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Die BVG übernimmt die S-Bahn in Westberlin
Mit der Übernahme der Betriebsführung der S-Bahn in Westberlin durch die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) am 9. Januar 1984 verblieb das S-Bw erst einmal weiterhin im Dornröschenschlaf. Zwar planten Senat und BVG eine Reaktivierung der Ringbahn und der dafür erforderlichen Infrastruktur, jedoch sollte dies erst nach 1994 erfolgen. Erst einmal plagten den neuen Betreiber ganz andere Sorgen: So mußten die über 60 Jahre alten Züge von Grund auf saniert werden, da an eine schnelle Bereitstellung neuer Triebwagen durch die Industrie nicht zu denken war. Man führte diese Hauptuntersuchungen bei der Waggon-Union in Borsigwalde anläßlich einer grundlegenden Modernisierung durch. Nach den damaligen Fristenplänen mußte alle 250.000 km eine weitere Hauptuntersuchung folgen. Zu diesem Zweck reaktivierte die BVG im Januar 1987 das ehemalige S-Bahnbetriebswerk.
Da die Stromzuführung für die elektrische Stromschiene rund um das Bw Par seit Jahren abgeschaltet war, wurden für die Zuführung der S-Bahn-Wagen Diesellokomotiven der BVG vorgespannt. Die Probefahrten zur Abnahme der Züge fanden auf dem reaktivierten Streckenabschnitt Papestraße - Schöneberg statt, dessen Stromschiene noch bis zum 18. September 1989 zugeschaltet blieb. Als erste Viertelzüge wurden 275 593/4 und 275 601/2 hier hauptuntersucht.
Die BVG plante für ihren S-Bahn-Betriebszweig eine eigene Hauptwerkstatt zu errichten. Neben dem Gelände an der Oderstraße und der Twh Hundekehle wäre ein möglicher Standort auch das alte S-Bahnbetriebswerk Papestraße in Betracht gekommen [1].
Hier wird gearbeitet: von 1987 bis 1992 arbeitete die BVG ihre Viertelzüge der BR 275 im ehemaligen S-Bw auf (1987).
Der lange Weg zum Ende
Die Bauarbeiten zur Wiederinbetriebnahme des Südringes begannen kurz vor der Wende am 25. September 1989. Bereits seit dem 18. September waren die Ringgleise der S-Bahn gesperrt, so daß die Zuführungen vom und zum ehemaligen S-Bw Papestraße über die Gütergleise der Deutschen Reichsbahn erfolgen mußten. Probefahrten, die bisher zwischen dem S-Bw und dem Bahnhof Schöneberg stattgefunden hatten, erfolgten ab Januar 1990 nur noch auf dem Betriebsgelände der S-Bw. Durch die Ereignisse ab dem 9. November 1989 mußten beim Wiederaufbau des Südringes bzw. des S-Bw neue Prioritäten gesetzt werden. Die BVG ließ seit September 1991 ihre Züge nach und nach wieder im Raw Schöneweide ausbessern. Zum 31. März 1992 wurde das S-Bahn-Betriebswerk Papestraße endgültig geschlossen.
In den nachfolgenden Wochen und Monaten war eine Wiederinbetriebnahme immer wieder im Gespräch. In den Besprechungen der Verantwortlichen zum Wiederaufbau des S-Bahn-Südringes wurde festgehalten:
"Der Westkopf bleibt geometrisch unverändert; am Ostkopf werden die beiden Doppelkreuzungsweichen aufgelöst. Die Einfahrweichen in Längsrichtung bleiben erhalten. ... Die Flankenschutzweichen werden an das ESTW als Einzelweichen angeschlossen." [2]
Mit den ersten Umbaumaßnahmen wurde im Frühjahr 1993 begonnen. Geplant waren nur noch zwei Hallengleise (zur Reinigung der Züge) und eine große Abstellanlage. Aufgrund der fortgeschrittenen Planungen für den Neubau des S-Bw Grünau und einer generellen Neukonzeption der Abstellanlagen stoppte man jedoch im Dezember 1993 die Arbeiten. Als der Südring am 17. Dezember 1993 in Betrieb ging, lag im ehemaligen S-Bw kaum noch ein Gleis.
