zurück zur Einleitungsseite | Die Olympia- und Serien-Bankierzüge |
Die Bauart 1934
Im Jahre 1933 errechnete die Reichsbahndirektion (Rbd) Berlin für den während der Olympischen Sommerspiele 1936 in Berlin zu erwartenden Massenverkehr einen Bedarf von zusätzlichen 40 S-Bahn-Viertelzügen. Um diese rechtzeitig einsetzen zu können, sollte zunächst ein Probezug aus vier Viertelzügen auf Grundlage der bislang modernsten Bauart 1932 a entwickelt und sofort in Betrieb genommen werden.
Die Erfahrungen dieses Testbetriebs sollten in die Fertigung der Serienzüge einfließen. Am 6. Juli 1933 erteilte die Hauptverwaltung der Deutschen Reichsbahn Gesellschaft (DRG) dem Reichsbahn-Zentralamt für Maschinenbau in Berlin den Auftrag zum Entwurf von acht leicht unterschiedlichen Versuchswagen (vier Trieb- und vier Steuerwagen). Dabei legte man großen Wert auf innovative Fahrzeugtechnik:
Der ET 125 001 war für 120 km/h zugelassen.
Der Probezug war für den Einsatz auf der seit 15. Mai 1933 elektrifizierten Strecke Berlin Potsdamer Fernbahnhof-Wannsee bestimmt, die er bis Zehlendorf Mitte (ab 1938 Zehlendorf) ohne Halt durchfahren sollte, um dort erst von den Ferngleisen auf die Vorortgleise überzugehen. Dampfzüge fuhren diesen Expreßverkehr bereits seit 1903 für die gutbetuchte Kundschaft, die im vornehmen Berliner Südwesten wohnte und tagsüber in das Geschäftszentrum - Potsdamer und Leipziger Platz, Unter den Linden - eilte, weshalb der Volksmund für das Verkehrsmittel den Namen "Bankierzüge" fand.
Fahrten mit Zügen der Bauart Wannseebahn auf der Bankierstrecke Potsdamer Fernbahnhof-Zehlendorf hatten gezeigt, daß bei längeren Bahnhofabständen schon mit üblichen Zügen Geschwindigkeiten von bis zu 95 Kilometern pro Stunde erreichbar waren. Um den Fahrplan der Fernzüge auf der Strecke Berlin-Potsdam-Magdeburg nicht zu stören, gab es Überlegungen, die höhere Geschwindigkeit durch Motorisierung der zunächst vorgesehenen Steuerwagen zu erreichen. Dieser Gedanke wurde jedoch nicht weiter verfolgt; man entwickelte Beiwagen.
Im Jahr 1935 lieferten die Firma Orenstein & Koppel vier Triebwagen, die Firma Wegmann vier Beiwagen der neuen Generation. Die Triebwagen unterschieden sich von allen zuvor gebauten S-Bahnwagen vor allem durch die abgeschrägte und abgerundete Stirnfront. Die bisher typischen Oberwagenlaternen ("Owalas") waren zugunsten einer Anordnung der Spitzen- und Schlußsignallampen unter den Frontfenstern entfallen. Den Führerstand konnte das Personal durch eine linksseitig angebrachte Drehtür direkt vom Bahnsteig aus betreten. Der Kasten für das Zielschild war nunmehr versenkt angeordnet.
Der Innenraum der 2. Klasse des 6308 (EB 125 001) mit Soffitten-Balkenbeleuchtung.
Verglichen mit denen der Bauart 1932 a waren die in geschweißter Stahlbauweise hergestellten Wagenkästen der Trieb- und Beiwagen noch länger. An den Führerstandsenden hatte man sie über das Untergestell weiter hinaus gebaut und die Scharfenbergkupplung (Schaku) in die Stirnseite einbezogen, wodurch die Abstände zwischen den Wagen verringert wurden, die Zuglänge jedoch unverändert blieb. Mit dem gewonnenen Raum ließen sich der Führerstand, die Einstiegsräume in der dritten Klasse sowie die Abteile in der zweiten Klasse wirkungsvoll vergrößern. Insgesamt fiel mehr Licht in die Wagen: Schmalere Säulen ermöglichten breitere Fenster, und Tür- wie Führerstandsfenster setzten unmittelbar über dem schwarzen Mittelgurtband an.
Im Grundriß glichen die Wagen noch weitgehend der zuvor gelieferten Bauart Wannsee: sowohl im Triebwagen mit geschlossener Wand zwischen Dienst- bzw. Traglastenabteil und Fahrgastraum, als auch im Beiwagen mit einer Durchgangstür zwischen zweiter und dritter Klasse. Allerdings war die Tür vom Dienstabteil zum Führerstand nicht mehr in der Mitte, sondern links auf der Schaffnerseite angeordnet.
