Die Anhalter Bahn


Bei Baubeginn der Anhalter Bahn im Jahr 1839 dachte noch kein Mensch an einen Vorortverkehr für die neben der Strecke liegenden Dörfer wie Schöneberg, Tempelhof, Steglitz, Lankwitz, Lichterfelde, Giesensdorf und Teltow. Die Anhalter Bahn war als Fernverbindung in Richtung Sachsen-Anhalt geplant, mit Anschluss in Köthen an die sich ebenfalls im Bau befindliche Magdeburger - Leipziger Eisenbahn. Das erste Teilstück zwischen Dessau und Köthen wurde im September 1840 eröffnet. Das zweite Teilstück zwischen Berlin und Jüterbog folgte am 1. Juli 1841. Schon am 10. September 1841 war die komplette 153 Kilometer lange Strecke zwischen Berlin und Köthen durchgängig befahrbar.

Die damals noch eingleisige Strecke begann in Berlin am Askanischen Platz in einem neu gebauten Kopfbahnhof - sein Name: Anhalter Bahnhof. Er lag in nicht allzu weiter Entfernung vom 1838 eröffneten Potsdamer Bahnhof. Der Personenverkehr hatte den ersten Halt in Trebbin, wobei für den Güterverkehr schon in Großbeeren und Ludwigsfelde gehalten wurde. Weitere Bahnhöfe an der Strecke bei Eröffnung lagen in Luckenwalde, Jüterbog, Zahna, Wittenberg, Coswig, Rosslau, Dessau und Köthen. Im Jahr 1849 war die Strecke zwischen Berlin und Großbeeren schon zweigleisig befahrbar.

Bild: Bahnhof Südende

Empfangsgebäude und Überführung an der Steglitzer Straße (heute Steglitzer Damm).
Repro aus: Zentralblatt der Bauverwaltung.

Mit der Eröffnung des Haltepunktes Lichterfelde am 20. September 1868 bekam die Anhalter Bahn die erste Zwischenstation auf jetzigem Berliner Raum. Der echte Vorortverkehr begann 1876, als Extrazüge nur zwischen Berlin und Lichterfelde-Ost pendelten. 1880 folgten die Stationen Südende (ab 1882 Südende-Lankwitz), Lankwitz und im Jahr 1893 Lichterfelde-Süd.

Nachdem schon 1880 wegen des zunehmenden Fernverkehrs der Anhalter Bahnhof umgebaut wurde, begannen im Jahr 1895 Überlegungen, den Vorortverkehr vom Fernverkehr zu trennen. Im Jahr 1898 begann man mit den ersten Umbauten im Raum Lankwitz und Lichterfelde. Da am Anhalter Bahnhof schon wieder Platzprobleme herrschten, entschloss man sich, den Vorortverkehr zum Potsdamer Bahnhof zu verlegen. Dort hatte die Ringbahn mit ihrer Spitzkehre schon seit 1881, sowie ab 1891 die Wannseebahn einen eigenen Bahnhof. Am 1. Dezember 1901 wurde dann der Betrieb auf den unabhängigen 9,32 Kilometer langen Vorortgleisen zwischen dem Potsdamer Ring-/Vorortbahnhof und Lichterfelde-Ost aufgenommen, jetzt mit einem zusätzlichen Halt an der Kreuzung der Ringbahn, dem Bahnhof Papestraße. Im Jahr 1903 kam noch der Bahnhof Yorckstraße hinzu.

Die Fernbahn hielt im Berliner Raum jetzt nur noch in Lichterfelde-Ost und Lichterfelde-Süd sowie am neu gebauten Bahnhof Teltow. Schon beim Bau der getrennten Vorortgleise hatte man Überlegungen angestellt, hier eine Versuchsstrecke für elektrisch betriebene Züge zu betreiben. Nach ersten Versuchen auf der Wannseebahn sollte auf der Anhalter Bahn ein elektrischer Vorortverkehr durchgeführt werden. Am 4. Juni 1903 begann man einen Probebetrieb mit 550 Volt Gleichspannung angetriebenen Zügen - anfangs nur in den Nachtstunden und später auch am Tag im Mischbetrieb mit den Dampfzügen. Ab 15. Juli 1903 waren auf der Vorortstrecke nach Lichterfelde nur noch elektrische Triebwagen unterwegs. Nur auf dem mit der Dresdener Bahn parallel laufenden Abschnitt zwischen Potsdamer Vorortbahnhof und dem Abzweig Zga (Zossener Gabelung) bei Südende gab es einen Mischbetrieb mit den weiterhin dampfbetriebenen Vorortzügen nach Zossen.

Bild: Bahnhofsgebäude Lankwitz

Bahnhofsgebäude Lankwitz.
Repro aus: Zentralblatt der Bauverwaltung.

In den Jahren 1915/16 wurde die Anhalter Bahn weiter ausgebaut, und im Bereich vom Bahnhof Groß-Lichterfelde Ost, der gleichzeitig umgebaut wurde, in Dammlage gebracht. Bei der Erweiterung des Rangierbahnhofes Tempelhof wurden auch die Gleisanlagen der Anhalter- / Dresdener Bahn in diesem Bereich neu trassiert. Die damalige Abzweigstelle der Anhalter Bahn von der bis hier parallel mitlaufenden Dresdener Bahn wurde verlegt und dabei im Jahr 1928 gleich der Bahnhof Priesterweg eröffnet, an dem sich die Anhalter- und die Dresdener Vorortbahn verzweigen.

