Streik 1980: Erinnerung eines Reichsbahners


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Der ehemalige Eisenbahner Rudolf K. aus Thüringen erinnert sich:

Als Folge des Streiks wurden aufgrund der Personalsituation in Westberlin für ca. 1 ½ Jahre zusätzliche Eisenbahner aus der DDR eingesetzt.
Interessant für die Westberliner Reichsbahner waren die Gründe für die Abordnung der DDR-Reichsbahner und nach welchen Kriterien diese ausgewählt wurden. Ein nicht unbedeutender Teil der Eisenbahner, die nach den Streiks auf den Stellwerken verblieben, waren in der Sozialistischen Einheitspartei Westberlins (SEW - Schwesterpartei der SED) organisiert. Diese hatten die wenigsten Probleme mit den DDR-Reichsbahnern.

Anfangs gab es Probleme in der Arbeitsorganisation durch die fehlende Ortskenntnis mit den zahlreichen Anschlussgleisen in Berlin-Spandau. Eingesetzt wurden Lokführer und Rangierer/Zugfertigsteller. Zwischen den Eisenbahnern aus Ost und West gab es manchmal auch Reibereien.
Der Weg zum Dienst führte die Eisenbahner in Zivil zum Bahnhof Friedrichstraße. Im Abfertigungsgebäude (Tränenpalast) lagen die Dienstausweise für die Eisenbahner vor, deren Ausgabe erfolgte durch die Grenzer nach einem dort vorliegenden Dienstplan. Von Friedrichstraße ging es mit der S-Bahn zum Lehrter Stadtbahnhof. Dort stand ein Barkas der Deutschen Reichsbahn mit einem Westberliner Kraftfahrer parat, der die 3 - 4 Eisenbahner nach Berlin-Ruhleben fuhr. Nach dem Schichtwechsel ging es für die abgelösten Eisenbahner wieder zurück zum Lehrter Stadtbahnhof. Dabei war gelegentlich auch eine kleine Stadtrundfahrt möglich. Eine Kontrolle der aus Westberlin mitgebrachten Einkäufe fand nur gelegentlich durch den Zoll statt.

Die Lokführer waren langjährige Eisenbahner aus der Rbd Erfurt die teilweise auch die Berechtigung hatten, bis Bebra zu fahren. Einer der eingesetzten Eisenbahner war der Bruder des damaligen Präsidenten der Rbd Erfurt. Er war als Rangierer in Berlin-Grunewald tätig.
Die Eisenbahner waren am Anfang ihres Einsatzes bis März 1981 in Neuenhagen (b. Bln) in der Baracke der Bahnmeisterei untergebracht. Danach war das Quartier nahe dem U-Bahnhof Magdalenenstraße in der Schulze-Boysen-Straße in der 22. Etage eines Hochhauses.

Bild: V180 in Wannsee

118 326 trifft mit ihrem Kesselzug in Bln-Wannsee ein. Nach dem Zweiten Reichsbahnerstreik saßen auf diesen Zügen desöfteren Eisenbahner aus der DDR, da die Personalstärke der Westberliner Reichsbahner nie mehr ausreichte, um alle Leistungen selbst abzudecken (Symbolbild, um 1983).

Die Essensversorgung während des Dienstes erfolgte in einer Pause im Bf Spandau Personenbahnhof. Das warme Essen wurde von der Küche des RAW Tempelhof aus geliefert. Ebenso gab es im Quartier eine warme Mahlzeit. Pro geleistete Schicht erhielten die DDR-Eisenbahner zusätzlich DM 2,00. Sie wurden am Monatsende im Reichsbahnamt 4 am Berliner Nordbahnhof bar ausgezahlt. Es wurden generell nur 12-Stunden Schichten gearbeitet. Diese verliefen im Rhythmus 10 Schichten Dienst, dann 5 Tage Ruhe. Danach 5 Schichten Dienst und drei Tage frei.

Und wo gehobelt wird, da fallen auch Späne:
Durch mangelhafte Verständigung im Rangierdienst kam es am 13. Mai 1981 zur Entgleisung der 118 253 im Gbf Berlin-Ruhleben. Der Fahrauftrag durch den Fdl für eine Lok aus Gleis 8, zum Stw Rub vorzuziehen, wurde irrtümlich an eine Lok auf Gleis 14 weitergeleitet. Diese fuhr los und entgleiste mit dem ersten Drehgestell in der unmittelbar vor der Lok liegenden geschlossenen Gleissperre im Gleis 11.


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aufgeschrieben und bearbeitet von:
Mathias Kohla

letzte Änderung:
8. November 2010

Veröffentlichung:
8. November 2010

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