telegrafisches Kurzzeichen: | BYOR, vormals Yor |
eröffnet: | 1. Mai 1903 |
elektrischer Betrieb (550 Volt) seit: | 4. Juni 1903 |
elektrischer Betrieb (750 Volt) seit: | 2. Juli 1929 |
Station liegt an der | Dresdener Bahn |
Südkreuz (Vorortbahn) | Anhalter Bahnhof |
Wenn man heutzutage Sachen, Orte oder Personen vorstellt, versucht der Autor möglichst mit Superlativen zu arbeiten, um auf eine mehr oder weniger vorhandene Besonderheit aufmerksam zu machen: Kult, toll, Weltstar oder eben auch super. Für diesen Bahnhof schlagen wir vor: schmal.
Und das ist noch nicht mal erfunden: Yorckstraße hat den schmalsten Mittelbahnsteig der Berliner S-Bahn - er misst im Aufgangsbereich gerade mal 6 Meter in der Breite. Rechnet man noch die Bahnsteigdachstützen hinzu (bzw. ab), so ist noch weniger Platz vorhanden. Diese Dachstützen wirken bei genauerem Hinsehen auch leicht disproportioniert - im Gegensatz zu anderen Stationen stehen hier die Stützen tiefer im Bahnsteig. Und das lässt sich mit der Geschichte des Bahnhofes ganz leicht erklären:
Aufsichtsgebäude und eingebaute Dachstützen (9. Oktober 2007).
Schon am 1. Mai 1903 wurde der Bahnhof eröffnet (damals noch als Yorkstraße ohne "c"). Er lag an der 1901 eröffneten Versuchsstrecke vom Potsdamer Ringbahnhof (heute nicht mehr vorhanden) nach Lichterfelde Ost. Dieser Probebetrieb mit 550 Volt Gleichspannung darf als Vorläufer des heutigen S-Bahnverkehrs gelten. Hielten anfangs hier nur die Dampfzüge von und nach Zossen, begann am 4. Juni 1903 der elektrische Probebetrieb, der dann schon am 15. Juli 1903 in den ständigen elektrischen Betrieb überging. Somit darf sich diese Station mit zu den dienstältesten "elektrischen" Bahnhöfen zählen. Das Bahnhofsgebäude musste aufgrund des wenig vorhandenen Platzes in die Bahnsteigböschung hinein gebaut werden.
Die Erfahrungen aus dem Probebetrieb halfen entscheidend beim Aufbau des elektrischen S-Bahnverkehrs, so wie wir ihn heute kennen. Am 2. Juli 1929 wurde Yorckstraße auf das heutige Stromsystem mit 750 Volt Gleichstrom umgestellt. Gleichzeitig wurde die Bahnsteighöhe von 76 Zentimeter auf 96 Zentimeter erhöht. Die Bahnsteigdachstützen beließ man ihrer Stelle, man schüttete einfach nur Sand und brachte kleine Pflastersteine als Belag auf. Somit lässt sich die Disproportion der Stützen erklären.
Sieht man von einer knapp viermonatigen kriegsbedingten Einstellung des elektrischen Zugbetriebes ab, darf man mit Fug und Recht behaupten: Über 100 Jahre elektrisch.
Auch unter der Regie der BVG blieb der Bahnhof weiterhin in Betrieb:
BR 275 im Umlauf S2-9 auf dem Weg nach Lichtenrade (1986).
Seit dem 29. Januar 1971 ist Yorckstraße auch Umsteigestation zur U-Bahnlinie H (heutige U7). Für umsteigende Fahrgäste wurde im Dezember 1985 eine behelfsmäßige Fußgängerbrücke aufgebaut, die bis heute Bestand hat. Somit hat die Station wieder etwas gemeinsam mit ihrem ca. 275 Meter entfernten Namensvetter an der Nordsüd-S-Bahn - denn Provisorien halten ja bekanntlich länger.
Wer heute auf dem Bahnsteig steht und durch die Bäume Richtung Osten schaut, wird den sehr breiten Bahngraben bemerken. Befand sich doch hier im letzten Jahrhundert eine der größten Berliner Bahnanlagen. Wo heute nur noch vier Fernbahngleise zu dem im Jahre 2006 eingeweihten Nord-Süd-Fernbahntunnel befahren werden, befanden sich einst die umfangreichen Gleisanlagen des Anhalter Personen- und Güterbahnhofes. Was für ein Gegensatz zum heutigen Zustand.
Auch die am Bahnhof vorbeiführende Yorckstraße hat etwas Einzigartiges vorzuweisen: Hier war einmal die größte Brückendichte Europas - 27 an der Zahl. Die S-Bahn benutzt bis zum heutigen Tag die 6. und 7. Brücke dieses ehemaligen Ensembles (oder die 21. und 22. Brücke - je nachdem, von wo man anfängt zu zählen). Die restlichen Brücken wurden teilweise durch Neubauten ersetzt, ein Teil fehlt schon, der Rest ist in einem beklagenswertem Zustand - trotz Denkmalschutz.
Südkreuz (Vorortbahn) | Anhalter Bahnhof |
Autor:
Mike Straschewski
Quellen und weiterführende Buchtipps:
Berlins S-Bahnhöfe; Jürgen Meyer-Kronthaler/Wolfgang Kramer, be.bra Verlag, 1998
weiterführende Links:
Der Bahnhof bei Google Maps
Veröffentlichung:
26. Oktober 2008
letzte Änderung des Textes: 12. Mai 2008