Berliner Stadtbahnbilder - Ein Abenteuerfilm

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Frage: Wie begegneten Ihnen die Mitarbeiter der Reichsbahn? Waren sie dem Projekt gegenüber aufgeschlossen oder interessierte es sie nicht?

Die Reaktionen waren ganz unterschiedlich. Eine relativ große Fraktion von Leuten, denen es egal war, andere Mitarbeiter hatten die "preußische Attitüde", da musste man sich eben entfernen. Wiederum andere waren interessiert und hilfreich.
Auf dem Bahnhof Charlottenburg, Bahnsteig D, ermöglichte es uns eine Aufsicht, dort ungestört zu drehen. Sie selber hatte keine Angst vor Ärger, da sie mit einem alliierten Offizier verheiratet war.

Uns kam auch zugute, dass ich genau wusste, wo die nächste Bahnhofswache der Bahnpolizei war. Mein Kameramann war der Ansicht, dass wir Schwierigkeiten bekommen könnten. Ich sagte zu ihm: Die können frühestens in 18 Minuten hier sein! So hatte er ungefähr 16 Minuten Zeit, was nicht viel ist, um anständige Bilder zu machen. Aber da er ein hervorragender Kameramann war und immer noch ist und ich das Gelände von meinem früheren Fotografieren gut kannte, gelangen uns gute Bilder. Auch die beiden anderen Kameramänner waren gute Leute.
Es war spannend, fast ein Underground-Film.

Berliner Stadtbahnbilder

Frage: Sind bei den Aufnahmen während der Fahrt Absprachen mit dem Triebfahrzeugführer gemacht wurden oder wurde einfach nur das Fenster heruntergemacht und angefangen zu drehen?

Für die Aufnahmen aus dem fahrenden Zug benutzten wir ein Saugstativ. An den älteren Zügen konnte man das Fenster weit herunterziehen, was heute leider nicht mehr geht. Wir putzten die Fenster, damit das Saugstativ besser halten konnte. Zusätzlich wurde die Kamera mit einem Ledergürtel gesichert.
Für diese Aufnahmen benutzten wir meist die hinteren Wagen, auch, damit man viel Außenhaut des Wagens sieht.

Bei den letzten Dreharbeiten regnete es dann auch das erste Mal. Ich wollte während des Filmes alle Jahreszeiten einfangen, alle Wetter-Situationen.

Frage: Wie nahm der Reisende die Dreharbeiten auf? Kam er interessiert auf sie zu oder war er doch eher gleichgültig?

Die Reisenden waren auf angenehme Weise, eigentlich untypisch für Berliner, den Dreharbeiten sehr zugänglich.

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Frage: Was war der Grund, einen Kamerafilm anstatt eines Dokumentarfilmes zu drehen? Was ist der Unterschied zwischen einem Kamera- und einem Dokumentarfilm?

Die Bezeichnung Kamerafilm ist eine Erfindung der Redaktion "Kleines Fernsehspiel". Man hat damit versucht zu differenzieren zwischen einer Produktion mit größerem Budget und andererseits Filmen mit kleinem Budget, diese hat man Kamerafilme genannt. Zu deren Programmatik gehörte auch dazu, dass man viele Freiheiten hat und dass man etwas macht mit dem Bewusstsein, das der Film mit der Kamera geschrieben wird, so wie ein Gedicht oder ein Roman vom Autor mit der Hand oder mit der Schreibmaschine geschrieben wird.
Kamerafilme stehen in Verwandtschaft mit dem Autorenfilm, bei dem der Autor oder Regisseur die bestimmende Figur der Produktion ist und nicht der Produzent. Der klassische Spielfilm war bis zur Ausarbeitung der so genannten Autorentheorie Produzentenkino. Das wurde dann durch Leute wie Goddard, Truffaut oder in Deutschland durch Fassbinder, Wenders und Herzog usw. und weltweit auch durch New Hollywood verändert. Und so durfte auch ein Kamerafilm laut der Redaktion "Kleines Fernsehspiel" ein Film sein, der von der Vision des Autors bzw. Regisseurs geprägt ist. Ich hatte "Carte blanche", mir hat da niemand reingeredet. Wenn ich darum bat, gab man mir eine Einschätzung. Sehr hilfreich war der Dramaturg Karsten Witte, der einen seltenen Beruf im Filmgeschäft hat. Der Beruf des Dramaturgen verschwand aus Kostengründen in den 1950er Jahren. Die Basis-Film und Produzentin Clara Burckner haben sich dadurch ausgezeichnet, dass sie beinahe die ersten waren, die wieder einen Dramaturgen einstellten. Karsten Witte half mit, die wichtigsten ästhetischen Entscheidungen zusammen mit dem Redakteur Eckart Stein zu treffen.

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