Schönholz


telegrafisches Kurzzeichen: BSNH, vormals Snl
eröffnet: 10. Juli 1877 (als Reinickendorf)
elektrischer Betrieb seit: 5. Juni 1925
Zugverkehr eingestellt: 9. Januar 1984
Zugverkehr wieder aufgenommen: 1. Oktober 1984
Station liegt an der Nordbahn

Wilhelmsruh Wollankstraße
Alt-Reinickendorf  

Am 10. Juli 1877 ging der Bahnhof - damals noch als Reinickendorf und ebenerdig gelegen - mit der Eröffnung der Nordbahn in Betrieb. Ein einfacher Seitenbahnsteig bot den (noch) wenigen Reisenden Gelegenheit, ein- und auszusteigen. In den nachfolgenden Jahren wurde die Station (vorerst) noch zweimal umbenannt: ab 1878 Schönholz (Reinickendorf), dann ab 1884 ohne Klammern, dafür mit Bindestrich. Im Jahre 1893 ersetzte man den Seiten- durch einen Mittelbahnsteig, drei Jahre später erfolgte der Bau eines Empfangsgebäudes.

Ausfädelung 1903

Schönholz 1903

Niveaufreie Ausfädelung der Nord- und Kremmener Bahn im Jahre 1903.
Repros aus: Zeitschrift für Bauwesen 1903

Der Bahnhof Schönholz im Jahre 1903.
Repros aus: Zeitschrift für Bauwesen 1903

Nach den ersten Gedankengängen und Planungen hätte der Bahnhof Schönholz keine Abzweigung für die Kremmener Bahn (Berlin-Schönholz - Hennigsdorf - Velten - Kremmen) bekommen. Vielmehr war anfangs (um 1877) ein Abzweig nahe dem Bahnhof Hermsdorf in Richtung Kremmen geplant. Nachdem sich der preußische Staat in die Planungen einmischte, entschied man sich nach langem Hin und Her für die heutige Streckenführung [1]. Die Kremmener Bahn ging am 1. Oktober 1893 offiziell in Betrieb.

In den nachfolgenden Jahren erlebte die Nordbahn einen wirtschaftlichen Aufschwung. Um dem gestiegenen Verkehr besser gerecht zu werden, entschied man sich für eine Umgestaltung der Bahnanlagen. Von 1901 bis 1903 wurde der Bahndamm höher gelegt, der erst vor einem Jahrzehnt neuerbaute Bahnsteig bzw. das Empfangsgebäude wurde nun schon wieder abgerissen und nach Höherlegung neu errichtet. Nördlich der Station realisierte man eine niveaufreie Ausfädelung für die Kremmener Bahn. Seit 1903 hat die Station nun ihr bis heute endgültiges Aussehen - die nördliche niveaufreie Ausfädelung ist noch heute so in Betrieb.

Abfertigung

Ein Zug der Bauart "Olympia" steht zur Abfahrt bereit.
Das liebevolle Ensemble der Blumenkübel wird man heutzutage vergeblich suchen (1979).

Anfang der 1920er Jahre entschied sich die Deutsche Reichsbahn (DR), die Nordstrecken (Stettiner Bahn, Nordbahn und Kremmener Bahn) aufgrund ihrer leichten Herauslösbarkeit aus dem Netz der Vorortverkehre, zu elektrisieren. Somit fuhren ab dem 5. Juni 1925 die ersten elektrischen Züge den Bahnhof an. Im Mai 1938 verschwand der Namensteil Reinickendorf aus dem Bahnhofsnamen.
Bedingt durch die Kriegseinwirkungen des Jahres 1945 hatte die Station nur für wenige Wochen keinen Zugverkehr. Der beginnende Kalte Krieg sorgte nun auch hier für sichtbare Zeichen: am östlichen Ende des Bahndammes bzw. der vor dem Bahnhof verlaufenden Provinzstraße verlief alsbald die Sektorengrenze zwischen Ost- und Westberlin. Mit dem 13. August 1961 wurde diese fest zementiert: die Berliner Mauer entstand.

In den nachfolgenden Jahren litt die Station wie alle anderen Westberliner S-Bahnhöfe am durch den S-Bahnboykott verursachten Fahrgastschwund. Nach dem zweiten Reichsbahnerstreik ließ die DR die Station weiterhin offen: beide von ihr abgehenden Strecken blieben in Betrieb. Das änderte sich erst ab dem 9. Januar 1984: mit der Übertragung der Betriebsrechte an die BVG wurde der Verkehr komplett eingestellt.
Auf dem nebenan liegenden Güterbahnhof ging der Betrieb weiter. Nicht nur der regelmäßig verkehrende Franzosenzug von und nach Tegel sorgte für Verkehr, sondern auch die Bedienung verschiedenster Gleisanschlüsse schuf einen regen Rangierverkehr. Ein ganz besonderer Güterkunde war die Monopolverwaltung für Branntwein in der Provinzstraße [2]. Über einen eigenen Gleisanschluss wurden hier Alkoholika in grünen Kesselwagen rangiert [3].

letzter Betriebstag der DR

Einfahrender Nathan 5 mit Fahrtziel "Lichterfelde Süd". (8. Januar 1984)

Zurück zum S-Bahnhof: Der S-Bahnverkehr ruhte für knappe zehn Monate. Nach teilweiser Sanierung der Nordbahn wurde der Bahnhof am 1. Oktober 1984 wiedereröffnet. In Richtung Tegel auf der Kremmener Bahn ging es erst elf Jahre später, am 28. Mai 1995, weiter. Viel hat sich seitdem nicht mehr getan, die Station hat bis jetzt noch keine tiefgreifende und substanzzerstörende Sanierung erlebt. Somit kann der Fahrgast auch heute noch im historischen Ambiente statt in neuzeitlicher Funktionsarchitektur reisen.

Wilhelmsruh Wollankstraße
Alt-Reinickendorf  

Autor:
Mike Straschewski

Quellen und weiterführende Buchtipps:
[1] Die Kremmener Bahn; Peter Bley, Verlag Bernd Neddermeyer; 2004
[2] www.epilog.de: Monopolverwaltung für Branntwein (Artikel nicht mehr online)
[3] Der Branntwein-Express; Verkehrsgeschichtliche Blätter, Heft 2/2002
Berlins S-Bahnhöfe; Jürgen Meyer-Kronthaler/Wolfgang Kramer, be.bra Verlag, 1998

weiterführende Links:
Der Bahnhof bei Google Maps
Das Stellwerk "Snt" auf der Webseite S-Bahn-Fahrdienstleiter

Veröffentlichung:
26. Oktober 2008


letzte Änderung des Textes: 12. April 2008

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