Wie die bisherigen S-Bahnwagen hatte auch der Probezug noch Fenster in den Stirnwänden. Durch Verzicht auf die bis an die Decke reichenden Haltestangen und die an den Längswänden angebrachten Gepäcknetze wurde die Raumwirkung - wie beim Versuchszug der Bauart 1932 a - deutlich verbessert.
Der Innenraum der 3. Klasse des 6308 (EB 125 001).
Die Industrie nutzte den Probezug für verschiedene Innovationen des künftigen S-Bahnbetriebs. Sie testete unterschiedliche Beleuchtungs-, Heizungs- und Belüftungssysteme - Perlketten- und Soffittenbeleuchtung, Normal- und Warmluftheizung, Sauglüftung und kombinierte Lüftung.
Zwei Viertelzüge besaßen neuartige Drehgestelle in der sogenannten amerikanischer Bauart mit 2500 Millimetern Achsstand (bis 1938 gegen Regelbauart getauscht).
Als sich Anfang bis Mitte der 30er Jahre Fahrgastbeschwerden über den unruhigen Lauf von Stadtbahnwagen gehäuft hatten, mußte die Deutsche Reichsbahn reagieren. Sie zog sogar das Abstellen aller S-Bahnwagen in Erwägung, rüstete dann aber in einer großangelegten Aktion ihre S-Bahn-Viertelzüge mit Dämpfungspuffern an den Kurzkupplungsenden aus. Das Schlingern auf gerader Strecke war gemildert, Schienen und Fahrzeuge vor großem Verschleiß und Schäden geschützt. Beim Probezug gehörten die Dämpfungspuffer von Anfang an zur Ausstattung.
Maßzeichnung eines C4 esT - 34
Maßzeichnung eines BC4 es - 34
Nach langer Erprobung - ein Halbzug weilte auch auf der Ausstellung zum 100jährigen Jubiläum der deutschen Eisenbahnen 1935 in Nürnberg - wurde der Probezug komplett erst 1936 in Dienst gestellt. Mit einer geänderten Getriebeübersetzung erreichte der Zug eine Höchstgeschwindigkeit von sogar 120 statt 110 Kilometer pro Stunde.
1988 stellte die Deutsche Reichsbahn den Probezug nach Erreichen der Laufgrenze ab und musterte ihn im März 1989 aus, weshalb er nie in die spätere Baureihe 477/877 eingeordnet wurde. Ein Umbau schien wegen der abweichenden Maße, insbesondere der Drehzapfenabstände, nicht vertretbar. Zwei der vier Probeviertelzüge sind erhalten geblieben.
Wagennummer bei Anlieferung | 3796 | 6308 | 3797 | 6306 | 3798 | 6309 | 3799 | 6307 |
... ab 1936 | 4501 | 6501 | 4502 | 6502 | 4503 | 6503 | 4504 | 8504 |
... ab 1938 | 8501 | 8502 | 8503 | 8504 | ||||
... ab 1942 | ET 125 001 | EB 125 001 | ET 125 002 | EB 125 002 | ET 125 003 | EB 125 033 | ET 125 004 | EB 125 004 |
Drehgestell | amerikanisch | Regelbauart | amerikanisch | Regelbauart | ||||
Achsstand | 2500 mm | 2500 mm | 2500 mm | 2500 mm | ||||
Beleuchtung | Sofitte | Sofitte | Perlketten | Perlketten | Sofitte | Sofitte | Perlketten | Perlketten |
Heizung/Belüftung | Normalheizung und Sauglüftung | Normalheizung und Sauglüftung | Warmluftheizung mit kombinierter Lüftung | Warmluftheizung mit kombinierter Lüftung | ||||
Masse in t | 41,5 | 31,9 | 39,6 | ca. 32,2 | 41,8 | 32,1 | 39,5 | ca. 32,2 |
Eingang im Raw Sw 1 | 29. Mai 1935 | 29. Mai 1935 | 6. Juli 1935 | 6. Juli 1935 | ||||
Abnahme | 14. Februar 1936 | 18. Oktober 1935 | 18. Oktober 1935 | 18. Oktober 1935 | ||||
Verbleib | Deutsches Technikmuseum (Monumentenhalle) | verschrottet | Eigentum Historische S-Bahn e.V. |
verschrottet |
Daten des Probezuges der Bauart 1934
zurück zur Einleitungsseite | Die Olympia- und Serien-Bankierzüge |
letzte Änderung:
26. Oktober 2008
Veröffentlichung:
26. Oktober 2008