Bild: Tiergarten


telegrafisches Kurzzeichen: BTGN, vormals TgS, Tg
eröffnet: 5. Januar 1885
elektrischer Betrieb seit: 11. Juni 1928
wegen Bauarbeiten außer Betrieb: 30. Oktober 1994
nach Bauarbeiten wieder in Betrieb: 11. November 1996
Station liegt auf der Stadtbahn

Zoologischer Garten Bellevue

Bereits während des Baues der Stadtbahn war die Anlage einer einfachen Station am Kreuzungspunkte der Bahn mit der Charlottenburger Chaussee seitens der Besitzer der anliegenden Grundstücke sowie des Magistrats der Stadt Charlottenburg in Anregung gebracht und die unentgeltliche Hergabe des erforderlichen Grund und Boden unter gewissen Voraussetzungen in Aussicht gestellt worden. Die Verhandlungen mit den Anliegern zogen sich indeß derartig in die Länge, daß erst nach der Eröffnung des Verkehrs auf der Stadtbahn mit der endgültigen Ausarbeitung der Entwürfe vorgegangen werden konnte. Diese Verzögerung hatte den Nachtheil, daß die Kosten der Station durch die nachträgliche Bauausführung während des Betriebes sich verhältnißmäßig hoch stellten, ermöglichte jedoch andererseits die Verwerthung der inzwischen gemachten Erfahrungen bei Aufstellung des Entwurfs. [1]

So schreibt die Zeitschrift für Bauwesen in ihrer Ausgabe X des Jahres 1885 über die anfänglichen Schwierigkeiten bei der Errichtung des Bahnhofes Tiergarten. Die Bauarbeiten begannen am 12. Mai 1884 und endeten nach nur sieben Monaten im Dezember. Während dieses Zeitraumes mußte weder der Verkehr der Stadtbahn unterbrochen werden, noch gab es einen Arbeitsunfall.

Bild: Ansicht Bahnhofshalle

Seitenansicht der Bahnstation Thiergarten mit der Bahnhofshalle.
Repro aus: Berlin und seine Bauten, Band 7, 1896.

Zum Bau der Station mußte die seit über zwei Jahren sich in Betrieb befindliche Stadtbahn in diesem Bereich auf einer Länge von 326 Metern neu errichtet werden, davon erfolgte auf 152 Metern nur eine Verbreiterung des vorhandenen Viaduktes. [2] Die Stationsräume sowie der Hauptzugang wurden in den Viaduktbögen nahe der Charlottenburger Chaussee untergebracht, ein Teil der Anlage unterkellert. Die Eingangshalle wies eine nutzbare Grundfläche von 80 m² auf, zwei Fahrkartenschalter verkauften die Billets. Im östlichen Bereich befanden sich die Toiletten. Da die Station noch nicht an die Kanalisation angeschlossen war, dienten die in diesem Bereich errichteten Kellerräume u.a. zur Unterbringung der Aborttonnen. Zudem befand sich hier auch die Heizungsanlage. Desweiteren verzichtete man auf die Einrichtung eines Wartesaales, da diese bei den anderen Bahnhöfen nicht genug genutzt wurden. Der Stadtbahnbogen 483 erhielt einen weiteren, am nördlichen Bahnsteigende gelegenen Zugang zur Bachstraße hin.

Der anfänglich 140 Meter lange und 7,40 Meter breite Bahnsteig wurde von der Eingangshalle abgehend über eine drei Meter breite Treppe erreicht. Eine 48,5 Meter lange und 15,2 Meter weite Halle überdeckte den südlich gelegenen Bahnsteigbereich, der damals noch nicht über der Charlottenburger Chaussee lag. Die westliche Hallenwand war gänzlich aus Steinen gemauert, die östliche Wand bekam Eisenträger mit ausgemauerten Feldern. Einige Fenster erhellten tagsüber von beiden Seiten den Bahnsteig. Die Stirnenden der Halle waren mit Glasschürzen abgeschlossen. Die Bau-Gesamtkosten beliefen sich auf rund 412.000 Mark. Am 5. Januar 1885 schließlich ging der Haltepunkt "Thiergarten" als vorletzte Station der Stadtbahn in Betrieb.

Bild Bahnbrücken vor Umbau der Ost-West-Achse

Zustand der Unterführung der Ost-West-Achse vor dem Umbau, aber mit den erneuerten Bahnbrücken (um 1936).
Repro aus: Zentralblatt der Bauverwaltung 1939, Heft 47/48 vom 25. November 1939.

