Die Baureihe 481


Durch die politische Teilung der Stadt und die spätere Aufteilung des Streckennetzes ergab sich die parallele Entwicklung zweier neuer Fahrzeuggenerationen. Während in den Westsektoren die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) seit 1986 den Triebzug ET 480 entwickelten, erprobte die Deutsche Reichsbahn (DR) vorwiegend für das Streckennetz in den Ostsektoren seit 1979 die Baureihe 270 (heute 485).

Beide Bauarten gingen unabhängig voneinander 1990 in die Serienproduktion. Damit fiel diese Serienproduktion in die Zeit der Neuorientierung der Berliner S-Bahn. Beide Neuentwicklungen sollten das neue Fahrzeug für die jeweilige Stadthälfte darstellen. Auf beiden Seiten war geplant, von nun an die bisherigen Fahrzeugtypen schrittweise aus dem Betriebseinsatz zu ziehen. Die BVG und die DR planten, die Modernisierung des Fahrzeugbestandes in den folgenden 10 Jahren abschließen zu können.

Die politischen Umbrüche in der Stadt stellten neue Anforderungen an das S-Bahn-Netz. Es wurden nun insgesamt mehr Fahrzeuge benötigt. Es war an der Zeit, sich Gedanken über ein neues Fahrzeug zu machen. Die beiden erprobten Bauserien wiesen jeweils verschiedene Eigenschaften auf, aus denen ein neuer Zug entstehen sollte. So setzte sich schon 1990 eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der BVG und DR zusammen und erarbeiteten einen Anforderungskatalog für die neue gemeinsame Bauserie. 1993 stellte die Industrie (Deutsche Waggonbau) ein Modell der Öffentlichkeit vor. Bemerkenswerterweise wurde von den Entwicklern die Fahrzeugfarbe "blau", wie schon zuvor für die Baureihe ET 170 und ET 480, vorgeschlagen. Diese Farbgebung wurde jedoch nie umgesetzt.

Roll Out

"Roll-Out" der BR 481 in der Hauptwerkstatt Schöneweide am 22. September 1996.
Vor dem von der Akkulok hereingeschobenen Viertelzug posieren der Geschäftsführer der S-Bahn Berlin GmbH, Axel Nawrocki (li.) und der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen.

Der Innenraum ist durch die Auswahl von pflegeleichten und vandalismusresistenten Materialen geprägt. Die Ausstattung des Fahrgast- und Bedienraumes wurde zweckmäßig ausgestattet. Der Arbeitsplatz des Triebwagenführers ist im Bedienraum mittig angeordnet, die Bediengeräte sind den Aufgaben des Triebwagenführers optimal angepasst. Daten zu den Fahrvorgängen und Fehlerdaten bei auftretenden Störungen sind von einem Display ablesbar. Die Stahlleichtbauweise, die Drehstrom- Asynchronmotoren sowie die Möglichkeit der Rückspeisung der Bremsenergie in das Fahrstromnetz erwirkt eine Energieeinsparung von 1/3 im Vergleich zu den Vorkriegsfahrzeugen. Zudem werden 3 von 4 Drehgestellen eines Viertelzuges angetrieben. Die Drehgestelle sind luftgefedert und haben radial geführte Radsätze zur Verminderung des Verschleißes. Die Leittechnik auf dem 32-bit-Rechnersystem steuert das Fahr- und Bremsverhalten des Fahrzeuges. Die Trennwand zwischen Bedien- und Fahrgastraum ist transparent ausgeführt.

Der neue Zug wurde, wie bei der Berliner S-Bahn üblich, in einer Zwei-Wagen-Konfiguration zusammengestellt. Hierbei bilden jeweils 2 Wagen (= 1 Viertelzug) eine feste Doppel-Wageneinheit. Unterschieden wird nach dem führenden Fahrzeug mit Führerstand (ET A 481) und dem Triebwagen ohne Führerstand (ET B 482). Im ET 482 (B-Wagen) befindet sich jedoch ein aufklappbares Fahrpult an der Stirnseite, welches jedoch nur für Rangierarbeiten verwendet werden kann.
An diesem Wagenende befand sich auch das 1. Klasse-Abteil, welches versuchsweise in den ersten Fahrzeugen gekennzeichnet wurde. Dieses besondere Sitzangebot konnte sich jedoch nicht durchsetzen.

vier gelbe 481er

Parade der "Gelben": ab 481 225 erfolgte die weitere Fabrikauslieferung in den Traditionsfarben rot/gelb (undatiert).

Die Baureihe ist für eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h ausgelegt. Beide Wagen sind fest miteinander verbunden und nur in der Werkstatt zu trennen. Der Wagenübergang ist durch einen Faltenbalg begehbar. Die kleinste zu bildende Zugeinheit für den Regelbetrieb ist der Halbzug. Neben dem Dreiviertelzug (6 Wagen) kann maximal für den normalen Zugbetrieb der Vollzug (8 Wagen, ca. 147 Meter) gebildet werden.

