Bild: Strausberg


telegrafisches Kurzzeichen: BSTV, vormals St
eröffnet: 1. Oktober 1867
elektrischer Betrieb seit: 31. Oktober 1948
Station liegt an der Ostbahn

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Der Bahnhof Strausberg wird von den Einheimischen gerne auch Strausberg Vorstadt genannt, der Name rührt von der ebenfalls hier verkehrenden Strausberger Eisenbahn her, die Station und Stadt verbindet. Als der Bahnhof Strausberg am 1. Oktober 1867 mit der gleichzeitigen Inbetriebnahme der Preußischen Ostbahn (Streckenabschnitt Berlin—Küstrin) eröffnet wurde, lag die Station einige Kilometer südlich der Stadtgrenze. Nach und nach rückte die Bebauung näher an die Ostbahn; es entwickelte sich die Vorstadt. Seit dem 17. August 1893 verbindet die Strausberger Kleinbahn (seit 1920 Strausberger Eisenbahn) Stadt und Bahnhof. Bei der Kleinbahn hieß diese Endhaltestelle bis in die 1950er Jahre hinein Strausberg Vorstadt.

Der Bahnhof an der Ostbahn bestand anfangs aus dem noch heute existenten Empfangsgebäude sowie zwei einfachen Seitenbahnsteigen und weiteren Nebengebäuden. Am 20. September 1896 wurde südlich der vorhandenen Gleise die Kleinbahn Strausberg—Herzfelde eröffnet; um dessen Anlagen zu erreichen, gab es die auch noch heute existente Fußgängerbrücke. Der Personenverkehr dieser Kleinbahn wurde um 1962, der Güterverkehr wahrscheinlich um 1967 eingestellt. [1]

Bild: Bahnhofsansicht um 1918

Postkartenansicht des Bahnhofes um 1918.
Zwei einfache Seitenbahnsteige dienen zum Ein- und Aussteigen, die Brücke im Hintergrund verbindet den Bahnhofsteil der Ostbahn mit dem der Kleinbahn Strausberg—Herzfelde.

1919 hatte Professor Dr.-Ing. Erich Giese in seiner Eigenschaft als Verkehrsdirektor des Zweckverbandes Groß-Berlin eine Denkschrift zum Ausbau des Berliner Schnellbahnnetzes inklusive Vorortverbindungen vorgelegt. 1926/1927 untersuchte die Stadt Strausberg eine Schnellbahn-Anbindung nach Berlin unter Nutzung der Kleinbahnstrecke der Strausberger Eisenbahn, wobei Professor Giese als Gutachter auftrat. Die Kleinbahnstrecke wäre nach seinen Empfehlungen völlig überbaut worden, was die verbleibende Straßenbahnstrecke als Rumpfbetrieb in Frage gestellt hätte. Da nun gerade erst in den Bau und die Erweiterung der Straßenbahn investiert wurde, hatte Strausberg naturgemäß kein Interesse an diesem Vorhaben, auch wenn es für den Verkehr nach Berlin eine Verbesserung bedeutet hätte.

Im Jahre 1923 nahm die Reichsbahn nordwestlich der bestehenden Gleise einen Vorortbahnsteig – den heutigen S-Bahnsteig – in Betrieb.
Seit dem 15. Dezember 1930 verkehrte die S-Bahn bis zum Bahnhof Berlin-Mahlsdorf. Der Vorortverkehr auf der Ostbahn sollte im Rahmen des Ende der 1930er Jahre geplanten Ausbaues des gesamten Bahnnetzes in und um Berlin (im Rahmen des unter dem NS-Regime beabsichtigten Ausbaues Berlins zur „Welthauptstadt Germania“) eine Aufwertung durch den Bau besonderer Vorortgleise bis Strausberg erfahren. Diese sollten auch für den S-Bahnbetrieb elektrifiziert werden. Infolge der kriegsbedingten Ressourcenverknappung blieben die meisten der geplanten Bauvorhaben in den Anfängen stecken. Der viergleisige Ausbau der Ostbahn konnte immerhin – mit Unterbrechungen – fortgeführt werden und fand (in vereinfachter Form) seinen Abschluß, als am 1. August 1944 zwei gesonderte Vorortgleise bis Strausberg in Betrieb genommen wurden. Die Elektrifizierung für den S-Bahnbetrieb kam nicht mehr zustande.

