Die Baureihe 168 - Bauart 1925 (Oranienburg)

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Die Entwicklung

Die bevorstehende Elektrifizierung der Strecke nach Oranienburg machte die Beschaffung von neuen Fahrzeugen erforderlich. Grundsätzlich hatte sich die neue Traktionsart bewährt, jedoch einige der negativen Erfahrungen aus dem Betriebsalltag der Versuchszüge und der Bauart 1924 (Bernau) veranlassten die Deutsche Reichsbahn Gesellschaft (DRG) dazu, im Jahre 1925 ein völlig neues Zugkonzept in Auftrag zu geben. Das bis dato bestehende Antriebskonzept, es wurde nur ein Drehgestell je Triebwagen angetrieben, sollte dahingehend geändert werden, dass beide Drehgestelle des Triebwagens über je einen Antrieb verfügten. Es sollte aber die gleiche Antriebsleistung erhalten bleiben.
Durch das neue Antriebskonzept wurde bei gleicher Antriebsleistung eines Halbzuges folgende Wirkung erzielt:

Erstmals wurde bei dieser Bauart das Zugkonzept Viertelzug entwickelt, der aus einem Trieb- und Steuerwagen besteht. Man versprach sich von dieser Zugbildung einen flexibleren Einsatz und eine Anpassung der Zugbildung an die Verkehrszeiten. Aus diesen Viertelzügen konnten Halb-, Dreiviertel- oder Vollzüge gebildet werden. Dieses Zugbildungskonzept ist bis heute gültig.

Bild: Berlin 5152

Ansicht des Steuerwagens 5152 (später ES 168 021).
Das Fahrzeug wurde 1964, zusammen mit seinem Triebwagen, in ein U-Bahnfahrzeug der Bauart EIII umgebaut.

Auf dieser 1925 entwickelten Grundlage der Waggonfabrik Görlitz wurden 50 Viertelzüge gebaut. Der Bau erfolgte in 14 Waggonfabriken innerhalb der damaligen Grenzen Deutschlands. Es waren folgende Firmen beteiligt:

Die Wagenkästen

Die Trieb- und Steuerwagen unterschieden sich äußerlich nicht mehr. Beide Wagen hatten eine Länge von 17.980 mm über Kupplung und eine Fahrzeugbreite von 3.100 mm. Die Wagenhöhe über Schienenoberkante betrug 3.620 mm. Jeder Wagen besaß zwei Drehgestelle, von denen die Achsen im Triebwagen alle angetrieben waren. Jede Wagenseite besaß nun vier Doppelschiebetüren mit einer lichten Weite von 920 mm. Die Belüftung erfolgte über auf dem Dach angebrachte Wendlersauger. Als Spitzenlampen waren unterhalb der seitlichen Führerstandsfenster zwei Lampen installiert. Der Zugschluss erfolgte über auf dem Dach angebrachte Laternen mit rotem Licht. Wie auch die Versuchszüge und die Fahrzeuge der Bauart 1924 wurden alle Wagen in grün ausgeliefert. Die Fahrzeuge wurden mittels einer Scharfenbergkupplung verbunden, die auch gleichzeitig die Druckluftleitungen kuppelte.

Der Fahrgastraum

Die Fahrgasträume von Trieb- und Steuerwagen hatten eine unterschiedliche Ausstattung. Im Triebwagen befand sich direkt hinter dem Führerstand ein kleines Abteil, das für die Beförderung von Fahrrädern, Kinderwagen und Traglasten vorgesehen war. Die Sitze in diesem Abteil waren in Längsrichtung angebracht. Eine Wand mit Schiebetür trennte dieses Abteil vom restlichen Fahrgastraum. Zwei weitere kleine Sitzbänke befanden sich direkt hinter der Führerstandswand und waren quer angeordnet. Zwischen diesen beiden Bänken befand sich der Zugang zum Führerstand. Im weiteren Fahrgastraum des Triebwagens wurden 32 Sitzplätze in Querrichtung angeordnet. Diese Ausstattung mit Holzsitzen entsprach der damaligen 3. Klasse.

Bild: Sitzanordnung BR 168

Die Sitzanordnung der BR 168 im Auslieferungszustand.

Der Steuerwagen hatte kein Traglastenabteil, somit begann direkt hinter dem Führerstand der Fahrgastraum. Anders als beim Triebwagen war der Steuerwagen in 2. und 3. Klasse unterteilt. Die 2. Klasse befand sich direkt hinter dem Führerstand und hatte 28 gepolsterte Sitzplätze. Im hinteren Teil des Steuerwagens befand sich die 3. Klasse - analog dem Triebwagen mit Holzsitzen ausgestattet. Beide Bereiche wurden durch eine große Trennwand mit Drehtür in der Mitte unterteilt. Die Beleuchtung der Wagen erfolgte mittels kunstvoll verzierten Lampen.

Die technische Ausrüstung

Die Fahrmotoren wurden durch Zu- bzw. Abschaltung von Widerständen, gesteuert mittels eines mehrstufigen Schaltwerks, paarweise in Reihen-/Parallelschaltung an Spannung gelegt. Der Fahrvorgang erfolgte durch Betätigung des Totmannknopfes. Als Bremse wurde je Wagen die mehrlösige Kunze-Knorr-Bremse (Kkpbr) eingesetzt.
Die Beleuchtung der Wagen erfolgte ebenfalls mit der Fahrspannung von 750 Volt. Dabei waren jeweils fünf Glühlampen in Reihe unter Vorschaltung eines Lichtreglers geschaltet. Diese Lichtschalter befanden sich an den Wagenlängsseiten.

