Die S-Bahn-Bauarten 1937, 1939 und 1941


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Die Bauart 1937

Die Elektrifizierung weiterer Vorortstrecken und insbesondere die Fertigstellung des Nordsüd-S-Bahntunnels erforderten seit Mitte der 30er Jahre mehr Fahrzeuge, wofür ab 1937 neue Züge bestellt und in mehreren Losen an die Deutsche Reichsbahn ausgeliefert werden sollten. Das neue Konzept der Wagen mit "runden Köpfen" sollte beibehalten werden, die elektrische Ausrüstung sollte den Olympiazügen gleichen. Die im Betrieb gesammelten Erfahrungen wollte man natürlich einfließen lassen und Bauteile nach Bedarf modifizieren.

ET 4042

Am Anfang des Halbzuges ist der ET 4042 abgebildet.
Zuletzt fuhr er unter der Nummer 477 097-0, bevor er am 20. Oktober 2003 in Königs Wusterhauen verschrottet wurde.

Bereits 1937 bestellte die Deutsche Reichsbahn weitere S-Bahnwagen, die von der Industrie in den Jahren 1938 und 1939 ausgeliefert wurden. Sie besaßen keine Außentür zum Führerstand mehr, und die Scharfenbergkupplung (Schaku) war so ausgebildet, daß zum Entkuppeln nicht mehr an der Kupplung hantiert werden mußte, sondern alles über ein Ventil vom Führerstand aus komfortabel erledigt werden konnte. Außerdem verband nun eine Kontaktleiste auf der Schaku - das sogenannte "Klavier" - alle durchgehenden elektrischen Leitungen.

Eine weitere Neuerung war die Speisung der elektrisch gesteuerten Bremse aus der Fahrzeugbatterie. Diese beiden Änderungen hatten zwar leider die Folge, daß die neuen Züge nicht mehr mit den bisherigen Stadtbahnwagen im Zugverband fahren konnten, stellten jedoch für das Personal einen enormen Komfort- und Sicherheitsgewinn dar. Weil die elektropneumatische Bremse nunmehr nicht länger von der Stromschienenspannung abhängig war, blieb sie ohne Einschränkungen funktionsfähig. Die großen Druckluftschütze, wie sie bei den älteren Bauarten anzutreffen waren, wurden durch kleine Kontakte - direkt im Führerbremsventil angeordnet - ersetzt. Neu waren auch die Griffstangen an der Front auf dem Mittelgurtband, die bei den Bauarten 1934 und 1935 erst später nachgerüstet wurden. Für den Antrieb der Fensterwischer benutzte man keine Druckluft, sondern einen 48-Volt-Elektromotor.

Klavier

Das "Klavier" auf der Scharfenbergkupplung. Als Paul Kuhn in den 50er Jahren sang:
"Geben sie dem Mann am Klavier noch ein Bier", meinte er garantiert nicht die Triebwagenführer der S-Bahn.

Weil sich bei den Drehgestellen der Bauarten 1935 und 1935 a mit einem Achsstand von 2.600 Millimetern keine bessere Laufruhe eingestellt hatte, ging man bei der Bauart 1937 wieder auf das übliche Maß von 2.500 Millimetern über, um keine besonderen Werkzeuge vorhalten zu müssen.

Die Innendecke der Wagen war nur noch leicht kassettiert, in ihrer Mitte befanden sich Lüftungsschlitze zum Absaugen verbrauchter Luft. Die Füße der Sitzbänke bestanden aus poliertem Pantal, einer Aluminiumlegierung, und die Längsgepäcknetze vollständig aus Leichtmetall - der Plüschüberzug konnte entfallen. Weil die Schlösser der Schiebetüren sich nun auf deren Oberkanten befanden (für den Fahrgast nicht sichtbar), konnten die Fingerschutzleisten aus Gummi nun über die ganze Höhe reichen, was den Türen ein gefälligeres Aussehen verlieh.

Insgesamt lieferte die Waggonindustrie vier Viertelzüge der sogenannten Bauart 1937 I für 120 Kilometer pro Stunde Höchstgeschwindigkeit und 80 Viertelzüge der Bauart 1937 II für 80 Kilometer pro Stunde. Die schnellfahrenden Wagen besaßen - da sie mit den anderen Bankierzügen zusammenlaufen sollten - weder die Schaku mit "Klavier" noch die von der Stromschienenspannung unabhängig gesteuerte Bremse. Der Kupplungsausschnitt in der Frontpartie war aber vorsorglich groß genug und mit einer Klappe verdeckt, um später das "Klavier" nachrüsten zu können. Jedoch hätte der Kupplungsschacht selbst - wie bei den früheren Lieferungen auch - noch einmal geändert werden müssen.

