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Der Nordabschnitt
Dieser Teil sollte die Nordstrecken mit der Stadtbahn in deren Mitte verbinden. Als Schnittpunkt mit der Stadtbahn standen alternativ der Lehrter Bahnhof und der Bahnhof Friedrichstraße zur Diskussion. Die Entscheidung fiel zugunsten des Bahnhofs Friedrichstraße - als dem im Fern- wie im Vorortverkehr weitaus wichtigeren.
An der Zulaufstrecke der Stettiner und der Nordbahn entstanden die beiden oberirdischen Stationen Bornholmer Straße und Humboldthain. Sie sollten einen besseren Betriebsablauf gewährleisten und zusätzliche Stadtgebiete erschließen. Einigkeit bestand darin, den neuen Stettiner S-Bahnhof an der Ostseite des Fernbahnhofs anzulegen. Mit dieser Variante verbunden war zwar die spitzwinkelige Untertunnelung des Vorfeldes des Fernbahnhofs, die rechtlichen Bedingungen für Grunderwerb etc. indes waren so günstiger. Der Betrieb auf der Nordsüd-S-Bahn erforderte im Stettiner Bahnhof die Anlage von zwei Inselbahnsteigen. Für die Linienführung zwischen dem Stettiner Bahnhof und dem Bahnhof Friedrichstraße kam nur die Artilleriestraße (heute Tucholskystraße) in Frage. Über die Linienführung zwischen Friedrichstraße und Potsdamer Platz herrschte anfangs Unklarheit.
Nördliche Tunnelausmündung im Stettiner Fernbahnhof.
Repro aus: Die Reichsbahn 1936.
Ein früher Entwurf der Deutschen Reichsbahn sah vor, die Nordsüd-S-Bahn nach Unterquerung des Bahnhofs Friedrichstraße unter der Neustädtischen Kirchstraße, der Kanonierstraße (heute Glinkastraße), dem Wilhelmplatz, der Reichskanzlei und den Ministergärten nach dem Potsdamer Platz zu führen. Auf diesem Abschnitt waren Bahnhöfe südlich der Kreuzung Friedrichstraße/Unter den Linden und am Wilhelmplatz nahe dem Hotel "Kaiserhof" und dem gleich namigen U-Bahnhof geplant gewesen - und wäre so die "Haus- und Hofstation" des Reichsverkehrsministerium geworden. Diese Trasse beeinträchtigte allerdings die Interessen der BVG wegen der knapp einen Kilometer langen Parallelführung zur heutigen U-Bahnlinie U6. Der neue S-Bahnhof Unter den Linden hätte nämlich in unmittelbarer Nähe des U-Bahnhofs Französische Straße gelegen und so dort möglicherweise Verkehr abgezogen.
Die Reichsbahn entsprach schließlich dem Wunsch der Stadt (und Adolf Hitlers) und entschied sich für die "Linden-Linie". Diese knickte nicht erst am Wilhelmplatz nach Westen ab, sondern schon an der Kreuzung Unter den Linden/Neustädtische Kirchstraße und führte statt unter der damaligen Kanonierstraße nun unter der heutigen Ebertstraße entlang zum Potsdamer Platz. Der Bahnhof Unter den Linden wurde an die Kreuzung Unter den Linden/Wilhelmstraße verlegt. Die Entscheidung über die neue Linienführung wurde von der Absicht überlagert, den Nordabschnitt anläßlich der Olympischen Spiele 1936 zu eröffnen.
Stettiner Bahnhof • Oranienburger Straße
Von der Mitteltreppe aus fotografiert, wirkt der Bahnsteig im Stettiner S-Bahnhof lang und aufgeräumt.
Die Fliesen stammen aus der Keramikhochburg Siegersdorf bei Bunzlau (Niederschlesien).
Unter der Artilleriestraße (heute Tucholskystraße) enstand der S-Bahnhof Oranienburger Straße.
Repro aus: Die Reichsbahn 1936.
Spreeunterfahrung • Bf Friedrichstraße
Wie eine Achterbahn: unter der Spree hindurch, über die Nordsüdbahn (heute U6) hinweg und unter dem Bahnhof Friedrichstraße hindurch.
Baustelle Spreeunterfahrung - die südlich Hälfte der Spree ist gesperrt. Links im Bild die eiserne Notbrücke für Fußgänger.
Repro aus: Die Reichsbahn 1935.
Wehrkammer der Spreeunterfahrung.