1903 verlor die Station das h aus ihrem Namen. Im selben Jahr erhöhte die Eisenbahndirektion die Achslast auf 17t. [3] Die dadurch auftretenden stärkeren Belastungen setzten in den nachfolgenden Jahren in Verbindung mit dem immer stärker anwachsenden Verkehr den Viaduktbögen stark zu. So sah sich die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (DRG) gezwungen, zwischen 1922 und 1932 die Stadtbahn in ihrer gesamten Länge zu sanieren. Dabei wurden u.a. auch die Brücken über die Charlottenburger Chaussee erneuert.

Acht Jahre, nachdem der elektrische S-Bahnbetrieb am 11. Juni 1928 seinen Einzug gehalten hatte, wurde die Station umfassend umgebaut. Die Bahnsteighalle wurde abgerissen, der Bahnsteig über die Ost-West-Achse verlängert. Zudem erhielt er y-förmige Dachstützen, die im Treppenbereich als zweistielige Rahmen angeordnet worden. Die Verkleidung der Stadtbahnbögen erfolgte mit dunkelroten Verblendklinkern. Die Wände der Dienstgebäude wurden als Stahlfachwerk ausgeführt, das mit Fliesen ausgefacht wurde.

1933 kamen die Nationalsozialisten an die Macht. Im Rahmen der von ihnen initiierten Umgestaltung Berlins zur Welthauptstadt Germania wurden ab 1938 auch die über die Ost-West-Achse führenden Bahnbrücken auf 55,76 Meter verbreitert. [4] Da erst wenige Jahre zuvor die Bahnbrücken saniert wurden, sahen die Umbauplanungen vor, das diese alten Bahnbrücken weiterhin genutzt wurden und durch zwei weitere Brücken, die man im Aussehen den vorhandenen anpasste, ergänzt wurden. Die Arbeiten begannen mit den Brücken der Fernbahn. Um die neuen Brückenwiderlager aufnehmen zu können, wurde der südlich von der Ost-West-Achse bestehende vierte Viaduktbogen ausbetoniert. Nach der Beendigung der Bauarbeiten verfuhr man mit den S-Bahnbrücken auf die gleiche Weise.

Bild: alter Nordausgang

Die letzte nördlich gelegene Bahnsteigdachstütze ist auch zweistielig ausgeführt und somit ein Hinweis, daß der ehemalige Nordzugang von der Bachstraße her fast die gleiche Einhausung hatte wie der Hauptzugang am südlichen Bahnsteigende. (13. Dezember 1983).

Im Jahre 1945 kehrte der Zweite Weltkrieg an seinen Ausgangsort zurück. Im April 1945 mußte die Deutsche Reichsbahn (DR) den S-Bahnverkehr aufgrund von Strommangel und den immer näher kommenden Kampfhandlungen einstellen. Erst vier Monate nach Kriegsende nahm sie am 6. September 1945 von Zoologischer Garten kommend einen S-Bahnverkehr im 20-Minutentakt wieder auf. Einen Monat später, am 12. Oktober, ging es auch in Richtung Bellevue weiter. Der nördliche Ausgang zur Bachstraße hin wurde Ende 1945 zugemauert, auf dem Bahnsteig verblieb die Rückwand der ehemaligen verglasten Treppenhalle. Der Aufgangsschacht der Treppe wurde abgedeckt.

Im Vorfeld der "Internationalen Bauausstellung Berlin" im Jahre 1957, bei der u.a. auch das Hansaviertel auserkoren war, beseitigte die DR auf dem S-Bahnhof die Kriegsschäden. Vier Jahre später folgte ein auch die Station betreffender tiefer Einschnitt: aufgrund des Mauerbaus am 13. August 1961 rief der DGB zum Boykott der S-Bahn auf. Mitten in der Stadt gelegen gab es nun einen Ort, der vom pulsierenden Leben Westberlins ausgeschlossen wurde. Das änderte sich erst mit der Übertragung der Betriebsrechte an die BVG am 9. Januar 1984. Die S-Bahn bekam nun wieder in der Westberliner Verkehrspolitik einen höheren Stellenwert zugeschrieben.

