Bild: Hennigsdorf Nord


telegrafisches Kurzzeichen: Hdnu, vormals Hdn
oberer Bahnsteig eröffnet am: 18. August 1958
unterer Bahnsteig eröffnet am: 25. August 1958
unterer Bahnsteig elektrischer Betrieb (750 V - S-Bahnverkehr) seit: 25. August 1958
unterer Bahnsteig elektrischer Betrieb (750 V - S-Bahnverkehr) eingestellt: 21. September 1983
oberer Bahnsteig Zugverkehr eingestellt: 28. Mai 1995
unterer Bahnsteig Zugverkehr eingestellt: 24. Mai 1998
Station lag an der Kremmener Bahn

Hohenschöpping Hennigsdorf

Den Bahnhof Hennigsdorf Nord kann man getrost als ein Kind des Kalten Krieges bezeichnen. Um Westberlin zu umfahren, baute die Deutsche Reichsbahn (DR) ab 1951 den Berliner Außenring auf. Der Bahnhof, der erst im Jahre 1958 entstand und hauptsächlich dem Umsteigeverkehr diente und nördlich der Stadt Hennigsdorf lag, befand sich an der Kreuzungsstelle des Außenringes mit der Kremmener Bahn. Da letztere im Jahre 1945 in diesem Bereich ihr westliches Streckengleis als Reparationsleistung verlor, baute die DR den neuen S-Bahnhaltepunkt an das ehemalige östliche Gleis. Somit konnte ein unmittelbarer und ebenerdiger Zugang von der Veltener Straße zum Bahnsteig geschaffen werden, ohne das dazu große Kunstbauten nötig waren. Zudem hielt man sich bei dieser Variante auch die alte Streckenführung frei, da bis heute keine Entwidmung der Anlagen aus dem Eisenbahnrecht vorliegt.
Der obere Bahnhofsteil am Außenring, der nur den Sputnikverkehren diente, war mit zwei Seitenbahnsteigen ausgestattet und wurde am 18. August 1958 eröffnet. Am 25. August, also eine Woche später, folgte der untere S-Bahnsteig, der auch ein kleines Dienstgebäude für die Aufsicht erhielt. Zwei weitere je eingleisige Strecken verbinden seit November 1953 bzw. April 1955 den Außenring mit dem Bahnhof Hennigsdorf.

Bild: Bahnsteig 1983

Blick vom Außenringbahnsteig auf den S-Bahnsteig in Richtung Hennigsdorf. Auf dem Bahnsteig steht ein Dienstgebäude, das neben der Aufsicht auch einen kleinen Warteraum beherbergte. Rechts neben der Strecke erkennbar ist ein neu ausgehobener Graben, der zu einem späteren Zeitpunkt mit den entsprechenden Versorgungskabeln bestückt werden wird. Da der S-Bahnsteig am östlichen Streckengleis der ehemals zweigleisigen Kremmener Bahn aufgebaut wurde, definiert der Abstand zwischen dem Gleis und dem Graben die Lage des ehemaligen westlichen Gleisplanums.

Fast genau drei Jahre nach der Eröffnung des S-Bahnsteiges wuchs dessen Bedeutung schlagartig: Mit dem Bau der Mauer mußten nun alle S-Bahnfahrgäste der nördlichen Kremmener Bahn hier umsteigen, wenn sie denn nach Berlin (oder auch wieder zurück) wollten. Der direkte Weg mit der S-Bahn war aufgrund der Streckenunterbrechung zwischen Heiligensee und Hennigsdorf nicht mehr möglich. Wegen der betriebsfähigen Triebwagenhalle in Velten sowie des Bahnstromunterwerkes in Hennigsdorf entschloß sich die DR, auf den sechs Kilometern zwischen Hennigsdorf und Velten weiterhin einen S-Bahnverkehr anzubieten. Und so pendelte nun für die nächsten 7.958 Tage überwiegend ein Halbzug der BR 275 zwischen beiden Städten hin und her. Das Triebwagenpersonal für diesen Zug stellte die Triebwagenhalle Oranienburg, die damals dem S-Bahnbetriebswerk Friedrichsfelde unterstand. Die Lokführer begannen ihre Dienste in Birkenwerder und fuhren von dort mit einem der Sputnikzüge nach Hennigsdorf Nord, wo sie dann ihre jeweilige Vorgängerschicht ablösten.