1939 gab es erneut einen Schriftwechsel zwischen dem Strausberger Bürgermeister und der Reichsbahndirektion (RBD) Berlin über einen Direktanschluß Strausbergs, wobei auf die Untersuchung von 1926 Bezug genommen wurde. Anlaß war das erwähnte Vorhaben der S-Bahnverlängerung bis Strausberg. Es wurden Trassierungs- und Fahrplanvarianten ausgearbeitet und die Auswirkungen auf die Strausberger Eisenbahn betrachtet. Wiederum wäre ein Reststraßenbahnbetrieb verblieben. Auch dieser wäre wirtschaftlich nicht haltbar gewesen, das Interesse Strausbergs war daher wiederum verhalten. Alternativ wurde eine effektivere Obuslinie von der Vorstadt zum Flugplatz in Betracht gezogen. Grundlage war ein Betrieb mit vier Trieb- und Beiwagen und die Nutzung der Straßenbahn-Wagenhalle.

Bild: Zugang zum S-Bahnsteig im Jahre 1993

1993 sind sowohl die Überdachung des Zugangs zum S-Bahnsteig sowie das im Hintergrund sichtbare Bahnsteigdach vorhanden.
Beides wäre als Bahnsteigarchitektur der 1920er unbedingt erhaltenswert gewesen, wurden aber abgerissen.

Ein Bau der S-Bahn bis zum Flugplatz, der große Bedeutung besaß, kam in den Betrachtungen der Reichsbahndirektion nicht in Frage, so daß ein verkehrlich wichtiges Ziel weiterhin nur mit Umsteigen angebunden wäre. Der vorgesehene Bau eines fünf Meter hohen Bahndamms auf der Kleinbahntrasse wurde zudem als wertmindernd für die umliegenden Grundstücke angesehen. Es sprach aus Strausberger Sicht letztlich einiges gegen den S-Bahnbau in der angedachten Form. Der Bürgermeister wollte sich aber nicht vorwerfen lassen, mögliche Verkehrsverbesserungen verhindert zu haben, weshalb man diese Untersuchung vornahm.

Nach Kriegsende fuhren erst ab 1. Oktober 1946 wieder Vorortzüge bis Strausberg. 1947 wurden zwei der vier Streckengleise der Ostbahn entfernt, um mit den dadurch gewonnenen Oberbaustoffen die S-Bahn nach Erkner wieder aufzubauen. Zugleich bemühten sich die Anliegergemeinden darum, auf das verbliebene Vorortgleis nun endlich die S-Bahn zu bekommen.

Bevor die S-Bahn am 31. Oktober 1948 Strausberg erreichte, gab es zwei Zwischenetappen:

Zur Stromversorgung stellte die Reichsbahn am Haltepunkt Neuenhagen ein aus der Vorkriegszeit vorhandenes und wieder instandgesetztes fahrbares Gleichrichterwerk auf; dieses wurde über ein neu verlegtes 30-kV-Kabel vom Gleichrichterwerk Kaulsdorf gespeist. Nachdem am 29. Oktober 1948 auf der Strecke der Strom zugeschaltet worden war, konnte am 30. Oktober um 11.40 Uhr in Hoppegarten zur Eröffnungsfahrt nach Strausberg geladen werden. Der öffentliche Verkehr begann am 31. Oktober; die Zeitung Neues Deutschland vermeldete dazu:

Berlin—Strausberg jetzt elektrisch
In Anwesenheit des Generaldirektors der Reichsbahn für die sowjetische Besatzungszone, Besener, übergab der Präsident der Reichsbahndirektion Berlin, Kreikemeyer, am Sonnabend die an das elektrisch betriebene S-Bahn-Netz angeschlossene fünf Kilometer lange Vorortstrecke von Fredersdorf nach Strausberg dem Verkehr. Die Dampfzüge, die bisher auf dieser Strecke verkehrten, stellten am Sonnabend ihren Betrieb ein. Der elektrische S-Bahnverkehr wird am Sonntag mit Betriebsbeginn aufgenommen. [2]

Jeder zweite Zug der Zuggruppe E, von Potsdam kommend, fuhr anfangs bis Strausberg durch, der andere endete in Hoppegarten. Am 16. Januar 1949 änderte sich aufgrund eines „Linientausches“ der westliche Endbahnhof in Spandau. Im Frühjahr 1950 führte die Reichsbahn den Zwanzig-Minutentakt nach Strausberg ein. [3] Am 1. Januar 1955 wurde die 9,1 Kilometer lange Neubaustrecke von Strausberg nach Strausberg Nord in Betrieb genommen. Anfangs fuhren hier Dieseltriebwagen und dampflokbespannte Züge, ab dem 3. Juni 1956 auch die rot-gelben elektrischen Triebzüge der S-Bahn im 40- bzw. 60-Minutentakt. Zur Weiterfahrt mußten die Reisenden in Strausberg – in beide Richtungen – umsteigen; erst seit dem 26. Mai 1968 bestand ein durchgehender Verkehr von Berlin Friedrichstraße im 40-Minutentakt. [4]
Im Sommer 1998 verlor der S-Bahnsteig sein Dach; als Grund gab die DB AG Baufälligkeit an.