Nach dem Fall der Mauer vom November 1989 kam auch wieder mehr Leben in den S-Bahnhof. Bis zum 30. Oktober 1994: die Deutsche Bahn AG als Rechtsnachfolger der Deutschen Reichsbahn begann mit der umfangreichsten Sanierung der Stadtbahnstrecke. Zu diesem Zweck mußte die Station bis zum 11. November 1996 komplett geschlossen werden. Neben der grundlegenden Sanierung der Brücken und Viaduktbögen wurde auch der Bahnsteig mit all seinen Aufbauten einer umfassenden Verjüngerungskur unterzogen. Zudem wurde auch der 1945 geschlossene Nordzugang wieder seiner Nutzung zugeführt. Südlich der Station baute die DB AG eine sogenannte Überleitstelle ein, auf der die S-Bahnzüge das Streckengleis wechseln können. Im alten unsanierten Zustand der Stadtbahn gab es die jeweils nächste Möglichkeit eines Gleiswechsels nur nördlich des S-Bahnhofes Zoologischer Garten bzw. westlich des ehemaligen Lehrter Stadtbahnhofes.

Bild: Ansicht von der Straßenkreuzung Straße des 17. Juni/Bachstraße

Der Bahnhof Tiergarten kommt ohne ein Bahnhofsgebäude aus. Die Eingänge sind geschickt in die Stadtbahnbögen integriert worden.
Blick von der Straßenkreuzung Straße des 17. Juni/Bachstraße (Juli 2005).

Immer mittendrin und meistens geschlossen: von 1996 bis 2003 und im Jahr 2006 fand auf der südlich des S-Bahnhofes verlaufenden Straße des 17. Juni die Loveparade statt. Vom 7. - 13. Juli 1997 benannte die S-Bahn Berlin GmbH die Station zu Ehren des Technofestes in Rave Garden um. Die günstige Lage zur Parade wurde dem S-Bahnhof jedoch zum Verhängnis. Da ein Teil der Technojünger lieber auf dem Bahnsteig feierten und wegen Stauungen auch die Menschen nicht auf die Straße des 17. Juni kamen, brach zeitweise der S-Bahnverkehr zusammen. Abhilfe brachte schließlich ab 1998 die vorübergehende Schließung der Station. Ein Jahr später bis zum Weggang der Loveparade aus Berlin blieb der S-Bahnhof am jeweiligen Tag des Musikumzuges komplett geschlossen.

Für den nächsten Textabsatz vorausgehend noch eine kleine Erklärung. In unseren Bahnhofstexten schreiben wir je nachdem mal S-Bahnhof, mal Bahnhof, mal Station oder auch mal Haltepunkt bzw. Haltestelle. Diesen einzelnen Worten ist nur eines in diesem Zusammenhang gemeinsam: sie umschreiben das jeweilige Objekt. Für den Eisenbahner hingegen ist es ein betrieblicher Unterschied, ob eine Station ein Bahnhof oder ein Haltepunkt ist. Je nach Status greifen dann unterschiedliche betriebliche Regeln und Vorschriften. Soviel vorweg, denn am 19. Juli 2009 änderte sich der betriebliche Status der Haltestelle Tiergarten mit der nordöstlich gelegenen, gleichnamigen Überleitstelle in einen Bahnhof. Nach den entsprechenden Umbauarbeiten an den Signalen sowie der Anpassung der Software im elektronischen Stellwerk ist die Station nun ein vollwertiger Bahnhof.

Zoologischer Garten Bellevue

Autor:
Mike Straschewski

Quellen und weiterführende Buchtipps:
Berlins S-Bahnhöfe; Jürgen Meyer-Kronthaler/Wolfgang Kramer, be.bra Verlag, 1998
[1] Die Berliner Stadt-Eisenbahn; ohne Autor; Zeitschrift für Bauwesen; Seite 469 ff; 1885
[2] ebenda, Seite 471
[3] Die Verstärkung der Stadtbahn; Böttcher; Verkehrstechnische Woche Heft 5 vom 3.2.1932
[4] Der Ausbau der Berliner Ost-West-Achse vom Brandenburger Tor bis zum Mussolini-Platz; Langer; Zentralblatt der Bauverwaltung, Heft 47/48 vom 25.11.1939
Die Bauwerke der Berliner S-Bahn: Die Stadtbahn; Schmidt, Eilhardt; Verlag Volker Spiess GmbH, Berlin; 1984
Berlin und seine Bauten; Band7: Eisenbahn, 1896

weiterführende Links:
Der Bahnhof bei Google Maps

Veröffentlichung:
3. Januar 2010


letzte Änderung des Textes: 21. Juli 2013

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