Bild: Velten


telegrafisches Kurzzeichen: ehemals Vlt
eröffnet: 1. Oktober 1893
elektrischer Betrieb seit: 16. März 1927
S-Bahnverkehr eingestellt: 20. September 1983
Station liegt an der Kremmener Bahn

  Hohenschöpping

Am 1. Oktober 1893 erhält die Stadt ihren gleichnamigen Eisenbahnanschluß und ist für wenige Wochen die vorläufige Endstation der Kremmener Bahn, bis am 20. Dezember 1893 die Strecke bis nach Kremmen in Betrieb genommen wird. Da mit der Eisenbahn auch der Handel, die Industrialisierung und das Wirtschaftswachstum zunimmt, mausert sich Velten in den nachfolgenden Jahren zu einem Zentrum des Ofenbaues. Mit dem schnellen Bevölkerungswachstum entwickelte sich der Ort auch zu einem kleinen regionalen Eisenbahnkreuzungspunkt: Am 1. Oktober 1904 erfolgte die Eröffnung der Strecke Velten—Bötzow (-Nauen) durch die Osthavelländischen Kreisbahnen. Der Bahnhof Velten erhielt dazu auf seiner westlichen Seite einen weiteren kurzen Bahnsteig sowie eine kleine Lokbehandlungsanlage.

Heute heißt die Station Velten (Mark), diese Umbenennung datiert auf den 1. Mai 1911. Der Personen- und Güterverkehr stieß auf der eingleisigen Kremmener Bahn in den nachfolgenden Jahren immer wieder an ihre Kapazitätsgrenzen. Schon im September 1922 zählte man auf dem Streckenabschnitt Hennigsdorf—Velten werktäglich 9.000 Reisende je Richtung [1].

Bild: Ansichtskarte ca. 1920

Das Empfangsgebäude auf einer alten Ansichtskarte (um 1920).
Diese Postkarte wurde uns freundlicherweise von Axel Mauruszat zur Verfügung gestellt.

Während in den 1920er Jahren im südlichen Streckenabschnitt zwischen Schönholz und Hennigsdorf (außer Tegel) der Bahndamm sukzessive höher gelegt wurde, unterblieb die auch für den Streckenabschnitt Hennigsdorf—Velten vorgesehene Streckenerhöhung. Einer der Gründe hierfür waren die Kosten, zudem rückte die vorgesehene Elektrisierung der Strecke immer näher. Somit entschied sich die damalige Deutsche-Reichsbahn-Gesellschaft (DRG), die Höherlegung zu verschieben und zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen, der jedoch bis heute nie eintrat. Im ersten Quartal 1926 begannen die ersten Bauarbeiten für die neue Traktionsart. Schon im Dezember vermeldete ein Bericht der Reichsbahn-Bauabteilung 3 die bis dato weitestgehende Fertigstellung aller Gleichrichter- und Unterwerke sowie der Stromschienenanlage [2].

Anfang Februar 1927 fingen die Probefahrten an. Doch was passierte?

Am 1.2.27 fuhr die erste S-Bahn zur Probe nach Velten, gelangte auch ans Ziel, hatte Kurzschluß, ein Wagen brannte aus, und der Zug mußte unter dem Jubel der Veltener Jugend mit einer Dampflok abgeschleppt werden [3][4].

Die weiteren Erprobungen verliefen weitestgehend störungsfrei und am 16. März 1927 nahm die DRG den elektrischen Betrieb zwischen Schönholz und Velten - vorerst nur mit vier Zügen - auf. In diesem Zusammenhang führte sie auch einen Grundtakt von 30 Minuten ein, den sie im Berufsverkehr auf einen 10-Minutentakt verdichtete. Im Laufe des Jahres 1927 errichtete der Betreiber auch einen neuen Mittelbahnsteig, der bis heute in Betrieb und mittels einer Fußgängerbrücke zugänglich ist. Am 15. November 1927 nahm 800 Meter weiter nördlich die Triebwagenhalle Velten ihre Arbeit auf. Zweieinhalb Wochen später, am 2. Dezember, ging auch das zweite Streckengleis in Betrieb.

Bild: Bahnsteiggleis 1 mit Übergang

Blick vom S-Bahnsteig in Richtung Norden.
Der Überweg zum Empfangsgebäude ist überdacht, während bei seinem westlichen Abgang ebendieses fehlt (um 1982).

Mit der Inbetriebnahme des Nordsüd-S-Bahntunnels im Ende Juli 1936 verkürzte die DRG ihren Strecken-Grundtakt zwischen Schönholz und Velten auf nun 20 Minuten. Nach der Eröffnung des Haltepunktes Hohenschöpping im April 1938 erreichten in den Zeiten des Berufsverkehres die rot-gelben Züge alle zehn Minuten die Station. Das änderte sich schlagartig im April 1945: Mit dem näher kommenden Ende des Zweiten Weltkrieges gab es immer wieder Stromausfälle, unter denen auch die S-Bahn litt. Spätestens am 25. April verkehrte daher kein Zug mehr von und nach Velten.

