serie zu teuer war, musterte im Jahre 2003 die S-Bahn Berlin GmbH die Prototypen bis auf 480 001/501 aus. Die Viertelzüge verbrachte man nach Königs Wusterhausen zum Verschrotten. Der 480 001/501 diente noch einigen Erprobungstests einer neuen Softwareversion und wurde dann am 19. Februar 2004 ebenfalls verschrottet.

Weitere themenbezogene Seiten auf www.stadtschnellbahn-berlin.de:
Die Rückfahrt von Hamburg nach Berlin
Selbstgespräche


Die Serienfahrzeuge


Autor:
Mike Straschewski

Quellen und weiterführende Buchtipps:
Der Wagenpark der Berliner S-Bahn; Carl W. Schmiedeke; Lokrundschau Verlag Hamburg; 1997
Der neue Triebzug ET480; Beier, Falk, Lindinger, Potschies, Sauer, Hestra-Verlag 1990
S-Bahn Prototypzug; Berliner Verkehrs-Betriebe (BVG); 1987

letzte Änderung:
26. Oktober 2008

Veröffentlichung:
26. Oktober 2008

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