telegrafisches Kurzzeichen: | Hch |
eröffnet am: | 13. April 1938 |
elektrischer Betrieb seit: | 13. April 1938 |
wegen Strommangels Verkehr eingestellt: | 1. Dezember 1946 |
Zugverkehr wieder aufgenommen: | 15. September 1950 |
S-Bahnverkehr eingestellt: | 20. September 1983 |
Zugverkehr eingestellt: | 24. Mai 1998 |
Station lag an der | Kremmener Bahn |
Velten | Hennigsdorf Nord |
Am großen zu erwartenden normalen Fahrgastpotential lag es nicht, daß sich die Deutsche Reichsbahn (DR) im Frühjahr 1937 entschloß, zwischen Hennigsdorf und Velten einen Haltepunkt einzurichten. Vielmehr standen im Deutschland der Nationalsozialisten militärisch-wirtschaftliche Interessen dahinter. Südlich von Velten entstanden zu der Zeit mehrere Rüstungsbetriebe sowie das Flakzeugamt Velten. Nachdem sich die ortsansässigen Betriebe sowie das Reichsluftfahrtministerium an den entstandenen Kosten beteiligten, ging der Bau der Station zügig voran. Der 160 Meter lange und maximal 10,2 Meter breite Mittelbahnsteig wurde durch einen einzigen Zugang mittels einer Fußgängerbrücke, die sich am nördlichen Bahnsteigende befand und das Streckengleis Hennigsdorf - Velten überquerte, erreicht.
Die Eröffnung des einfach gehaltenen Haltepunktes erfolgte am 13. April 1938, ab dem Tag hielten hier alle 20 Minuten die rot-gelben Züge der Berliner S-Bahn an. Der überwiegende Teil der Fahrgäste rekrutierte sich aus den schon eingangs beschriebenen militärischen Einrichtungen. Aufgrund des hohen Aufkommens fuhr die DR schon wenige Wochen später mit Beginn des Sommerfahrplanes 1938 in den Zeiten des Berufsverkehres sogar schon alle zehn Minuten die Station an. Das änderte sich schlagartig im April 1945: Mit dem näher kommenden Ende des Zweiten Weltkrieges gab es immer wieder Stromausfälle, unter denen auch die S-Bahn litt. Spätestens am 25. April hieß daher in Hohenschöpping: Kein Zugverkehr mehr!
Einfahrt von Velten kommend (3. Oktober 1982).
Bevor die Züge der S-Bahn wieder verkehren sollten, erledigten ab 18. Juni 1945 dampfbetriebene Züge zwischen Velten und Hennigsdorf den Vorortverkehr. Grund hierfür war die gesprengte Brücke über dem Hohenzollernkanal südlich von Hennigsdorf. In diesem Zeitraum verlor auch die Kremmener Bahn ihr zweites Gleis als Reparationsleistung - das östliche Streckengleis verschwand in gleicher Richtung. Ein Jahr später, am 6. Juli 1946, war es dann aber soweit: die S-Bahn kehrte zurück, wenn auch nur im 30-Minutentakt. Ohne das zweite Gleis erübrigte sich auch die Fußgängerbrücke: sie wurde abgetragen, der Zugang erfolgte nun über das ehemalige Gleisplanum, aber weiterhin am nördlichen Bahnsteigende.
An die alten Fahrgastzahlen konnte die Station danach nie wieder anknüpfen. Da sich der Haltepunkt eigentlich im Nirgendwo befand, hielten die Züge meist auch umsonst an der verbliebenen Bahnsteigkante. Da die Elektrizität im Nachkriegsdeutschland aufgrund der schlechten Versorgungslage anfangs weiterhin nicht ständig zur Verfügung stand, entschloß sich die DR, die Züge ab dem 1. Dezember 1946 durchfahren zu lassen - so ließen sich einige tausend Kilowattstunden an Energie sparen. Erst mit Beginn des Winterfahrplanes 1950 am 15. September nahm die Reichsbahn Hohenschöpping wieder in ihre Fahrplanunterlagen auf.
Einfahrt von Hennigsdorf kommend. Der Haltepunkt zeigt sich gut besucht (August 1983).