Bild: Bahnsteigansicht im September 2015

Der Bahnhof Strausberg ist nicht für ZAT-FM vorgesehen. Aus diesem Anlass gibt es auf der westlichen Seite zwei Spiegel mit niedriger Höhe.
Dagegen ist der Spiegel auf der östlichen Seite auf einem Pfahl angebracht. (25. September 2015)

Ab Mitte 1997 speiste am Bahnhof Strausberg ein fahrbares Gleichrichterwerk ein, das als Überbrückung vor dem Bau eines stationären Gleichrichterwerks diente. Damit konnte die Bahnstromversorgung in diesem Bereich vorzeitig weiter stabilisiert werden. Mit dieser Maßnahme war die Kuppelstelle Strausberg nicht mehr erforderlich und wurde außer Betrieb genommen.

Im Jahr 2009 gingen schließlich zwei neue Gleichrichterwerke mit Fahrleitungsschaltanlagen in Strausberg und Strausberg Nord in Betrieb. Fahrleitungsschaltanlagen gestatten eine disponible Schaltung der Stromschienenabschnitte bei Störungen und Bauvorhaben. Bereits 2002 wurden auf den Bahnhöfen Strausberg Stadt und Strausberg Nord Fahrleitungsschaltanlagen errichtet. Das fahrbare Gleichrichterwerk des Bahnhofs Strausberg wurde im November 2011 zum S-Bw Friedrichsfelde abtransportiert.

In der Vergangenheit wurde mehrmals versucht, Investitionen in die S-Bahn und die Strausberger Eisenbahn von Entscheidungen für eines der beiden Verkehrsmittel abhängig zu machen. Das Nebeneinander dieser Verkehrsmittel rührt aus besonderen politischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte und würde heute in dieser Form natürlich nicht mehr entstehen. Allerdings haben sich so auch auf beide Verkehrsmittel bezogene Verkehrsbeziehungen entwickelt, die jeweiligen Anlieger beziehen auch einen Teil ihrer jeweiligen Attraktivität hieraus. Ein Verzicht auf eines der beiden Verkehrsmittel hätte in jedem Fall massive Verschlechterungen zur Folge. Während die S-Bahn insbesondere für den nördlichen Teil Strausbergs die Direktverbindung nach Berlin sichert, übernimmt die Strausberger Eisenbahn eine Erschließungsfunktion im südlichen Teil der Stadt.

Am 27. Juni 2015 wurde der Viertelzug 481 186 auf den Namen Strausberg getauft.


Petershagen Nord Hegermühle

Autor:
Ivo Köhler

Buchcover

Der vorliegende Text ist ein Auszug aus dem Buch "Strausberger Eisenbahn" des Autors. Mit freundlicher Genehmigung des GVE-Verlages.

ISBN-Nummer 978-3-89218-210-8
Verlag GVE
Erschienen 2013
Preis: 29,80 €

weitere Quellen:
[1] Kleinbahn Strausberg—Herzfelde; Michael Günther; Verkehrsgeschichtliche Blätter; Hefte 5 und 6/1996
[2] Zeitungsmeldung, Neues Deutschland vom 31. Oktober 1948
[3] Der elektrische Betrieb auf der Berliner S-Bahn. Band 4: Aufbau, Improvisation, Erweiterung – 1946 bis 1960; Manuel Jacob; Verlag Neddermeyer; 2008
[4] Eine S-Bahn-Strecke für die DDR-Volksarmee; Bernd Kuhlmann; Verkehrsgeschichtliche Blätter; Heft 2/2005

weiterführende Links:
Webseite zur Ziegelei Herzfelde (abgerufen am 1.11.2015)
Der Bahnhof bei Google Maps

Veröffentlichung:
1. Oktober 2015


letzte Änderung des Textes: 1. Oktober 2015

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