telegrafisches Kurzzeichen: | BALX, vormals Ale |
eröffnet: | 7. Februar 1882 |
elektrischer Betrieb seit: | 11. Juni 1928 |
Station liegt auf der | Stadtbahn |
Hackescher Markt | Jannowitzbrücke |
Berlin hat entgegen vieler anderer Städte kein einzelnes Stadtzentrum. Es ist aufgrund des Zusammenwachsens von mehreren Siedlungen bzw. Stadtkernen vielmehr polyzentrisch angelegt. Für den Bereich der östlichen Stadtbahn ist das Gebiet rund um den Alexanderplatz ein solches Stadtteilzentrum. Somit ist der gleichnamige Bahnhof eine der wichtigsten Stationen auf der Berliner Stadtbahn.
Wo bis in das 19. Jahrhundert hinein Ochsen und sonstiges Hufgetier auf dem auf dem Ochsenplatz [1] stattfindenden Viehmarkt angeboten wurde, steigen heute hunderttausende Reisende um, besichtigen Touristen den Fernsehturm und das Rote Rathaus und können in den umliegenden Läden entsprechend nach Lust und Laune sowie Geldbeutel einkaufen. Abends laden Kinos, Kabarett und eine Vielzahl an Gaststätten zum weiteren Verweilen ein.
Viaduktstrecke zwischen den Bahnhöfen Jannowitzbrücke und Alexanderplatz kurz vor der Eröffnung.
Anfangs lagen die Gleise und Schwellen (Langschwellenoberbau System Haarmann) noch in einer Kiesbettung.
Repro aus: Verkehrstechnische Woche, Heft 5/1932.
Da die Station bei ihrem Bau unmittelbar nördlich des damaligen Geschäftszentrums von Berlin lag (das war der Bereich nahe dem Potsdamer Platz), wurde der Grundriß der Anlage großzügiger gegenüber den anderen neuen Stadtbahnhöfen gestaltet. Für die Konstruktion des Bahnhofes mit seiner Rundbogenhalle war der Architekt Johann Eduard Jacobsthal verantwortlich. Ihm gelang für damalige Verhältnisse der schwierige Spagat, den Gegensatz zwischen dem niedrigem Viadukt und der hoch aufschwingenden Halle architektonisch zu überbrücken. Die 164 x 37 Meter große Halle ruhte auf 19 Bindern, die Gesamtmasse der Metallkonstruktion wog 878.000 kg. Der Gesamtpreis für den Bahnhof betrug 5.596.800 Mark, allein für den Grundstückserwerb mußten davon 2.937.057 Mark berappt werden. [2]
Am 7. Februar 1882 wurde der Bahnhof wie auch die Viaduktstrecke Berliner Stadtbahn eröffnet. Vorerst hielten an der neu erbauten Station nur die dampfbetriebenen Vorortzüge, erst zum 15. Mai 1882 folgte der Fernverkehr. Wie schon eingangs beschrieben, war der Bahnhof sehr großzügig dimensioniert. Allein für die Warteräume der Reisenden stand eine Fläche von 920 m² zur Verfügung. Im alltäglichen Betrieb stellte man alsbald fest, daß sich die einzelnen Geschäftsflächen teilweise gegenseitig behinderten. So mußte z.B. der Transportverkehr sich durch den Reisendenstrom aus der Gontardstraße bewegen, um von der im westlichen Gebäudeteil befindlichen Gepäckannahme (bzw. -ausgabe) zu denen im Ostteil vorhandenen Lastenaufzügen zu kommen. Und den Fahrkartenschaltern fehlte "Licht und Luft", bemerkte die Fachzeitschrift Verkehrstechnische Woche. [3]
Die Weltmetropole Berlin blüht auf: Durch den stetigen Bevölkerungszuwachs nimmt auch der Nahverkehr eine immer größere Bedeutung an.
Im Vordergrund links der U-Bahn-Zugang von der Dircksenstraße aus (1932).
Am 3. Mai 1886 eröffnete nahe der Station die Zentralmarkthalle Alexanderplatz, die mit 1.586 Verkaufsständen [4] auf drei Etagen Berlins größte Markthalle war. Von 1910-13 wurde nördlich der U-Bahnhof Alexanderplatz errichtet, der am 1. Juli 1913 mit der U-Bahnlinie AI (heutige U2) seiner Bestimmung übergeben wurde.