Der Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 veränderte für die Hohenschöppinger Fahrgäste deren Reisewege: statt wie bisher via Heiligensee und Schönholz nach Berlin fahren zu können, mußten sie nun am knapp 1,3 Kilometer entfernten Bahnhof Hennigsdorf Nord aus- und in die Züge des Sputnikverkehres umsteigen. Der direkte Weg war aufgrund der Grenzschließung zwischen Heiligensee und Hennigsdorf unterbrochen. Wegen der betriebsfähigen Triebwagenhalle in Velten sowie des Bahnstromunterwerkes in Hennigsdorf entschloß sich die DR, auf den sechs Kilometern zwischen Hennigsdorf und Velten weiterhin einen S-Bahnverkehr anzubieten. Dieser Inselbetrieb reihte sich für die nächsten 22 Jahre in die Reihe der Kuriositäten bei der Berliner S-Bahn ein.
Anfang der 1980er Jahre erreichte die Streckenelektrifizierung der Deutschen Reichsbahn auch den Berliner Raum. Aufgrund der hohen Kosten, die bei einem Parallelbetrieb von Gleich- und Wechselstrom unweigerlich entstehen würden, entschloß sich die DR, den Inselbetrieb einzustellen. Am 21. September 1983 gegen 1:28 Uhr verließ der letzte S-Bahnzug Hohenschöpping in Richtung Norden. Während in den nächsten 15 Tagen dieselbetriebene Züge zwischen Hennigsdorf und Velten (- Kremmen) den Personenverkehr übernahmen, bereitete die Reichsbahn die letzten Arbeiten zur Inbetriebnahme vor. Am 6. Oktober 1983 war es dann soweit: die immer noch wenigen Hohenschöppinger Fahrgäste konnten nun in Doppelstockzügen ihren Zielen entgegenfahren.
Über elf Jahre nach der Schließung hat sich der Bahnsteig in ein kleines Biotop verwandelt (20. Oktober 2009).
Ruckzuck wurde in den nachfolgenden Wochen die Stromschiene entfernt - zu voreilig, wie sich alsbald herausstellte. Denn mit der im Jahre 1987 anlaufenden Serienproduktion der BR 270 hätte das LEW Hennigsdorf die alte S-Bahnstrecke für die ersten Probefahrten der neuen Züge gut gebrauchen können. Also entschloß man sich, Anfang 1987 das Streckengleis Hennigsdorf - Velten bis zur Triebwagenhalle erneut mit einer Stromschiene auszurüsten und das Unterwerk Hennigsdorf wieder in Betrieb zu nehmen. Da der technische Aufwand zum Betreiben der beiden benötigten Stromsysteme jedoch sehr groß war, entschloß man sich zwei Jahre später, ein separates Testgleis - was ebenfalls mit einer Stromschiene und einer Oberleitung ausgerüstet wurde - aufzubauen und in Betrieb zu nehmen.
Nach dem Fall der Berliner Mauer im November 1989 nahmen auf dem nördlichen Teil der Kremmener Bahn die Fahrgastzahlen rapide ab. So entschloß sich die Deutsche Bahn AG als Rechtsnachfolger der Reichs- und Bundesbahn im Jahre 1995, den erst 1983 eingeführten elektrischen Betrieb auf dieselbetriebene Fahrzeuge umzustellen. Die Station, an der einst Tausende ein- und ausstiegen, geriet immer mehr ins Vergessen. Am 24. Mai 1998 wurde sie geschlossen. Hier hat sich heute die Natur ihr Terrain zurückgeholt. Auch wenn die S-Bahn je wieder nach Velten fahren sollte, so ist eine Wiederinbetriebnahme des Haltepunktes derzeitig nicht im Gespräch.
Velten | Hennigsdorf Nord |
Autor:
Mike Straschewski
Quellen und weiterführende Buchtipps:
Die Kremmener Bahn; Peter Bley, Verlag Bernd Neddermeyer, 2004
Berlins S-Bahnhöfe; Jürgen Meyer-Kronthaler/Wolfgang Kramer, be.bra Verlag, 1998
weiterführende Links:
Der Bahnhof bei Google Maps
Der Bahnhof Hohenschöpping auf www.kremmener-bahn.net
Veröffentlichung:
30. Juni 2010
letzte Änderung des Textes: 30. Juni 2010
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