In den letzten Kriegstagen 1945 wurde die Brücke über den Hohenzollernkanal gesprengt. Dadurch konnten vorerst nur ab dem 18. Juni 1945 dampfbetriebene Vorortzüge zwischen Velten und Hennigsdorf verkehren. In diesem Zeitraum verlor die Kremmener Bahn ihr zweites Gleis als Reparationsleistung - das östliche Streckengleis verschwand in gleicher Richtung. Ein Jahr später, am 6. Juli 1946, war es dann aber soweit: die S-Bahn kehrte, wenn auch vorerst nur im Stundentakt, zurück. Ab dem 25. August 1947 fuhr die Deutsche Reichsbahn (DR) zumindest im Berufsverkehr den Bahnhof Velten wieder alle 30 Minuten an, bevor sie am 3. Oktober 1948 den ganztägigen Halbstundentakt einführte.

In diesen Nachkriegsjahren nahm auch die nach dem Krieg darniederliegende Wirtschaft wieder Fahrt auf. Um die Reisewege der Arbeiter und Angestellten entsprechend zu erleichtern, sah die DR einen Streckenneubau zwischen Velten und Eden vor, der dort in die bestehende Strecke nach Oranienburg einmünden sollte. Im Sommer 1949 rief der Landrat zu einem freiwilligen Arbeitseinsatz auf, und die Menschen kamen und halfen bei Aufbau. Jedoch mußte man im Frühjahr 1950 Abstand von der ursprünglichen Streckenplanung nehmen, da die Tragfähigkeit des Untergrundes für die späteren schweren Güterzüge nicht gegeben war. Ein Teil der geleisteten Aufbaustunden waren somit umsonst geleistet worden. Nachdem man eine neue Streckenführung auserkoren hatte, wurde im Juni 1950 erneut mit den Bauarbeiten begonnen. Die Inbetriebnahme der knapp 9 Kilometer langen Bahnlinie datiert auf den 25. Februar 1951. Einen Tag zuvor wurde in Velten der Streckenneubau feierlich übergeben.

Bild: Gleisplan 1959

Die Karte der Reichsbahndirektion Berlin aus dem Jahre 1959 verdeutlicht die von Velten abgehenden Strecken.
Kartenausschnitt mit freundlicher Genehmigung der Webseite www.blocksignal.de.

Nach 18 Jahren Betriebszeit wurde der Verkehr am 31. Mai 1969 wieder eingestellt. Interessanterweise wurde der Güterverkehr, für den die Strecke extra umgeplant wurde, wahrscheinlich erst 1968 aufgenommen [5]. Schon fünf Jahre zuvor, am 31. Mai 1964, wurde der Gesamtverkehr auf der im Jahre 1904 in den Bahnhof Velten eingeführten Bötzower Strecke eingestellt.

Zurück zur S-Bahn: Der Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 griff massiv in die Reisewege der Veltener Fahrgäste ein. Statt wie bisher via Heiligensee und Schönholz nach Berlin fahren zu können, mußten sie nun am knapp 3,6 Kilometer entfernten Bahnhof Hennigsdorf Nord aus- und in die Züge des Sputnikverkehres umsteigen. Der direkte Weg war aufgrund der Grenzschließung zwischen Heiligensee und Hennigsdorf unterbrochen. Wegen der betriebsfähigen Triebwagenhalle in Velten sowie des Bahnstromunterwerkes in Hennigsdorf entschloß sich die DR, auf den sechs Kilometern zwischen Hennigsdorf und Velten weiterhin einen S-Bahnverkehr anzubieten. Der S-Bahnfahrplan wurde in den 1960er Jahren an die Verkehrszeiten der Sputnikzüge angepaßt, so daß sich hier hoch im Norden bis zur Einstellung des S-Bahnverkehres im Jahre 1983 immer ein unregelmäßiger Takt ergab, der als solches nicht ins Fahrplanschema der S-Bahn paßte. Da die Inselstrecke ungefähr in der Hälfte durch die Blockstelle Jägerberg (bis 1969 in Betrieb) sicherungstechnisch geteilt war, bot die DR ab dem 12. April 1966 in den Zeiten des Berufsverkehres einen zusätzlichen Zug an. Kurios mutet auch heute noch in diesem Zusammenhang das Verkehren von alten "Peenemündern" in diesem Umlauf - der zudem noch als "V2" gekennzeichnet wurde. Diese zusätzlichen Fahrten endeten am 28. September 1969.

Bild: Empfangsgebäude

Das Empfangsgebäude am 23. Juni 1983.
In wenigen Minuten wird der Ikarus-Bus die wartenden Fahrgäste weitertransportieren.

Der sich in Hennigsdorf befindliche VEB Lokomotivbau-Elektrotechnische Werke 'Hans Beimler' (LEW) konnte aufgrund der besonderen Insellage der S-Bahnstrecke Hennigsdorf—Velten einige ihrer Neuerungen und Fahrzeuge sozusagen vor der eigenen Haustür testen. Für die beschleunigte Erprobung der elektronischen Anfahrsteuerung sowie für die ersten Fahrten der BR 270 richtete die Reichsbahn zeitweise auf der Inselstrecke einen Schienenersatzverkehr ein.

