telegrafisches Kurzzeichen: | BHD, vormals Hnd |
eröffnet am: | 1. Oktober 1893 |
elektrischer Betrieb seit: | 16. März 1927 |
S-Bahnverkehr eingestellt: | 20. September 1983 |
S-Bahnverkehr wieder aufgenommen: | 15. Dezember 1998 |
Station liegt an der | Kremmener Bahn |
Hennigsdorf Nord | Heiligensee |
Am ersten Sonntag des Monats Oktober im Jahre 1893 erreichte im Laufe des Tages der erste Zug, der auch der erste auf der neu in Betrieb genommenen Kremmener Bahn war, den Bahnhof Hennigsdorf. Das die knapp 1.000 Einwohner diesbezüglich jedoch außer Rand und Band gerieten darf bezweifelt werden. Mit der Eisenbahn begann der ökonomische Aufschwung der Region. Sorgte bis dato nur eine Dampfziegelei und ein Sägewerk für Arbeit, siedelten sich nach der Jahrhundertwende größere Industriebetriebe an. Einer der größten Investoren war die AEG (Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft). Sie erbaute ab 1910 eine Porzellanfabrik, holte im Jahre 1913 den Lokomotivbau aus der Berliner Brunnenstraße nach Hennigsdorf und errichtete ab 1917 ein Elektrostahl- und Walzwerk [1][2]. Schon im Jahre 1929 konnte die Stadt über 10.000 Einwohner vermelden [3]. Im Jahre 1911 benannte die Eisenbahndirektion die Station in "Hennigsdorf (Kreis Oberhavel)" um.
Ein wirtschaftlicher Aufschwung bedeutet u.a. auch immer einen Ausbau der Verkehrswege. Die damals verantwortliche Königliche Eisenbahndirektion (KED) legte ab 1905 den Streckenabschnitt Schönholz - Tegel höher und baute dabei auch gleich das zweite Gleis mit auf. Die Streckenhöherlegung ab Tegel begann erst in den 1920er Jahren. Zu diesem Zeitpunkt lag die Verantwortung für die Eisenbahnstrecke bei der neugegründeten Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (DRG). Die DRG setzte die Ausbaupläne ihres Vorgängers weiterhin um. Diese beinhalteten u.a. neben dem Neubau eines weiteren Bahnsteiges in Hennigsdorf auch die Umsetzung des Beschlusses, die Kremmener Bahn als dritte und letzte der Nordstrecken zu elektrisieren.
Wahrscheinlich im Jahre 1960 ersetzte dieses Empfangsgebäude die sich bis dato hier befindliche Fahrkartenbude. Heute steht hier ein moderner Neubau (um 1982).
Die Hochlegungs- und Umbauarbeiten für den Bahnhof Hennigsdorf begannen im Frühjahr 1925. Dazu errichtete die DRG ungefähr auf der Höhe des heutigen Bahnsteiges B einen Ersatzbahnsteig und passte die Gleisanlagen entsprechend an. Am 15. Dezember 1926 konnte der neue und nun hochgelegene Bahnsteig in Betrieb genommen werden, der die bis dato beiden ebenerdigen Seitenbahnsteige an fast gleicher Stelle ersetzte. Der Ersatzbahnsteig ging wieder außer Betrieb. Drei Monate später, am 16. März 1927, erreichte erstmals einer der neuartigen elektrischen Züge planmäßig den Bahnhof - ein neues Zeitalter begann. Brauchten die Züge für die Strecke Hennigsdorf - Stettiner Bahnhof im Eröffnungsjahr 1893 noch 62 Minuten, verkürzte sich die Reisezeit mit der Einführung der elektrischen Traktion auf nur noch 38 Minuten (Stand November 2010: 40 Minuten).