Schon 1994 wurde bei der Deutschen Waggonbau Ammendorf (DWA) der Auftrag über zunächst 100 Viertelzüge (Vz) dieser neuen Baureihe ausgelöst. Zusammen mit der ADtranz Hennigsdorf wurden die ersten Fahrzeuge (Vorserie, 10 Viertelzüge) 1996 ausgeliefert und umfangreiche Erprobungen durchgeführt. Teilweise auf der Strecke Hennigsdorf - Velten, teilweise auch schon im Streckennetz der Berliner S-Bahn (ohne Fahrgäste).
Die erste Fahrgastfahrt wurde am 11. Dezember 1996 durchgeführt. Die Baureihe präsentierte sich bei Auslieferung zunächst in den Farben ockergelb (gesamter Wagenkasten) mit einer rubinroten Leiste jeweils oben und unten sowie und das Führerstandsfenster herum. Der Wagen 482 002 wurde im Quersitzbereich versuchsweise für drei Jahre mit Holzbestuhlung ausgerüstet. Anfängliche Probleme im Sommer 1997 mit der Belüftung der Fahrzeuge wurden durch den nachträglichen Einbau von klappbaren Fenstern im Dezember 1997 behoben.

Nichts aus der Geschichte gelernt: Eine unzureichende Belüftung gab es schon zweimal bei der Berliner S-Bahn. Der legendäre Stadtbahner, hier speziell die Fahrzeuge der Bauart 1927, wiesen bei ihrer Indienststellung genau das gleiche Problem auf. Auch hier behalf man sich mit dem Einbau herunterlaßbarer Fenster. Und dann auch noch beim ET 170, dem "Blauen Wunder".

Probezug in Neukölln

Eine Probefahrt im S-Bahnhof Neukölln, Richtung Westkreuz.

Bei Auslieferung des ersten Viertelzuges 481/482 001 wurde die Bestellung um weitere 400 Viertelzüge erweitert. Das Gesamtvolumen der Bestellung betrug 2,1 Milliarden DM. Die ersten einhundert Viertelzüge bezahlte die Bundesregierung, die übrigen 400 Fahrzeuge die S-Bahn Berlin GmbH.

Durch eine Aktion einer Berliner Zeitung im Frühjahr wurde die Diskussion in der Bevölkerung über die Traditionsfarbe angeregt. Die B.Z. Berlin veröffentlichte Fotomontagen von der neuen Baureihe mit der herkömmlichen Farbgebung der Berliner S-Bahn. Im Sommer 1998 erklärte sich die S-Bahn Berlin bereit, einen Viertelzug mit der traditionellen Farbgebung zu bekleben (481/482 018, 062). Im Herbst des gleichen Jahres entschied man, zum nächstmöglichen produktionstechnischen Zeitpunkt, die weitere Auslieferung der Fahrzeuge in der Traditionsfarbgebung ab Herstellerwerk zu bestellen. Vereinzelte Fahrzeuge mit der bisherigen ockergelben Seitenwand wurden umlackiert, erst im Jahre 2000 konnte mit der Auslieferung des Viertelzuges 481/482 225 die Produktion ab Auslieferung angepasst werden.

Übergang BR 481

Der Übergang des durchgehenden Halbzuges 481 601/501.

Im Jahr 2002 bestellte die Berliner S-Bahn sechs abweichende Viertelzüge von den anvisierten 500. Diese drei Halbzüge sind jeweils als eine Einheit zu sehen. Dem Fahrgast ist es möglich, mittels der begehbaren Wagenübergänge den gesamten Vierwagenzug zu durchschreiten. Zur betrieblichen Unterscheidung bekamen sie abweichend von den anderen Fahrzeugen die Nummerngruppe 501/601, 502/602 und 503/603. Die Fahrzeuge sind baugleich mit der bisherigen Serie, lediglich am Wagenende ET 482 befindet sich ein begehbarer Wagenübergang zum folgenden ET 482. Die drei Halbzüge sind Versuchsfahrzeuge, deren Erfahrungen in eine später folgende Wagenbestellung einfließen könnten.

Am 30. September 2004 wurde der 500. Viertelzug an die Berliner S-Bahn übergeben, die Auslieferung der Baureihe 481/482 ist somit zunächst beendet. Trotzdem plant das Unternehmen schon eine neue Baureihe, basierend auf der BR 481. Inwieweit diese Planungen je verwirklicht werden, hängt vor allem davon ab, ob die S-Bahn Berlin GmbH die anstehenden Streckenausschreibungen gewinnt.

Weitere themenbezogene Seiten auf www.stadtschnellbahn-berlin.de
Wie der 482er seine Nummer bekam


Autor:
Markus Jurczizek, Mike Straschewski

Quellen und weiterführende Buchtipps:
Der Wagenpark der Berliner S-Bahn; Carl W. Schmiedeke; Lokrundschau Verlag Hamburg; 1997
Berliner Verkehrsblätter, Heft 2/1995 "S-Bahn-BR 481/482", Diego Wegener
Berliner Verkehrsblätter, Heft 4/1996 "Viertelzug 481 001/482 001", Wolfgang Kramer
Eisenbahntechnische Rundschau, "Bahnmetropole Berlin - Die Berliner S-Bahn", 1997, Axel Nawrocki und Günther Ruppert
Berliner S-Bahn, ALBA-Verlag,1997, Peter Bley
Berliner Verkehrsblätter, Heft 2/2003 "Durchgängiger Halbzug der BR 481/482", Gert Damms

letzte Änderung:
26. Oktober 2008

Veröffentlichung:
26. Oktober 2008

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