Das geplante S-Bahnbetriebswerk Oderstraße


S-Bahnbetriebswerk Oderstraße - davon hat jeder S-Bahn-Interessierte schon einmal gehört. Und das, obwohl diese Werkstätte nie wirklich existierte. Ihren Planungsursprung hat das Objekt in den Plänen zur Umgestaltung Berlins zur Welthauptstadt Germania. Der im Januar 1937 neu ernannte Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt Albert Speer plante auf dem Areal des damaligen Bahnhofes Papestraße und des angrenzenden gleichnamigen S-Bahnbetriebwerkes (S-Bw) den neuen Südbahnhof. Um die S-Bahnfahrzeuge weiterhin warten zu können, war ein weiteres S-Bw auf der Ringbahn unumgänglich. Als Standort der neuen Werkstätte wurde das Gelände nordwestlich der Ringbahn und Oderstraße auserkoren; letztere war somit auch der (vorläufige) Planungsname der neuen Dienststelle.

Im Zweiten Weltkrieg wurde zumindest noch die Triebwagenhalle errichtet. Nach den gleichen Bauplänen soll übrigens die Werkstatthalle der Werkbahn der Heeresversuchsstelle Peenemünde erbaut worden sein.
Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Naziherrschaft wurde der Weiterbau des S-Bw Oderstraße nicht weiter verfolgt. Die bestehende S-Bw Papestraße versah weiterhin ihren Dienst. Die Deutsche Reichsbahn (DR) sah somit keinen weiteren Bedarf mehr und vergab (vermietete?) das Gelände an eine Spedition. In den nachfolgenden Jahren kam ab und zu immer wieder einmal das Gerücht von einem bevorstehenden Neubau an der Oderstraße auf, konkrete Pläne gab es von seitens der DR dazu jedoch nicht.

Bild: Zielschild Oderstraße

Ebenfalls geplant und nie gebaut: der S-Bahnhof Oderstraße.
Der Bahnhof war nur auf den Zugzielanzeigern der BVG-Fahrzeuge vorhanden.

Nach der Übertragung der Betriebsrechte an die BVG am 9. Januar 1984 kam nahe des vorgesehenen Geländes noch einmal S-Bahnleben auf. Die BVG reaktivierte im Januar 1987 das S-Bahnbetriebswerk Papestraße für die fälligen Hauptuntersuchungen an ihren Fahrzeugen. Um diese Werkstatt mit Material und Ersatzteilen zu beliefern, richtete sie einen Materialpendel zwischen Papestraße und der Oderstraße ein. Gegenüber der Triebwagenhalle Oderstraße wurde eine Ladefläche aufgeschüttet, die mit Transportern und Lastkraftwagen befahrbar war. Der Materialzug bestand aus dem rollfähigen Paßviertelzug 275 753/4, der von einer Diesellok der BVG (Fahrzeugnummern 5073 - 5076) geschoben bzw. gezogen wurde, da die Stromversorgung der Ringbahnstrecke seit dem Streikende vom September 1980 abgeschaltet war.

Der Materialzug selber bestand aus dem ET 278 113 (ex Gepäckzug  Par - ET 275 753) und dem EB 278 114 (ex Gepäckzug Ws - EB 275 754). Beide Fahrzeuge waren größtenteils entkernt und besaßen kaum noch elektrische Ausrüstungen. Der ET verfügte im Führerstand immerhin noch über ein Führerbremsventil, um bei geschobener Fahrt entsprechend bremsen zu können.
Bei den einmal wöchentlich stattfindenden Fahrten schob eine der vier Dieselloks der BVG (Typ R 40 C) die Fuhre von der Pape- zur Oderstraße. Nach der dortigen Beladung zog sie den Zug zurück zum S-Bahnhof Papestraße, um ihn über die handbedienten Weichen des westlichen Gleisvorfeldes (das Stellwerk Tat war seit dem Streikende 1980 ebenfalls außer Betrieb) zurück zum S-Bw zu drücken. Hier erfolgte dann die Entladung.

Aufgrund der nun zukünftig anfallenden Arbeiten an den S-Bahnfahrzeugen plante die BVG eine eigene Hauptwerkstatt zu errichten. Neben dem S-Bw Papestraße und der Triebwagenhalle Hundekehle wäre als ein möglicher Standort auch das Gelände an der Oderstraße in Betracht gekommen. [1] Aufgrund der Ereignisse nach dem Mauerfall vom 9. November 1989 wurden diese Planungen obsolet.
Der derzeitige Betreiber der Berliner S-Bahn, die S-Bahn Berlin GmbH, hegt derzeitig keinerlei Absichten, hier nochmals eine Werkstatt aufzumachen. Warum sollte sie auch - hat sie doch erst zum 28. Mai 2006 das S-Bahnbetriebswerk Friedrichsfelde geschlossen (mittlerweile wiedereröffnet).


zurück zur Einleitungsseite


Autor:
Mike Straschewski

Quellen und weiterführende Buchtipps:
[1]Typisch Berlin - Ein BVG-Porträt; Berliner Verkehrsbetriebe, Abt. Öffentlichkeitsarbeit; 1987
Berliner Bahnbetriebswerke; Michael Reimer/Dirk Winkler, Verlag GeraMond, 2001
Videofilm: Berliner S-Bahn 1989; Frank Thürmer Videoproduktion; 1989

weiterführende Links:
Das Bahnbetriebswerk bei Google Maps

letzte Änderung:
26. Oktober 2008

Veröffentlichung:
26. Oktober 2008

nach oben