Beiderseits der Spreeunterfahrung wurden Wehrkammern eingebaut. Diese dienen bei Wassereinbrüchen zum Abdichten der Leckstelle. Ein S-Bahnverkehr ist dann jedoch nicht mehr möglich.
Repro aus: Die Reichsbahn 1936.
Bahnhof Friedrichstraße: Baugrube auf dem südlichen Vorplatz.
Das Gebäude rechts vor der Bahnhofshalle ist die vorübergehende Gepäck- und Expreßgutabfertigung.
Repro aus: Die Reichsbahn 1935.
Unterfahrung des Bahnhof Friedrichstraße.
Um den unterirdischen S-Bahnhof unter den vorhandenen Stadtbahnhof bauen zu können, mußte die Station auf einer Breite von 30 Metern mitsamt den Bahnsteigen, Gleisen, Hallen und der anschließenden Straßenbrücken abgefangen werden. Die Baustelle der neuen unterirdischen Station liegt 17 Meter unter Schienenoberkante der Stadtbahn.
Repro aus: Die Reichsbahn 1936.
Unter den Linden
Alle Bahnhöfe der Nordsüd-S-Bahn sind mit hellen Keramikplatten verkleidet. Die Grundfarbe des S-Bahnhof Unter den Linden ist Grün mit dunkelgrünem Deckenabschluß, die Aufbauten und Gliederungen sind in dunkelgrün und schwarz gehalten.
Repro aus: Die Reichsbahn 1936.
Der Südabschnitt
Der Südabschnitt umfaßt die Stationen Potsdamer Platz und Anhalter Bahnhof sowie die beiden Anschlüsse an die Lichterfelder Vorortstrecke und die Wannseebahn.
Bei der Realisierung des Südabschnitts mußten sich die Planer und Baufirmen ganz unterschiedlichen Herausforderungen stellen:
Der Beschluß zur Umgestaltung der Reichshauptstadt rief mehrfache Änderungen der Planungen - und der Bauwerke! - hervor.
Tunnelmund mit Auslauframpe der Wannseebahn.
In starker Steigung von 1:30 verläßt die Wannseebahn nach Trennung von der Lichterfelder Strecke und nach Unterfahrung der Ringbahngleise den Tunnel.
Repro aus: Die Reichsbahn 1939.
Tunnelauslauf für die Lichterfelder und Zossener Strecke.
Entgegen der Rampe der Wannseebahn verläuft hier die Strecke entlangvon niedrigen Mauern.
Repro aus: Die Reichsbahn 1939.
Potsdamer Platz
In Verkennung der verkehrlichen Bedeutung des Potsdamer Platzes war der gleichnamige S-Bahnhof 1933 zunächst recht bescheiden als einfache Durchgangsstation mit nur einem Bahnsteig geplant worden. Ende 1934 verwarf man die bisherige Auffassung und erklärte, den Südring mit der Nordsüd-S-Bahn stärker verbinden zu wollen. Da Wannseebahn und Südring ab dem Ringbahnhof Kolonnenstraße (heute nicht mehr vorhanden) parallel verliefen, erschien es sinnvoll, beide Strecken bei diesem Bahnhof als "Band" zu vereinigen und beide, Südstrecken und den Südring gemeinsam vom Anhalter Bahnhof durch die heutige Stresemannstraße zu führen. Diese Variante hätte zwei Bahnsteige mit nur drei Bahnsteigkanten am Potsdamer Platz erfordert: einen Bahnsteig für die durchlaufenden Züge und eine Bahnsteigkante für die wendenden Südringzüge.
Luftbild vom Potsdamer Platz (1936) mit eingezeichneten Umgrenzungslinien des Tunnelkörpers der Nordsüd-S-Bahn.
Repro aus: Die Reichsbahn 1939.
Als Engpaß stellte sich der Abschnitt Anhalter Bahnhof - Potsdamer Platz heraus; ein Doppelstocktunnel für insgesamt vier Gleisen schied wegen einer geplanten U-Bahnstrecke aus. Um die Jahreswende 1934/35 entschied die Deutsche Reichsbahn sich dann für die Lösung, den Südring dort mit der Nordsüd-S-Bahn zu verbinden, wo es logisch war: nämlich am Potsdamer platz, und zwar mit vier Bahnsteigkanten an zwei Bahnsteigen. Das verkehrsreiche Treiben an der Oberfläche, die dichte Bebauung und die Größe der Station gestalteten den Bauablauf außerordentlich kompliziert.