Anfang der 1980er Jahre erreichte die Streckenelektrifizierung der Deutschen Reichsbahn auch den Berliner Raum. Aufgrund der hohen Kosten, die bei einem Parallelbetrieb von Gleich- und Wechselstrom unweigerlich entstehen würden, entschloß sich die DR, den Inselbetrieb einzustellen. Am 21. September 1983 um 1:33 Uhr erreichte der letzte S-Bahnzug Velten. Während in den nächsten 15 Tagen mit zwei Diesellokomotiven der BR 118 (heutige 228) bespannte Züge zwischen Hennigsdorf und Velten (- Kremmen) den Personenverkehr übernahmen, bereitete die Reichsbahn die letzten Arbeiten zur Inbetriebnahme vor. Am 6. Oktober 1983 war es dann soweit: die Veltener konnten nun in z.T. in Doppelstockzügen ihren Zielen entgegenfahren.

Bild: ausfahrender Zug

Ausfahrt eines Personenzuges in Richtung Hennigsdorf. Hinter dem Maschendrahtzaun ist die Bahnsteigkante des ehemaligen Kleinbahnsteiges erkennbar (September 1990).

Ruckzuck wurde in den nachfolgenden Wochen die Stromschiene entfernt - zu voreilig, wie sich alsbald herausstellte. Denn mit der im Jahre 1987 anlaufenden Serienproduktion der BR 270 hätte das LEW Hennigsdorf die alte S-Bahnstrecke für die ersten Probefahrten der neuen Züge gut gebrauchen können. Also entschloß man sich, Anfang 1987 das Streckengleis Hennigsdorf - Velten bis zur Triebwagenhalle erneut mit einer Stromschiene auszurüsten und das Unterwerk Hennigsdorf wieder in Betrieb zu nehmen. Da der technische Aufwand zum Betreiben der beiden benötigten Stromsysteme jedoch sehr groß war, entschloß man sich zwei Jahre später, ein separates Testgleis - was ebenfalls mit einer Stromschiene und einer Oberleitung ausgerüstet wurde - aufzubauen und in Betrieb zu nehmen. Dieses Gleis reichte aber nicht mehr bis zur Triebwagenhalle heran.

Nach dem Fall der Berliner Mauer im November 1989 änderten sich in den nachfolgenden Jahren die Verkehrsströme rapide. Statt um Berlin drum herum zu fahren ging es nun wieder mittendurch. Zudem ließ die Anfang der 1990er Jahre einsetzende schnelle Motorisierung des Individualverkehres die einstigen, hohen Fahrgastzahlen schnell sinken. Die Bedeutung des Außenringes nahm schneller ab als einem lieb sein konnte. Auch die Fahrgastzahlen auf der nördlichen Kremmener Bahn sanken rapide. Statt viel warme Luft zu transportieren entschloß sich die Deutsche Bahn AG (DB AG) als Rechtsnachfolger der Reichs- und Bundesbahn im Jahre 1995, den erst 1983 eingeführten elektrischen Betrieb auf dieselbetriebene Fahrzeuge umzustellen. Die Oberleitung verblieb jedoch noch mindestens bis in das Jahr 2001 hinein an den Masten.

Bild: Bahnsteig 2009

Verdreckt, verschmiert und somit gewiß auch kein Aushängeschild für die Stadt und die DB zeigt sich am 20. Oktober 2009 der ehemalige S-Bahnsteig.

Anfang 2001 wurde der weithin sichtbare Wasserturm am Bahnhof abgerissen. Mit der Erweiterung des Elektronischen Stellwerkes Neuruppin Ende Oktober 2007 gingen im Bahnhof die Stellwerke außer Betrieb. Ein Jahr später kündigte die DB AG die Sanierung der Station bis 2010 an. Davon war im Oktober 2009 außer dem Bau eines Parkplatzes nicht wirklich etwas zu sehen. Derzeitig werden über die Wiederinbetriebnahme der S-Bahn zwischen Hennigsdorf und Velten intensive Diskussionen geführt.

  Hohenschöpping

Autor:
Mike Straschewski

Quellen und weiterführende Buchtipps:
[1] Die Kremmener Bahn; Peter Bley, Verlag Bernd Neddermeyer, 2004 ; S. 83
[2] Der elektr. Betrieb auf der Berliner S-Bahn - Band 1: Dampf oder Elektrizität; Bernd Neddermeyer; Verlag Neddermeyer; 1999
[3] Berlins S-Bahnhöfe; Jürgen Meyer-Kronthaler/Wolfgang Kramer, be.bra Verlag, 1998 ; Seite 320
[4] Lt. Große Elektrisierung von 1928-1929; Herausgeber: Freizeitgruppe Bahnstromanlagen S-Bahn Berlin; Juni 2008 fand die erste Probefahrt am 9. März 1927 statt
[5] Zur Frühschicht nach Hennigsdorf; Dr. Michael Braun; Verkehrsgeschichtliche Blätter; Heft 2/1989

weiterführende Links:
Der Bahnhof bei Google Maps
www.kremmener-bahn.net

Veröffentlichung:
30. Juni 2010


letzte Änderung des Textes: 21. August 2011

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