Der 13. August 1961 und die Zeit danach


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Am 1. Juli 1961 bekam ich meine Planstelle als Triebfahrzeugführer (Tf) von einem Tf, der sich nach dem Westen abgesetzt hatte. In der Nacht vom 12. zum 13. August 1961 fuhr ich mit meinem Schaffner auf der Zuggruppe Emil zwischen Staaken und Strausberg. Auf der Fahrt nach Strausberg wunderten wir uns in Biesdorf über rege Tätigkeiten der russischen Soldaten. Wir nahmen an, dass mal wieder einer von ihnen abgehauen ist und sie ihn suchten. Auf der Rücktour fuhren wir planmäßig nur bis Ostbahnhof und von da weiter zurück in das S-Bahnbetriebswerk (S-Bw) Friedrichsfelde.

Morgens setzten wir planmäßig nach Ostbahnhof wieder ein. Als wir in Ostkreuz ankamen, hörten wir die Ansagen der Aufsicht, dass in Richtung Nord- und Südring kein Zugverkehr stattfand. Ich sagte noch, dass muss aber ein dickes Ding sein. In Ostbahnhof wunderte ich mich, dass wir nach Gleis 11 geleitet wurden. Nach Strausberg zurück wären die Gleise 9 und 10 die richtigen gewesen. In Ostbahnhof sagte uns dann die Aufsicht, dass in Friedrichstraße alles dicht war, die Grenzen sind zu. Das musste ich nochmals nachfragen und sie bestätigte es uns nochmals. Nach einer Weile setzten wir über die Kehranlage um und fuhren weiter nach Strausberg.

Auf den Strecken herrschte ein heilloses Durcheinander. In Ostkreuz bekamen wir dann Ablösung. Da auf dem Ring immer noch nichts fuhr, bin ich über Warschauer Straße mit der Straßenbahn nach Hause gefahren. Meine Eltern musste ich erst wecken. Sie wussten ebenfalls noch nichts von den Vorfällen. Am Nachmittag bin ich zur Friedrichstraße gefahren, zum Brandenburger Tor, welches weiträumig von den Betriebskampfgruppen abgeschirmt wurde. Am nächsten Tag hatten wir es noch mal probiert und konnten doch wirklich mittels unseres Dienstausweises die Grenze passieren.

Aufgrund der veränderten Situation mussten auch die Dienstpläne neu erstellt werden. Erst im Laufe der nächsten Tage und Wochen spielte sich der S-Bahn Verkehr neu ein.

1963 wurde ich zum S-Bw Nordbahnhof abkommandiert, da viele andere nicht wiederkamen. Das waren meist Mitglieder der SED, da verfügt wurde, nur Genossen auf die andere Seite zu schicken. In dieser Zeit lernte ich die Strecken der Nordsüd-S-Bahn kennen.

In Gesundbrunnen gab es zu jener Zeit noch Kioske auf den Bahnsteigen. Wenn man dem Besitzer 50,- oder 100,- Ostmark gab und eine Einkaufsliste, bekam man am nächsten Tag seinen Einkauf wieder. Meist waren das Obst, Kaffee, Schokolade. Der Kioskbesitzer war sehr ehrlich, er rechnete immer auf den Pfennig genau ab.

Auch an den weiteren Kiosken bekamen wir noch Waren für unser Ostgeld. Die Arbeiter vom Fruchthof Marienfelde gaben auch mal Bananen und anderes Obst an uns ab. Dieses nahmen uns die Kontrollorgane in Friedrichstraße nicht ab. Bei anderen, "schwierigeren" Sachen passten wir dann immer die Ankunft der Fernzüge in Friedrichstraße ab, da wir als Personal dann nicht so intensiv kontrolliert wurden. Aber auch da kam man bald dahinter und wir bekamen einen separaten Zugang. Da hieß es schon mal warten auf die Ablösung, da diese noch bei der Grenzkontrolle festgehalten wurde. 1964 bin ich zum S-Bw Friedrichsfelde zurück und bekam auch meine Planstelle wieder.


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Autor:
Wolfgang Genß

letzte Änderung:
20. Oktober 2013

Veröffentlichung:
20. Oktober 2013

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