telegrafisches Kurzzeichen: | BKBO, vormals Wik |
eröffnet am: | 1. Oktober 1893 (als Dalldorf (Cremmener Bahn)) |
elektrischer Betrieb seit: | 16. März 1927 |
Zugverkehr eingestellt: | 9. Januar 1984 |
Zugverkehr wieder aufgenommen: | 28. Mai 1995 |
Station liegt an der | Kremmener Bahn |
Eichborndamm | Alt-Reinickendorf |
Seit dem Frühjahr 1880 besteht die damals noch als Städtische Irrenanstalt zu Dalldorf firmierende und auch heute noch namensgebende Einrichtung. Und so sah die für den Bau des Streckenabschnittes verantwortliche Bauabteilung für die künftige Haltestelle die Namen Dalldorf Irrenanstalt, Dalldorf Eichbornplan bzw. Berliner Straße vor. Die Königliche Eisenbahndirektion (KED) hingegen fand Dalldorf (Berlinerstraße) besser. Nun mischte sich noch der Regierungspräsident ein und schlug die Namen Dalldorf Cremmener Bahn bzw. Dalldorf Anstalt vor. Die KED fand ersteren Vorschlag gut und so ging die Station eingleisig mit einem Seitenbahnsteig am 1. Oktober 1893 als Dalldorf (Cremmener Bahn) in Betrieb. Schon zwei Monate später folgte die erste Umbenennung, nun hieß es Dalldorf (Kremmener Bahn) [1]. Diese Namensfindung war doch ganz einfach, oder? Da wollen wir uns lieber nicht vorstellen, was und wer sich heute alles organisieren würde, um einen passenden Namen zu finden. Und vor allem: wie lange das dauern würde ...
Das Empfangsgebäude aus dem Jahre 1902 hat alle Wirren der vergangenen Jahrzehnte überstanden (16. Dezember 1983).
Dessen ungeachtet ließ der wirtschaftliche Erfolg der Bahnlinie nicht lange auf sich warten. Und so mußte die Königliche Eisenbahndirektion als Betreiber aufgrund des gestiegenen Reisenden- und Frachtaufkommens die Zugzahlen stetig nach oben korrigieren. Schon im August 1899 nahm sie zu Kreuzungszwecken ein zweites Gleis zwischen Reinickendorf und Dalldorf in Betrieb und konnte dadurch ihren Fahrplan entsprechend ausbauen und stabilisieren. Doch auch das reichte alsbald nicht mehr aus und so wurde die Strecke zwischen Schönholz und Tegel im Jahre 1905 nicht nur auf einen Bahndamm gelegt, sondern auch komplett zweigleisig ausgebaut. Im Rahmen dieser Baumaßnahmen erhielt die ein Jahr später in Wittenau (Kremmener Bahn) umbenannte Station einen Mittelbahnsteig. Zwei Gleise sorgten jetzt für regen Verkehr in beide Richtungen.
Auf der Höhe der Zeit lag die Station mit der Aufnahme des elektrischen Betriebes am 16. März 1927. Von nun an fuhren hier die neuartigen elektrischen Züge zwischen Velten und dem Stettiner Vorortbahnhof hin und her und verdrängten nach und nach die bis dato verkehrenden mit Dampflokomotiven bespannten Vorortzüge. Erst zum 15. Mai 1936 führte die nun federführende Deutsche Reichsbahn den 20-Minutentakt ein. Grund hierfür war die wenige Tage später durchgeführte Eröffnung des Nordsüd-S-Bahntunnels. Neun Jahre später gab es keine Zugtaktung mehr, Nazideutschland war zusammengebrochen und mit ihm auch die Versorgung der Berliner und Brandenburger mit Kohlen und Lebensmitteln. Und ohne Kohlen gab es nun mal keine Stromversorgung. Erst am 11. Juni 1945 fuhr der erste mit einer Dampflok bespannte Zug wieder, wenn auch nur einmal am Vormittag und einmal am Nachmittag. Der Zug konnte nur noch die nördliche Bahnsteigkante anfahren, das südliche Gleis der Kremmener Bahn verschwand als Reparationsleistung in Richtung Osten. Die rotgelben S-Bahnzüge kehrten am 19. Juli mit einem Zwei-Stundentakt zurück, der schon fünf Tage später auf einen Stundentakt verdichtet wurde. Zum 22. November 1945 hieß es dann wieder alle 30 Minuten: Einsteigen bitte, Zurückbleiben!
Wie beim Bahnhof Reinickendorf war das Aufsichtsgebäude mit dem Fahrkartenverkauf in den Bahnsteigzugang integriert (23. Dezember 1983).