Während sich der Verkehr auf der Stadtbahn ständig weiterentwickelte, setzten Rost und der Rauch der Dampflokomotiven der Hallenkonstruktion auf Dauer zu. Die Lokomotiven selber wurden aufgrund von Neukonstruktionen immer schwerer, so daß die Eisenbahndirektion sich gezwungen sah, die Bögen der Viadukte zu verstärken. Diese Arbeiten fanden von 1922 - 32 statt. Im Rahmen dieser Bauarbeiten wurde von 1923 - 26 die Hallenkonstruktion des Bahnhofes komplett erneuert. Dabei blieb die Hallenform erhalten, jedoch wurde u.a. dabei eine Vergrößerung der seitlichen Fensterflächen vorgenommen. Insgesamt wurde mit dem Umbau ein Großteil der Mängel aus dem Alltagsbetrieb abgestellt. Der Bahnhof wurde nachträglich unterkellert, so daß nun z.B. der Gepäckverkehr auf dieser neuen Ebene abgewickelt werden konnte.
Der Gleisplan von 1928 zeigt die umfangreichen Gleisanlagen von rund um den Bahnhof Alexanderplatz.
Einen größeren Gleisplan, der die Änderungen an den Anlagen im Laufe der Jahre dokumentiert, finden Sie hier.
Nach den Umbauarbeiten fand Denkwürdiges statt: im Rahmen der Großen Elektrisierung wurde der elektrische Betrieb mit der S-Bahn aufgenommen. Zuvor hob man noch die Bahnsteigkante auf das neue Maß von 96 Zentimetern an. Wie schon beschrieben fanden die Umbauarbeiten rund um den Bahnhof Alexanderplatz im Jahre 1932 ihren Abschluß. Am 15. August 1942 legte die Deutsche Reichsbahn den Fernbahnsteig still. [5]
Die neue Pracht sollte etwas mehr als ein Jahrzehnt halten: Mit der Rückkehr des Zweiten Weltkrieges an seinen Ausgangsort versank Berlin alsbald in Schutt und Asche. Darunter litt auch der Bahnhof Alexanderplatz: 1944 wurden bei einem Bombenangriff drei Binder am Ostende der Halle stark beschädigt und mußten abgetragen werden. Auch der Zugangsbau an der Nordseite wurde zerstört. Mit dem Vorrücken der Roten Armee im April 1945 in das Innere Berlins wurde hier spätestens am 25. April der S-Bahnverkehr eingestellt.
Kriegschäden am Bahnhof Alexanderplatz.
In der Halle gibt es keine Glasscheiben mehr, die Bahnsteigbeleuchtung ist ebenfalls hinüber (1945).
Erst zum 4. November 1945 eröffnete man den Bahnhof wieder. Ein durchgängiger S-Bahnverkehr war zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich, die Fahrgäste konnten erst ab dem 15. November die Stadtbahn - wenn auch mit mehrfachen Umsteigen - wieder in ihrer ganzen Länge nutzen. Bis in das Jahr 1951 hinein zog sich die Wiederherstellung der Station.
Ein Jahr nach dem Bau der Berliner Mauer begann man mit der Neugestaltung des Alexanderplatzes. Dieser sollte ein Aushängeschild für die DDR und Ostberlin sein. Im Rahmen dieser Arbeiten wurde auch der Bahnhof Alexanderplatz mit einbezogen. In seiner zweijährigen Umbauzeit wurden bei Aufrechterhaltung des Zugverkehres die nachfolgenden Arbeiten ausgeführt:
Ein im Vorfeld der Bauplanung angedachtes, vorgelagertes Empfangsgebäude am südlichen Mitteleingang wurde nie gebaut. [6] Im Rahmen dieses Umbaus wurden Decken abgehangen, neue Wände eingezogen und einige Fenster zugemauert.
Mit der Einweihung der Weltzeituhr am 2. Oktober 1969 sowie der einen Tag später stattgefundenen Eröffnung des 365 Meter hohen Fernsehturmes wurde der "sozialistische Umbau" des Alexanderplatzes am Vorabend des 20. Jahrestages der DDR beendet.
Beide Bahnsteige auf einen Blick:
Links der Regional-, rechts der S-Bahnsteig. Erkennbar der nicht mehr benutzte Lichtstreifen (17. August 2008).