Die Umbauarbeiten konnten erst am 2. Dezember 1927 abgeschlossen werden. Nördlich des neuen Bahnsteiges erbaute die Reichsbahn eine dreigleisige Kehranlage, zudem war nun die Kremmener Bahn zwischen Tegel und Velten erstmals zweigleisig. Ende der 1920er Jahre verfolgte man die Idee, die S-Bahn von der Siemensbahn über ihren (provisorischen) Endbahnhof Gartenfeld hinaus nach Hennigsdorf zu verlängern. Aufgrund der kurz darauf einsetzenden Weltwirtschaftskrise wurde jedoch diese Idee nicht weiterverfolgt [4]. Wenige Tage vor der Inbetriebnahme des nördlichen Abschnittes des Nordsüd-S-Bahntunnels führte die Reichsbahn ab dem 15. Mai 1936 einen 20-Minutentakt nach Velten ein, der den bis dahin gefahrenen 30-Minutentakt ablöste. Neun Jahre später fuhr hier nichts mehr - die Rückkehr des Zweiten Weltkrieges in die Hauptstadt des Dritten Reiches brachte Ende April 1945 das öffentliche Leben auch im Berliner Umland zum Erliegen. Hennigsdorf blieb, anders als das nur wenige Kilometer entfernte Oranienburg, von größeren Zerstörungen weitestgehend verschont [3]. Die südöstlich des Bahnhofes gelegene Brücke über den Hohenzollernkanal wurde in den letzten Kriegstagen gesprengt, die Stadt war somit nach dem Kriegsende vom Berliner S-Bahnverkehr abgehängt. Erste dampfbespannte Vorortzüge fuhren erstmals am 18. Juni 1945 zwischen Hennigsdorf und Kremmen wieder. Nach der Reparatur der Havelbrücke nahm die S-Bahn, wenn auch vorerst nur stündlich, am 6. Juli 1946 ihren Zugbetrieb wieder auf. Ab dem 4. Mai 1947 fuhr die Reichsbahn den Bahnhof wieder alle 30 Minuten an, diesen Takt verlängerte sie ab dem 3. Oktober 1948 ganztägig nach Velten. Eine erneute Namensänderung, jetzt in Hennigsdorf (bei Berlin), fand zum 17. Mai 1953 statt.
Einfahrt von Velten kommend. Rechts die mittlerweile auf zwei Gleise rückgebaute Kehranlage. Dort, wo sich die Schwellen befinden, lag früher einmal Gleis 2 (um 1983).
Das Deutschland der Nachkriegszeit war aufgrund seiner Aufteilung unter den vier Siegermächten zu einem Mikrokosmos der Gesellschaftssysteme geworden. Jede Verstimmung unter den vier Mächten spürten die Berliner und Brandenburger vielfach als Erstes. So mußte die Reichsbahn, nachdem ab Mai 1952 Westberliner nicht mehr in die DDR einreisen durften, unmittelbar östlich des Oder-Havel-Kanals den S-Bahnhof Hennigsdorf Süd einrichten, der am 4. Juni 1954 in Betrieb ging. Die bis dahin in Hennigsdorf durchgeführten Grenzkontrollen wurden noch am Eröffnungstag an diesen Bahnhof verlegt. Schon ein Jahr zuvor, ab dem 18. Mai 1953, führte die Reichsbahn die sogenannten Durchläuferzüge ein. Deren erster (von Berlin kommend) bzw. letzter (nach Berlin fahrend) Aus- und Einsteigepunkt war der Bahnhof Hennigsdorf. Diese Durchläuferzüge verkehrten letztmalig am 3. Mai 1958.
Einen neuen zusätzlichen Bahnsteig (Bahnsteig B) nahm die Reichsbahn im Oktober 1954 in Betrieb. Er befindet sich ungefähr an der selben Stelle wie der ehemalige Ersatzbau der vergangenen Streckenhöherlegung. Wenige Jahre später ersetzte am südöstlichen Zugang ein neues Empfangsgebäude die dortige Fahrkartenbude. Der Bau diente bis in die 1990er Jahre hinein als Ergänzung zum alten Bahnhofsgebäude. Die Absperrmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Mauerbau am 13. August 1961 unterbrachen die Kremmener Bahn an der Stadtgrenze zu Berlin, die nur einen Steinwurf entfernt vom Bahnhof Heiligensee lag. Der erst 1954 in Betrieb genommene und mittlerweile in Stolpe Süd umbenannte Bahnhof wurde letztmalig am 14. August 1961 angefahren, danach war für die nächsten 22 Jahre der Bahnhof Hennigsdorf ein Endpunkt der S-Bahn. Wegen der betriebsfähigen Triebwagenhalle in Velten sowie des Bahnstromunterwerkes in Hennigsdorf entschloß sich die Reichsbahn, auf den sechs Kilometern zwischen Hennigsdorf und Velten weiterhin einen S-Bahnverkehr anzubieten. Anfang 1962 wurde die erst 1946 von französischen Pionieren wiederhergestellte Brücke über den Oder-Havel-Kanal erneut abgetragen. Das bis an den Kanal führende ehemalige S-Bahngleis wurde als Abstellgleis für (Personen-)Züge der Fernbahn genutzt. Wer nun nach Berlin wollte, mußte erst eine Station nach Hennigsdorf Nord fahren, um von dort mit den Zügen des Sputnikverkehres unter großen Zeitverlusten die Hauptstadt der DDR zu erreichen.