Anfang der 1980er Jahre erreichte die Streckenelektrifizierung der Deutschen Reichsbahn auch den Berliner Raum. Aufgrund der hohen Kosten, die bei einem Parallelbetrieb von Gleich- und Wechselstrom unweigerlich entstehen würden, entschloß sich die DR, den Inselbetrieb einzustellen. Am 21. September 1983 gegen 1:20 Uhr verließ der letzte S-Bahnzug Hennigsdorf Nord in Richtung Velten. Während in den nächsten 15 Tagen dieselbetriebene Züge zwischen Hennigsdorf und Velten (- Kremmen) den Personenverkehr übernahmen, bereitete die Reichsbahn die letzten Arbeiten zur Inbetriebnahme vor. Ab dem 6. Oktober 1983 konnten die Fahrgäste nun teilweise in Doppelstockzügen ihren Zielen entgegenfahren.

Nach der Stromschiene ist vor der Stromschiene: Ruckzuck wurde diese in den nachfolgenden Wochen entfernt - zu voreilig, wie sich alsbald herausstellte. Denn mit der im Jahre 1987 anlaufenden Serienproduktion der BR 270 hätte das LEW Hennigsdorf die alte S-Bahnstrecke für die ersten Probefahrten der neuen Züge gut gebrauchen können. Also entschloß man sich, Anfang 1987 das Streckengleis Hennigsdorf - Velten bis zur Triebwagenhalle erneut mit einer Stromschiene auszurüsten und das Unterwerk Hennigsdorf wieder in Betrieb zu nehmen. Da der technische Aufwand zum Betreiben der beiden benötigten Stromsysteme jedoch sehr groß war, entschied man zwei Jahre später, ein separates Testgleis - was ebenfalls mit einer Stromschiene und einer Oberleitung ausgerüstet wurde - aufzubauen und in Betrieb zu nehmen.

Bild: Bahnsteig 2009

Der ehemalige S-Bahnhof am 22. Oktober 2009. Die Natur hat sich auch hier ihr Terrain zurückgeholt, der Bahnsteig ist abgezäunt und somit auch nicht mehr zugänglich. Im Bild ist das Probegleis von Bombardier Hennigsdorf sichtbar.

Mit dem Fall der Mauer im November 1989 änderten sich in den nachfolgenden Jahren die Verkehrsströme rapide. Statt um Berlin drum herum zu fahren ging es nun wieder mittendurch. Und die Anfang der 1990er Jahre einsetzende schnelle Motorisierung des Individualverkehres ließ die hohen Fahrgastzahlen von einst schnell sinken. Die Bedeutung des Außenringes nahm schneller ab, als einem lieb sein konnte. Und schlußendlich trat das ein, was fast immer unweigerlich daraufhin folgt: Der obere Bahnsteig wurde am 28. Mai 1995 geschlossen, der untere Perron folgte am 30. Mai 1998. Zuvor wurde im Juni/Juli 1997 das durch Vandalismus stark ramponierte Dienstgebäude abgerissen.
Derzeitig ist eine Wiederinbetriebnahme der S-Bahnstrecke von Hennigsdorf nach Velten im Gespräch. Sollte die S-Bahn wirklich wieder fahren, so ist auch eine Neuinbetriebnahme des alten S-Bahnhaltepunktes geplant. Der neue Bahnsteig, der ebenfalls als Seitenbahnsteig östlich des Streckengleises wie sein Vorgänger konzipiert ist, soll ca. 130 Meter weiter südlich in Betrieb genommen werden. Er würde damit hauptsächlich der Erschließung des Wohngebietes nördlich der Marwitzer Straße dienen.

Hohenschöpping Hennigsdorf

Autor:
Mike Straschewski

Quellen und weiterführende Buchtipps:
Die Kremmener Bahn; Peter Bley, Verlag Bernd Neddermeyer, 2004
Berlins S-Bahnhöfe; Jürgen Meyer-Kronthaler/Wolfgang Kramer, be.bra Verlag, 1998

weiterführende Links:
Der Bahnhof bei Google Maps
Der Bahnhof Hennigsdorf Nord auf www.kremmener-bahn.net

Veröffentlichung:
22. Juli 2010


letzte Änderung des Textes: 21. Mai 2012

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