Der Alexanderplatz entwickelte sich immer mehr zum Mittelpunkt Ostberlins, davon profitierte auch der Bahnhof. Der Platz avancierte zu einem beliebten Treffpunkt: so groß er auch war, man konnte einen nicht verfehlen, spätestens an der Weltzeituhr traf man sich wieder. Einerseits freute es die DDR-Oberen über die positive Annahme des Platzes. Mit der zunehmenden Unzufriedenheit über den DDR-Alltag und dessen Unzulänglichkeiten waren ihr jedoch alsbald die Menschenmassen ein Dorn im Auge. In den 1980er Jahren baute das Ministerium für Staatsicherheit rund um das Areal auf den Häuserdächern eine Vielzahl von Kameras auf, die den Alexanderplatz zum damals wohl bestüberwachten Platz weltweit machten. Einen Eindruck davon erhalten Sie auf der DVD "Feindbilder". [7] Trotz der starken Überwachung gingen von ebendiesem Platz auch mehrere Impulse aus, die letztendlich die DDR in die Knie zwangen.
Mitte der 1990er Jahre begannen die Arbeiten zur Sanierung der Berliner Stadtbahn. Dazu wurde der Fernverkehr komplett eingestellt und der S-Bahnverkehr vom Bahnsteig B zum Bahnsteig A verlagert. Der Umbau der S-Bahnanlage fand vom 17. Oktober 1994 bis zum 18. Oktober 1996 statt. Im Rahmen der Sanierung wurde die westliche, eingleisige Kehranlage aufgegeben, ebenso verschwand mit der Inbetriebnahme das sich in der westlichen Hallenwand befindliche Stellwerk Ale. Dafür bekam der S-Bahnsteig analog dem S-Bahnhof Friedrichstraße eine technische Spielerei: wo auf anderen Stationen weiße Streifen die Bahnsteigkante absichern, tat das hier ein Leuchtband, welches bei einem unbesetztem Bahnsteiggleis stetig leuchtete. Bei der Einfahrt eines Zuges fing dieses Leuchtband an in Fahrtrichtung des Zuges mitzulaufen, um dann bei dessen Stillstand auszugehen. Die Abfahrt des Zuges begleitete es mit einer etwas langsameren Laufbewegung. Nachdem der Zug den Bahnsteigbereich verlassen hatte, ging es wieder in Standlicht über. So gut wie diese technische Spielerei auch gemeint war, sie funktionierte nur abschnittsweise ordnungsgemäß. Mittlerweile ist sie abgeschalten - wer weiß, ob sie jemals wieder in Betrieb genommen wird. Im Bahnhof Friedrichstraße wurde der Leuchtstreifen mittlerweile schon ausgebaut.
Unmittelbar im Anschluß erfolgte die Sanierung der südlich gelegenen Fernbahngleise - diese Arbeiten wurden am 24. Mai 1998 mit der Inbetriebnahme des Regional- und Fernverkehres abgeschlossen. Während der Sanierung der Gleise unterzog man gleichzeitig auch den Bahnhof einer erneuten Verjüngerungskur: ab 1995 erhielt die Anlage ihr heutiges Aussehen. Das Dienstleistungszentrum Alexanderplatz (O-Ton Deutsche Bahn AG) wurde am 12. März 1998 eingeweiht.
Hackescher Markt | Jannowitzbrücke |
Autor:
Mike Straschewski
Quellen und weiterführende Buchtipps:
[1] Webseite: www.luise-berlin.de - Straßenbezeichnung Alexanderplatz (Webseite nicht mehr vorhanden)
[2] Historische S-Bahnhöfe in Berlin, Hauptstadt der DDR; Dr.phil Hans Müller, Dr.-Ing. Günter Nierich; Eisenbahnpraxis Heft 2/1987
[3] Zum Umbau des Bahnhofs Alexanderplatz 1929 - 1932; Fritz Hülsenkamp; Verkehrstechnische Woche Heft 33/1932
[4] Webseite: www.luise-berlin.de - Berlin im Jahr 1886 (Webseite nicht mehr vorhanden)
[5] Amtsblatt der Reichsbahndirektion Berlin Nr. 81 vom 31.Juli 1942, laufende Mitteilung Nr. 579
[6] siehe Bild auf Seite 94 in: Die Stadtbahn - Ein Viadukt mitten durch Berlin; Berliner S-Bahn-Museum; Verlag GVE; 1996
[7] DVD "Feindbilder": erhältlich bei der Bundeszentrale für politische Bildung
Berlins S-Bahnhöfe; Jürgen Meyer-Kronthaler/Wolfgang Kramer, be.bra Verlag, 1998
weiterführende Links:
Webseite: www.luise-berlin.de - Der Alexanderplatz (Webseite nicht mehr vorhanden)
Der Bahnhof bei Google Maps
Veröffentlichung:
3. November 2008
letzte Änderung des Textes: 12. April 2010