Ende der 1950er Jahre sahen Pläne des Ministeriums für Verkehrswesen der DDR und der Reichsbahndirektion Berlin vor, die Stromversorgung der S-Bahn von 750 Volt auf 1500 Volt umzustellen. Für die erste Erprobung war zunächst ein Versuchsbetrieb auf einer Ringlinie Potsdam—Ferch Lienewitz—Michendorf—Drewitz—Potsdam vorgesehen. Nach dem Mauerbau wurden diese Pläne obsolet, erst 1969 stellte die Reichsbahndirektion Berlin einen erneuten Entwurf vor, der nun als Versuchsstrecke die S-Bahngleise zwischen Hennigsdorf und Velten vorsah. Doch auch hier kam es nie zu einer Ausführung [5].
142 159 im S-Bahnverkehr in Hennigsdorf. Zum Jahreswechsel 1992 waren die Betriebsnummern auf das Bundesbahn-Schema umgestellt worden (Februar 1992).
Anfang der 1980er Jahre erreichte die Streckenelektrifizierung der Deutschen Reichsbahn auch den Berliner Raum. Aufgrund der hohen Kosten, die bei einem Parallelbetrieb von Gleich- und Wechselstrom unweigerlich entstehen würden, entschloß sich die DR, den Inselbetrieb einzustellen. Am 21. September 1983 um 1.25 Uhr verließ der letzte S-Bahnzug den Bahnhof Hennigsdorf. Mit Betriebsbeginn desselben Tages übernahmen lokbespannte Personenzüge die Beförderung der Reisenden.
Nach dem Fall der Berliner Mauer im November 1989 änderten sich in den nachfolgenden Jahren die Verkehrsströme rapide. Statt um Berlin drum herum zu fahren ging es nun wieder mittendurch. Zudem ließ die Anfang der 1990er Jahre einsetzende schnelle Motorisierung des Individualverkehres die einstigen und hohen Fahrgastzahlen schnell sinken. Die Bedeutung der Sputnikverkehre nahm schneller ab als einem lieb sein konnte. Auch die Fahrgastzahlen auf der nördlichen Kremmener Bahn sanken rapide. Statt viel warme Luft zu transportieren entschloß sich die Deutsche Bahn AG (DB AG) als Rechtsnachfolger der Reichs- und Bundesbahn im Jahre 1995, den erst 1983 eingeführten elektrischen Betrieb auf dieselbetriebene Triebwagen umzustellen.
Apropos Diesel: In diesem Zusammenhang kam auch die S-Bahn - wenn auch nur für einen kurzen Zeitraum - wieder nach Hennigsdorf. In der Euphorie der Nachwendezeit sahen die Berliner und Brandenburger Stadtplaner einen immensen Bevölkerungszuwachs voraus. Um die prognostizierten Fahrgastmassen auch abtransportieren und diese Verkehrsströme in das S-Bahnnetz integrieren zu können, erdachte und baute die damalige AEG Hennigsdorf in Eigenregie einen Halbzug der BR 485 in die sogenannte Duo S-Bahn um. Dieser besondere Zug konnte ganz normal auf den elektrischen S-Bahnstrecken verkehren, dort, wo keine Stromschiene lag, sorgte ein Dieselmotor für die benötigte Traktionsenergie. Und so verkehrte vom 29. Mai 1994 bis zum 28. Mai 1995 bis zu achtmal am Tag dieser umgebaute Probezug zwischen Hennigsdorf und Oranienburg. Da die Nachteile überwogen und die mittlerweile neu gegründete S-Bahn Berlin GmbH sich für eine neue Gesamtberliner Baureihe (BR 481) entschied, wurde das Projekt ad acta gelegt.