In der Zeit, in der das Planum des südlichen Gleises von der Natur zurückerobert wurde, verschärften sich die politischen und wirtschaftlichen Widersprüche zwischen den beiden im Jahr 1949 gegründeten deutschen Staaten. Am deutlichsten traten diese Gegensätze in Berlin auf. Und so schloß die DDR am 13. August 1961 die Grenze zu Westberlin, man mauerte die von den amerikanischen, britischen und französischen Siegermächten besetzten Stadtbezirke ein. Während jene mehr oder weniger ruhig blieben, rief der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) nur wenige Tage später zu einem S-Bahnboykott auf, der den Westberlinern so ein Ventil schuf, um ihrer Ohnmacht Luft zu verschaffen. Innerhalb weniger Tage sanken die Fahrgastzahlen rapide. Zwar versuchte die Ostberliner Reichsbahn noch mit dem am 15. Oktober 1961 wieder eingeführten 20-Minutentakt etwas zu retten, doch es war zu spät. Von nun an mied der überwiegende Teil der Westberliner Bevölkerung die ostzonale S-Bahn, die Fahrgastzahlen sanken über die Jahre stetig weiter.
Auch wenn der Bahnhof nach dem Ende des Zweiten Reichsbahnerstreiks in Betrieb blieb, die Fahrgastzahlen blieben weiterhin auf niedrigem Niveau. Das vorläufige Aus für die Station kam am 9. Januar 1984 mit der Übertragung der Betriebsrechte an die Westberliner BVG. Diese konnte aus Personalmangel den S-Bahnverkehr auf der Kremmener Bahn nicht weiter aufrechterhalten. Und so verließ am 8. Januar die letzte S-Bahn gegen 21.15 Uhr mit einigen Minuten Verspätung in Richtung Schönholz die Station [2]. Für die nächsten neuneinhalb Jahre verkehrten somit keine planmäßigen S-Bahnzüge mehr im Fahrgastbetrieb. Doch die Gleise blieben blank, denn nicht nur der Güterverkehr zwischen Tegel und Schönholz sowie die regelmäßigen Militärzüge der französischen Alliierten rieben beginnenden Rost von den Schienen, sondern auch die ab Februar beginnende Grundsanierung der BR 275 bei der Waggon Union in der Miraustraße. Das Unternehmen führte ihre Abnahmefahrten auf den S-Bahngleis zwischen dem Abzweig Tga (zwischen den Bahnhöfen Reinickendorf und Schönholz nahe der Kopenhagener Straße) und dem Bahnhof Tegel durch. Ab dem Jahre 1986 erprobte sie hier auch die neuen Züge der Baureihe 480.
Seit dem Ende des zweiten Weltkrieges ist das zweite Bahnsteiggleis nicht mehr im Betrieb (31. März 2007).
Ende 1989 fiel die Berliner Mauer und so ergab sich alsbald der Bedarf einer Wiederaufnahme des S-Bahnverkehrs auf der Kremmener Bahn. Es sollte jedoch noch bis zum 28. Mai 1995 dauern, bis die rotgelben Züge hier wieder mit ihrem selbstverladendem Ladegut verkehren konnten. Ein Jahr zuvor, am 29. Mai 1994, benannte man die Station in "Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik" um. Und was macht der Berliner? Er benennt die Station wie auch das psychiatrische Krankenhaus, das ja seit 1880 besteht und seit 1957 als "Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik" firmiert, als Bonnies Ranch. Was erwartet man auch von jemanden, der seine Wahrzeichen Telespargel, Goldelse oder Schwangere Auster betitelt?
Bei der Wiederinbetriebnahme blieb die alte Bausubstanz erhalten. Der Zugang erfolgt wie eh und je durch das Empfangsgebäude. Einzig das in den Treppenzugang integrierte Aufsichtshäuschen mit Fahrkartenverkauf verschwand vom Bahnsteig. Die Abfertigung der Züge erfolgte bis 2006 durch Kameras von der Aufsicht Tegel aus, seitdem fertigen sich die Triebfahrzeugführer im ZAT-Verfahren selbst ab. Im April 2005 riß die damals verantwortliche DB Netz AG das Dach ab, bis heute ist es noch nicht wieder aufgebaut worden. Seit dem 29. September 1994 besteht östlich der Station ein Übergang zur damals neu eröffneten U-Bahnlinie 8. Gemäß dem aktuell gültigen Stadtentwicklungsplan sieht der Senat noch immer die Verlegung des S-Bahnhofes zur Ollenhauerstraße/Oranienburger Straße vor. Nur wann, das ist derzeitig nicht abzusehen. Und so verbleibt bis dahin dem nahverkehrenden Berliner und Brandenburger ein ca. 350 Meter langer Umsteigeweg zur U-Bahn. Irre, oder?
Eichborndamm | Alt-Reinickendorf |
Autor:
Mike Straschewski
Quellen und weiterführende Buchtipps:
Berlins S-Bahnhöfe; Jürgen Meyer-Kronthaler/Wolfgang Kramer, be.bra Verlag, 1998
[1] Die Kremmener Bahn; Peter Bley, Verlag Bernd Neddermeyer; 2004; Seite 23
[2] Letzte Fahrt - 8.1.1984; Uwe Poppel und andere Autoren; Berliner Verkehrsblätter; Heft 2/1984
weiterführende Links:
Der Bahnhof bei Google Maps
www.kremmener-bahn.net
Veröffentlichung:
6. März 2011
letzte Änderung des Textes: 20. November 2016