4516

Zwei der Bankier-Triebwagen der Bauart 1937 I miteinander gekuppelt im Herstellerwerk Dessau.

Bauart 1939

Ein zweiter Auftrag der Deutschen Reichsbahn erging über 131 Viertelzüge für 80 Kilometer pro Stunde, die in den Jahren 1939 bis 1941 geliefert und in Dienst gestellt wurden. Von der Bauart 1937 unterschieden sie sich in den weniger durchgekröpften äußeren Drehgestellrahmen und in einer wesentlich verbesserten Kurzkupplung, die Dämpfungspuffer überflüssig machte.

Bauart 1941

Der Bau von Stadtbahnwagen in konventioneller Stahlbauart sollte mit einer letzten Lieferung über 80 Viertelzüge für 80 Kilometer pro Stunde abgeschlossen werden. Parallel entwickelten Reichsbahn und Industrie schon längst völlig neuartige Züge einer geplanten Baureihe ET/EB 151 in sogenannter Leichstahlbauweise für 90 Kilometer pro Stunde und mit elektrischer Nutz- bzw. Widerstandsbremse. Um möglichst rasch Betriebserfahrungen sammeln zu können, wollte man acht Viertelzüge schnell herstellen und testen. Deshalb trennte man von der laufenden Serie acht Viertelzüge ab und kürzte den Auftrag für die Bauart 1941 auf 72 Viertelzüge (siehe Kriegs-S-Bahn statt Leichtstahlzug).

Die Beschaffung neuer Fahrzeuge gestaltete sich zunehmend schwieriger, weil nach Beginn des Zweiten Weltkriegs eine strikte Materialkontingentierung einsetzte. Nachdem die Bauart 1937 in den Jahren 1938 bis 1939 ausgeliefert worden war (80 Viertelzüge, auch als Lieferung 1937/38 bezeichnet), zog sich die Produktion der Bauart 1939 (131 Viertelzüge) bis ins Jahr 1941 hin und die für 1940 vorgesehene und bereits bestellte Lieferung verschob man in das Fahrzeugbeschaffungsprogramm 1941 (80 Viertelzüge).

Nockenschaltwerk

Tatsächlich hatte sich bei der S Bahn die Zahl der Fahrgäste in der Zeit von 1932 bis 1940 um 74 Prozent erhöht, während der Wagenpark im selben Zeitraum um nur 36 Prozent vergrößert wurde. Als zu Beginn des Jahres 1942 die Produktion der 72 Viertelzüge aus dem Beschaffungsprogramm für 1940 noch immer nicht begonnen hatte, setzte die Reichsbahndirektion alle Hebel in Bewegung, um eine Dringlichkeitsstufe für neue Fahrzeuge zu erhalten. Diese lag Ende März 1942 für den elektrischen Teil der Wagen vor, für den wagenbaulichen fehlte sie noch immer.

Als das Material für die 80 Viertelzüge des Beschaffungsprogramms für 1940 schon in den Waggonfabriken lagerte, erteilte das Oberkommando der Wehrmacht (OKW) am 21. Mai 1942 die Genehmigung zur Produktion von 72 Viertelzügen der Baureihe ET/EB 167. Die acht Viertelzüge des Versuchszugs ET/EB 151 sowie alle weiteren Fahrzeuge blieben dabei unberücksichtigt.

Führerstand

Von den 1940 bestellten Viertelzügen lieferte die Industrie 1943 und 1944 die 72 Triebwagen vollzählig aus, von den Beiwagen aber nur 50 Exemplare. Zuletzt in Dienst gestellt wurde am 3. März 1944 ein Viertelzug, der aus den beiden Triebwagen 167 228 und 229 zusammengestellt war.

Um die 22 beiwagenlosen Triebwagen überhaupt nutzen zu können, hatte die Deutsche Reichsbahn im Februar 1944 begonnen, die überzähligen Triebwagen miteinander zu kuppeln. Sie baute dazu bei jeweils einem der beiden Triebwagen die Fahrmotore aus. Diese "Doppeltriebwagen" konnten nur gemeinsam mit normalen Viertelzügen (aus Trieb- und Beiwagen bestehend) eingesetzt werden, weil nur in Beiwagen der Umformer für die Fahrgastraumbeleuchtung vorhanden war. Soweit nach dem Krieg in Berlin noch vorhanden, wurden diese Züge erst 1958 wieder getrennt und mit neu gebauten Beiwagen zu regulären Viertelzügen zusammengestellt.


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letzte Änderung:
26. Oktober 2008

Veröffentlichung:
26. Oktober 2008

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