Die ersten Jahre

Die Auslieferung der Fahrzeuge erfolgte ab dem Jahreswechsel 1925/26 zum Reichsbahnausbesserungswerk (Raw) Berlin-Tempelhof. Dieses wurde allein schon wegen dem Umstand ausgewählt, da es auch den elektrischen Wagen der Lichterfelder Bahn als Heimat-Raw diente. In Tempelhof erfolgte die Komplettierung der elektrischen Ausrüstung durch die zuliefernden Elektrofirmen.
Genaue Indienststellungsdaten sind heute nicht mehr recherchierbar. Erst mit der Inbetriebnahme des Raw Berlin-Schöneweide am 15. Oktober 1927 als neue Heimat der elektrischen S-Bahn-Wagen wurden die Vorläufer der heutigen Betriebsbücher, die so genannten Karteikarten angelegt. Eine Eintragung der Inbetriebnahmedaten fand jedoch nicht statt. Am 30. Juni 1928 verließ der Viertelzug 2160/5174 (ab 1942 als ET/EB 168 043 bezeichnet) als erster seiner Bauart die neu errichteten Hallen des Raw Berlin-Schöneweide in den Farben des Stadtbahners.

Bild: Bauarbeiten Nordsüd-S-Bahntunnel

Bis in die 50er Jahre fuhr die die Bauart Oranienburg neben den Bauarten Stadtbahn und Wannseebahn auf der Nordsüd-S-Bahn.
Für ihre Tunneltauglichkeit hatte die Reichsbahn die Wendlerlüfter nach außen gesetzt - wie bei diesem Zug, hier aufgenommen kurz vor Inbetriebnahme der Nordsüd-S-Bahn bei der Einfahrt in den Stettiner Vorortbahnhof (um 1936).

Da die Bahnsteighöhe damals niedriger als die heute üblichen 960 mm über Schienenoberkante war, wurden die Handgriffe für die Einstiegstüren auf der Außenseite niedriger angebaut. Dies wurde im Jahre 1934 dahingehend geändert, dass man diese Griffe etwas höher setzte und somit dem Bahnsteigniveau angleichte. Ab Dezember 1935 mussten sich alle 50 Viertelzüge einem größeren Umbau im Raw Berlin-Schöneweide unterziehen. Im Rahmen dieser Arbeiten wurden die Züge für den Einsatz in dem neu gebauten Nordsüd-S-Bahn-Tunnel und dem damit neuem Lichtraumprofil angepasst.

Zu diesen sechs Monate langen Umbau gehörten:

Ihr Einsatz erfolgte in den ersten Jahren auf den Strecken zwischen dem Stettiner Vorortbahnhof und Bernau, Oranienburg bzw. Velten. Nachdem die DRG die Wendlerlüfter an die äußeren Dachseiten gesetzt hatte, konnten die Fahrzeuge auch in den am 27. Juli 1936 eröffneten Nordsüd-S-Bahntunnel einfahren. Später setzte man die Fahrzeuge in die S-Bahnbetriebswerke Papestraße und Westend um, von denen aus sie größtenteils die Ringbahn befuhren.

Bild: ET 168 im Bw Par

Ein unbekannt gebliebener Zug wartet im Umlauf KI-5 auf seinen nächsten Einsatz.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden vorübergehend alle verbliebenen Fahrzeuge der BR 168 im S-Bw Papestraße stationiert.

Kurz nach der Eröffnung des Nordsüd-S-Bahntunnels standen ab dem 1. August die XI. Olympischen Sommerspiele an. Aufgrund der hohen Fahrgastzahlen setzte die DRG jedes Fahrzeug ein, daß keine größeren Schäden aufwies. In den Hallen des Raw Schöneweide, dort, wo sonst alle Reparaturstände voll belegt waren, herrschte bis auf wenige unfallbeschädigte Wagen gähnende Leere. Das änderte sich erst wieder nach dem Ende der Spiele.
Insbesondere bei der Bauart 1925 hatte die Ausstattung der 2. Klasse gelitten. Hier zeigte sich deutlich, dass die später gelieferte Bauart Stadtbahn wesentlich robuster war. Aus diesem untragbaren Umstand heraus entschloss sich die DRG zu einem Umbauprogramm durch die Firma Wegmann in Kassel.

Von den 50 Viertelzügen wurde zunächst bei 17 Wagen das 2. Klasse-Abteil dem Standard der Bauart Stadtbahn angepasst. Betroffen waren die Beiwagen mit den späteren Wagennummern EB 168 003 bis EB 168 019. Bei weiteren 31 Beiwagen erfolgte der Umbau dahingehend, dass die 2. Klasse gegen ein 3. Klasse-Abteil ersetzt wurde. Davon betroffen waren die Wagen mit den späteren Nummern EB 168 020 bis EB 168 050. Die Beiwagen EB 168 001 und EB 168 002 baute das Raw Berlin-Schöneweide selber erst im September bzw. Oktober 1942 analog zu den Beiwagen EB 168 003 bis EB 168 019 um. Um die erhöhte Anzahl von 3. Klasse-Abteilen wieder auszugleichen, wurden zeitgleich 33 Beiwagen der Bauart Stadtbahn in 2./3. Klasse Wagen umgebaut. Diese waren auf Wunsch der DRG als reine 3. Klasse-Wagen ausgeliefert wurden.


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