Im Oktober 1995 stand die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus an. Was machen Politiker in diesem Vorfeld am liebsten? Richtig: Spatenstiche vor der Presse. So auch am 14. August 1995. Es ist schon ein gewisses Maß an Frechheit nötig, um den Wählern einen schnellen S-Bahn-Lückenschluß zum Jahresende 1996 zwischen Tegel und Hennigsdorf vorzugaukeln, wenn Genehmigungen fehlen und die Zuständigkeiten sowie die Finanzierung noch nicht geklärt sind [6][7]. Es sollte immerhin noch einmal über ein Jahr dauern, bis die S-Bahn Hennigsdorf wieder erreichen sollte.
Alter (vorne) und neuer (hinten) S-Bahnsteig auf einen Blick. Der Fotograf steht auf dem Regionalbahnsteig B (1. April 2007).
Die Bauarbeiten für die Anbindung von Hennigsdorf an das S-Bahnnetz gestalteten sich umfangreich. Ende April 1997 war Baubeginn für das neue Empfangsgebäude, das fast genau ein Jahr später, am 2. April 1998, eingeweiht wurde [8]. Das an dieser Stelle ehemals sich befindliche Empfangsgebäude ging schon um 1990 außer Betrieb und wurde 1997 abgerissen. Der Bahnsteig A, über den die Reichsbahn in früheren Zeiten den S-Bahnverkehr abgewickelte, wurde um etwa 60 Meter nach Süden verlängert. Drei Wartehallen, ein Aufzug sowie ein Container für die Aufsicht ergänzen neben einigen Lampen, Sitzgelegenheiten, Papierkörben und sonstigen Aufbauten den Anbau. Da am selben Bahnsteig von Norden her zwei Regionalbahnlinien die Station bedienen, kann der Fahrgast größtenteils bahnsteiggleich umsteigen.
Die Wiederinbetriebnahme der S-Bahn erfolgte mit dem üblichen Brimborium am 15. Dezember 1998. Die Signale der S-Bahn (Hl-System) bedient der Fahrdienstleiter in Heiligensee. Am 31. August/1. September 2002 wurde der Fernbahnteil des Bahnhofes Hennigsdorf an ein elektronisches Stellwerk über einen Notbedienplatz angeschlossen [9]. Mit dem Anschluß an das ESTW gingen im Berliner Tarifbereich ABC die letzten Formsignale außer Betrieb. Im Jahre 2007 errichtete die Deutsche Bahn den Fernbahnsteig B neu, diesen übergab man am 5. April 2007 wieder seiner Bestimmung [10]. In das alte Empfangsgebäude aus den Anfangsjahren der Eisenbahn ist nach einer in den Jahren 1998/99 durchgeführten denkmalgerechten Restaurierung die Hennigsdorfer Stadtbibliothek eingezogen [11].
Hennigsdorf Nord | Heiligensee |
Autor:
Mike Straschewski
Quellen und weiterführende Buchtipps:
Die Kremmener Bahn; Peter Bley, Verlag Bernd Neddermeyer, 2004
Berlins S-Bahnhöfe; Jürgen Meyer-Kronthaler/Wolfgang Kramer, be.bra Verlag, 1998
[1] Webseite: Die Lokfabrik in Hennigsdorf
[2] Webseite: Die Lokfabrik in Hennigsdorf - Übersicht der Fabriken
[3] Chronik der Stadt Hennigsdorf 1914 - 1945
[4] Zur Frühschicht nach Hennigsdorf; Dr. Michael Braun; Verkehrsgeschichtliche Blätter; Heft 2/1989
[5] Mit der S-Bahn in die Pirschheide?; Peter Bock; Verkehrsgeschichtliche Blätter; Heft 2/2010
[6] S-Bahn rollt zu Weihnachten, Berliner Zeitung vom 15. August 1995
[7] Kremmener Bahn: eine unendliche Geschichte; Uwe Poppel; Berliner Verkehrsblätter; Heft 9/1996
[8] Kurzmeldung, Verkehrsgeschichtliche Blätter; Heft 3/1998
[9] Kurzmeldung, Verkehrsgeschichtliche Blätter; Heft 5/2002
[10] Kurzmeldung, Berliner Verkehrsblätter; Heft 6/2007
[11] Webseite der Stadtbibliothek Hennigsdorf
weiterführende Links:
Der Bahnhof bei Google Maps
Veröffentlichung:
16. Januar 2011
letzte Änderung des Textes: 16. Januar 2011