Im damals gültigen Zuggruppen-Konzept für das Jahr 2010 spielte das S-Bw Papestraße immer wieder eine wichtige Rolle. Man ging weiterhin davon aus, daß aufgrund eines größeren Linienangebotes und dem damit vorzuhaltenden Wagenpark die Wiederinbetriebnahme unumgänglich war. Mehrere Pläne befaßten sich in dieser Zeit mit dem Wiederaufbau. Von Anfang an war abzusehen, daß ein endgültiger Umbau erst nach dem Jahre 2000 möglich gewesen wäre. Aufgrund der Baumaßnahmen am S-Bahnhof Papestraße (heute Südkreuz) und den damit verbundenen Bauzuständen wäre das westliche Gleisvorfeld immer wieder von Einschnitten betroffen gewesen.
Im Jahre 1999 wurde ein Gleis auf dem Planum des ehemaligen Gleis 70 zum Wenden und Abstellen bis in Höhe Stellwerk Twt neu errichtet; dieses kann jedoch nur vom S-Bahnhof Tempelhof aus erreicht und verlassen werden.
Nachdem zum 1. April 1992 das S-Bw endgültig geschlossen wurde, präsentieren sich das östliche Gleisvorfeld sowie die Schuppentore wenige Monate später noch gut "in Schuß" (19. August 1992).
Die Zukunft der Anlagen
Die S-Bahn Berlin GmbH als derzeitiger Betreiber der Berliner S-Bahn ist nicht der Eigentümer des ehemaligen S-Bahn-Betriebswerkes Papestraße und wird auch nicht Eigentümer der noch zu bauenden Bahnanlagen werden; dieser ist die Deutsche Bahn AG mit ihrem Geschäftsbereich Netze.
Geplant ist auf diesem Gelände in naher Zukunft der Bau einer Zugbildungsanlage. Diese aus fünf bis sieben Gleisen bestehende Abstellanlage ohne Halle soll sowohl von Südkreuz als auch von Tempelhof aus befahrbar sein. Von beiden Seiten sind jeweils drei Bereitstellungsgleise geplant. Eine eigentlichen Abstellgleise werden nicht an das ESTW Wkr in der Betriebszentrale der S-Bahn in Halensee sicherungstechnisch angeschlossen. Eine EOW-Anlage (EOW = elektrisch ortsgestellte Weiche, hier werden die Weichen vor Ort durch den Triebfahrzeugführer und nicht von einem Stellwerk aus gestellt) soll die nötigen Rangierfahrstraßen einstellen.
Die beiden Umfahrgleise 60 und 70 sind weiterhin vorgesehen (Planungsstand 2006).
Schon oft wurde geschrieben (auch wir haben das): die Umbauarbeiten gehen demnächst los. Nun, dem ist nicht so - vorerst. Denn derzeitig hat die Bezirksverordnetenversammlung von Tempelhof-Schöneberg einen Beschluß zum Erhalt der alten Werkstätte eingereicht. Man darf gespannt sein, wie es weitergeht...
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Autor:
Mike Straschewski
Quellen und weiterführende Buchtipps:
[1] Typisch Berlin - Ein BVG-Porträt; Berliner Verkehrsbetriebe, Abt. Öffentlichkeitsarbeit; 1987
[2] Wiederaufbau des Berliner S-Bahn-Südringes: 11. Regiegruppenbesprechung vom 18. Dezember 1991
Berliner Bahnbetriebswerke; Michael Reimer/Dirk Winkler,Verlag GeraMond, 2001
Der elektrische Betrieb auf der Berliner S-Bahn (Band 6); Manuel Jacob; Verlag Neddermeyer; 2004
Protokoll Nr. 2/1961 der Verwaltung der S-Bahn über durchgeführte Geschäftsprüfungen vom 23.3.1961
Analyse der Triebfahrzeugunterhaltung im S-Bw Papestraße vom 22.4.1970
Erarbeitung eines Forderprogramms zur Umgestaltung der S-Bw Papestraße, Diplomarbeit von Lutz Tschage; 20.9.1995
Bahnhofsumbauten in Berlin; Dipl.-Ing. Remy; Verkehrstechnische Woche - Heft 7 vom 13. Februar 1929
Zeitzeugeninterviews
Amtsblatt der Reichsbahndirektion Berlin vom 30. Oktober 1928
weiterführende Links:
Das Bahnbetriebswerk bei Google Earth
Danksagung:
Der Autor bedankt sich recht herzlich bei Frau Ulrike Gierens vom Historischen Archiv der DB AG, bei den Berliner Verkehrsblättern sowie allen Zeitzeugen, die mit ihrem Wissen, Bildern und Dokumenten den Beitrag ergänzt haben.
letzte Änderung:
26. Oktober 2008
Veröffentlichung:
26. Oktober 2008