Anhalter Bahnhof
Die Ausgangssituation für den Bau dieses Bahnhofs war ähnlich schwierig wie die des Bahnhofs Potsdamer Platz. Von vornherein waren zwei Bahnsteige für die Fahrtrichtungen Mahlow und Lichterfelde Ost (prognostisch nach Rangsdorf - Zossen und Ludwigsfelde) sowie Wannsee im Richtungsbetrieb vorgesehen. Der Bahnhofstunnel war demgemäß ähnlich dem des Stettiner S-Bahnhofs und des Bahnhofs Potsdamer Platz zu dimensionieren.
Fast fertig: der S-Bahnhof Anhalter Bahnhof.
Blick in die etwa 28 Meter breite und 15 Meter tiefe Baugrube von Süden nach Norden.
Repro aus: Die Reichsbahn 1936.
Bestimmend für die Lage des künftigen S-Bahnhofs war neben den Forderungen nach guter Erschließung des Askanischen Platzes und des ungehinderten Übergangs zur Fernbahn die (künftig) auf den Streckentunnel aufzusattelnde U-Bahnlinie Moabit - Neukölln. Erst nachdem die Trassen von U-Bahn und Nordsüd-S-Bahn sich genügend weit auseinander entwickelt hatten, war der Bau des Bahnhofs und der Zugänge ungestört möglich. Weil die Bauarbeiten am Anhalter S-Bahnhof schon 1935 begonnen hatten, waren die Auswirkungen der großspurigen Planungen für die Umgestaltung der Reichshauptstadt vom Januar 1937 hier bedeutend unangenehmer. Im Gegensatz zum Bahnhof Potsdamer Platz, bei dem es lediglich Baueinschränkungen gab, war hier erhebliche Mehrarbeit zu leisten. Man hatte es Anfang 1937 mit praktisch fertigen Bauten zu tun, die sehr aufwendig der neuen Situation angepaßt werden mußten. Dies betraf zwei Stellen:
Die zuerst genannte Umgestaltung erforderte es, den Nordkopf des Bahnhofs teilweise wieder abzureißen und nach der völligen Umgestaltung der Baugrube zwei Tunnelstümpfe mit Abzweigen aus den Gleisen 1 und 4 in Richtung des Europa-Hauses vorzustrecken.
Die südlichen Anschlüsse
Baumaßnahmen südlich des Landwehrkanals
Südlich der Trebbiner Straße unterfährt die Nordsüd-S-Bahn den Postbahnhof an der Luckenwalder Straße. Unter der zweistöckigen Ankunftspackkammer und den anschließenden Ladesteigen war ein ebenfalls zweistöckiges Tunnelbauwerk zu errichten, wobei weder Rammträger geschlagen noch Betonpfähle gesetzt werden konnten.
Baustelle auf dem Reichsbahngelände am Postbahnhof Luckenwalder Straße.
Unmittelbar unter dem Postbahnhof laufen die beiden Streckenäste aus Wannsee (links) und von Papestraße kommend zusammen.
Repro aus: Die Reichsbahn 1936.
Baustelle Unterfahrung des Postbahnhofs Luckenwalder Straße.
Über die insgesamt 21 Meter breite Baugrube wird der Postverkehr weiterhin abgewickelt.
Repro aus: Die Reichsbahn 1937.
Der S-Bahnhof Großgörschenstraße
Um die Wannseebahn überhaupt in den Nordsüd-S-Bahntunnel einzuführen zu können, mußte sie vor dem Tunnelmund ihre Lage mit den Magdeburger Ferngleisen getauscht haben. Der günstigste Ort dafür schien die Nordausfahrt des Bahnhofs Schöneberg zu sein. Um dann östlich der Ferngleise zu liegen kommen, war dort ein sogenannter Unterfahrungstunnel (Wannseebahntunnel) anzulegen.
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Die Texte der vorliegenden Streckenbeschreibung sind stark gekürzte Passagen aus dem Buch des Autors Michael Braun:
Verlag GVE 288 Seiten - 617 s/w-Abbildungen - 150 farbige Abbildungen ISBN 978-3-89218-112-5 19,80 Euro |
Nordsüd-S-Bahn Berlin - 75 Jahre Eisenbahn im Untergrund
Die Veröffentlichung des Textes erfolgt mit freundlicher Genehmigung von