Die Prototypen | Die Serienfahrzeuge |
Auch Jahre nach der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten ging man von einem schnellen Bevölkerungswachstum in Berlin und im angrenzenden Umland aus. Um kostengünstig und schnell das bestehende Streckennetz zu erweitern, schlug 1993 der Hersteller AEG Schienenfahrzeuge Hennigsdorf, ehemals VEB Lokomotivbau - Elektrotechnische Werke "Hans Beimler" (LEW), den Bau einer Duo-S-Bahn vor. Für den dieselbetriebenen S-Bahn-Vorlaufbetrieb wurde die BR 485 aus eigener Produktion vorgeschlagen.
Für den Einsatz der Züge schlug AEG Hennigsdorf folgende Strecken vor:
Schließlich entschied man sich in Zusammenarbeit mit der Deutschen Reichsbahn (DR) für einen Zuglauf Oranienburg - Birkenwerder - Hohen Neuendorf West - Hennigsdorf. Von dieser 17 km langen Strecke waren etwa 8 km mit Stromschiene ausgerüstet. Die Fahrzeit betrug knapp 23 Minuten.
485 115 und 114 im S-Bw Friedrichsfelde (1995).
AEG Hennigsdorf rüstete auf eigene Kosten den Halbzug 485 114 und 115 um. Unter die elektrischen Beiwagen (EB) wurde ein Diesel-Generator-Aggregat mit einer Leistung von 304 kW installiert. Nach Versetzen des Luftverdichters und des Umformers wurden noch die Ladeluftkühlanlage, die Wasserkühlanlage, Starterbatterie, Generatorsteuerung, Kraftstoffbehälter (670 Liter Inhalt) und das Motor-Stellgerät unterflurig angebaut. Dadurch erhöhte sich die Dienstmasse des EB um fünf auf 31 Tonnen gegenüber 26 t bei den herkömmlichen Fahrzeugen. Aufgrund des höheren Gewichtes musste die Federung neu angepasst werden.
Alle Türen der Trieb- und Beiwagen wurden mit Klapptritten ausgerüstet, um einen Einstieg von den 760 mm hohen Bahnsteigen zu ermöglichen (S-Bahn 960 mm). Zusätzlich zum Sicherheitssystem Fahrsperre erhielten die Fahrzeuge eine Ausrüstung mit punktförmiger Zugbeeinflussung Bauart PZ 80.
Um eine Wartungsklappe für den Dieselmotor einbauen zu können, wurde das Mehrzweckabteil in die Mitte des EB versetzt. Außerdem entfiel die vordere Querbank zugunsten eines Geräteschrankes, die Abgasleitung wurde am Türpfosten der 2. Tür der rechten Fahrzeugseite zum Dach angebracht.
Zur Abfahrt bereit steht am 16. August 1994 die Duo-S-Bahn in Birkenwerder.
Die Bedienung im Dieselbetrieb erfolgte wie im normalen elektrischen Betrieb. Der Triebfahrzeugführer (Tf) musste vor dem Systemwechselbahnhof Birkenwerder nur rechtzeitig den Dieselmotor starten. Dadurch wurde auch die PZ 80 automatisch aktiviert. Nach dem Anfahren erfolgte nach ca. 20 bis 30 Sekunden ein optisch/akustisches Signal zur Vorwahl des Ausklappens der Klapptritte.
Die Anfahrbeschleunigung im Dieselbetrieb war gegenüber dem Elektrobetrieb geringer, da die Dauerleistung je Fahrmotor mit 60 statt 120 kW nur halb so groß war. Um bei Dieselbetrieb auch bei Minusgraden eine maximal mögliche Traktionsleistung zu erreichen, wurde beim Anliegen eines Fahrbefehls die Heizstufe 3 automatisch auf die Heizstufe 2 zurückgeschaltet. Bei Rücknahme des Fahrbefehls erfolgte wieder ein Aufschalten auf die Heizstufe 3.
Erste regelmäßige Versuchsfahrten absolvierte der umgebaute Halbzug 485 114 und 485 115 ab dem 29. Mai 1994. Der Zug verkehrte von Montag bis Freitag jeweils achtmal am Tag. In der Triebwagenhalle Oranienburg wurden die Wartung und Instandhaltung der Fahrzeuge durchgeführt.
Unübersehbar war die Duo-S-Bahn gekennzeichnet.
Der Versuchsbetrieb endete am 28. Mai 1995. Die Ergebnisse und Erfahrungen waren zweigeteilt: Einerseits wurde dem System eine große Zuverlässigkeit assistiert, andererseits konnten nicht alle wirtschaftlichen und betrieblichen Fragen geklärt werden. Betrieblich größtes Manko war die Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h, welche bei einem Mischbetrieb mit bis zu 160 km/h schnellen Zügen breite Fahrplantrassen erforderlich machte. Um wirtschaftlich fahren zu können, wäre im Idealfall ein Verhältnis von Diesel- und Elektrobetrieb von 50:50 nötig.
Durch die Länder Berlin und Brandenburg wurden keine Verkehrsleistungen bestellt, die mit der Duo-S-Bahn hätten bedient werden können.
Die Fahrzeuge wurden abgestellt, da ein Einsatz mit den anderen Fahrzeugen aufgrund nicht mehr übereinstimmender Steuerleitungen nicht möglich war. Erst in den Jahren 1999/2000 erfolgte der Ausbau der Dieselmotoren und der zusätzlichen Aggregate, nachdem schon vorher die Kompatibilität zu den Serienfahrzeugen wiederhergestellt wurde. Die Fahrzeuge wurden von der Hauptwerkstatt Schöneweide in den Ursprungszustand zurückgebaut und kamen wieder in den Regeleinsatz. Beide Viertelzüge wurden Ende Mai 2006 aus dem aktiven Fahrzeugpark zurückgestellt.
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Autor:
Mike Straschewski
Quellen und weiterführende Buchtipps:
Der Wagenpark der Berliner S-Bahn; Carl W. Schmiedeke; Lokrundschau Verlag Hamburg; 1997
Beschreibung und Bedienanweisung für die S-Bahn Berlin BR 270
Berliner Verkehrsblätter: Erfahrungen mit der Duo-S-Bahn; Manuel Jacob; Heft 11/96
Beschreibung und Bedienanweisung für die S-Bahn Berlin BR 485 D
letzte Änderung:
3. Dezember 2008
Veröffentlichung:
26. Oktober 2008