Am 2. Juli 1929 stellte man auf der Anhalter Vorortbahn den elektrischen Betrieb auf 800 Volt Gleichspannung um, mit dem inzwischen schon auf anderen Vorortstrecken gefahren wurde. Damit hielt die "richtige" S-Bahn Einzug auf der Anhalter Bahn.
Nach Fertigstellung des Nordsüd-S-Bahntunnels ging die Zeit der Vorortbahn am 6. September 1939 zu Ende. Die Züge fuhren jetzt nicht mehr zum Potsdamer Vorortbahnhof, sondern durch den Tunnel über den neu entstandenen S-Bahnhof Anhalter Bahnhof bis nach Bernau. So entstand eine echte Nord-Süd-Verbindung. Die Fernbahn fuhr weiterhin vom Anhalter Fernbahnhof.
Die Vorortstrecke wurde am 9. August 1943 bis nach Ludwigsfelde verlängert, wobei bis Lichterfelde-Süd elektrisch gefahren wurde. Von dort fuhren weiterhin Dampfzüge ins Umland.

Der Zweite Weltkrieg stoppte weitere Pläne zum Ausbau der S-Bahn. Im April 1945 wurde der Verkehr auf der Anhalter Bahn eingestellt. Die Zerstörung der Teltowkanalbrücke und der Abbau des zweiten Gleises durch Reparationsleistungen führten am Anfang zu einem Notbetrieb auf der Anhalter Bahn. Erst im August 1945 konnte wieder der durchgängige S-Bahnbetrieb von Yorckstraße bis Lichterfelde-Süd sowie der Fernbahnverkehr zwischen Berlin und Jüterbog aufgenommen werden. Am 24. Dezember 1945 folgte der Dampfbetrieb zwischen Lichterfelde-Süd und Ludwigsfelde. Einen bis Bernau/Buch durchgehenden S-Bahnverkehr gab es aufgrund der Zerstörungen und Reparaturen des Nordsüd-S-Bahntunnels erst wieder ab November 1947.

Bild: Stellwerk Lmt

Ein Halbzug der BR 275 im Umlauf NII 1 verläßt den Bahnhof Lichterfelde Ost und passiert dabei das Stellwerk Lmt (1983).

Bild: letzter Betriebstag

Letzter S-Bahnbetriebstag in Lichterfelde Süd: einen Tag vor der Stillegung ist nochmal richtig was los (8. Januar 1984).

Am 7. Juli 1951 erfolgte die Elektrifizierung des Abschnitts Lichterfelde-Süd - Teltow, die Dampfzüge nach Ludwigsfelde wurden bis hierhin zurückgezogen. Eine angedachte Verlängerung der S-Bahn über Großbeeren nach Ludwigsfelde kam nie zur Ausführung, der dafür vorgesehene Bahndamm wurde jedoch schon vor dem Krieg bis Großbeeren angelegt.

Durch die politische Entwicklung verlor die Anhalter Bahn am 18. Mai 1952 den Fernverkehr. Der Anhalter Bahnhof wurde geschlossen, während die Fernbahn auf den Außenring Richtung Ostberlin geleitet wurde. Nach und nach wurden die Gleise der Fernbahn abgebaut.
Mit dem Bau der Mauer am 13. August 1961 wurde der S-Bahnverkehr zwischen Lichterfelde-Süd und Teltow unterbrochen. Das war gleichzeitig auch der Niedergang der S-Bahn im Westen Berlins. Die S-Bahn fuhr jetzt nur noch zwischen Gesundbrunnen und Lichterfelde-Süd. Im 2. Quartal 1972 verkehrten die Züge zwischen Heiligensee/Schönholz und Lichterfelde-Süd.

Als man bei der Übernahme der S-Bahn durch die BVG endlich Hoffnung auf eine Besserung hatte, wurde als erstes am 9. Januar 1984 unter anderem auch die Strecke Priesterweg - Lichterfelde-Süd stillgelegt. So waren auf der Anhalter Bahn die S-Bahnzüge nur noch auf dem mit der ehemaligen Dresdener Vorortbahn gemeinsam geführten Abschnitt zwischen Anhalter Bahnhof und Priesterweg unterwegs. Ein Bürgerbegehren im März/April 1986 zur Wiedereröffnung der S-Bahnstrecke nach Lichterfelde Ost/Süd hatte kein Erfolg, brachte die stillgelegte Strecke aber zumindest wieder ins Gespräch. Nun kamen von den verkehrspolitisch Verantwortlichen "sinnvolle" Vorschläge, wie Spurbusse oder die U-Bahn, verlängert von Rathaus Steglitz, auf einen Teilabschnitt der alten Trasse fahren zu lassen.

Erst die politische Wende 1989 brachte neue Hoffnung für die stillgelegte Anhalter Bahn. Nun wurden wieder ernsthafte Überlegungen durchgeführt, die eine Reaktivierung der S-Bahn sowie auch der Fernbahn im Sinne hatten.

Bild: nahe Südende

Wenn Strecken stillgelegt werden, holt sich Mutter Natur sehr schnell ihr Terrain zurück (bei Südende, 1988).

Im Jahr 1993 begann man mit der Instandsetzung der S-Bahnstrecke von Priesterweg bis Lichterfelde Ost. Am 28. Mai 1995 wurde dieses 4,13 Kilometer lange Teilstück wieder in Betrieb genommen, wobei der Abschnitt zwischen Südende und Lankwitz wegen der Brücke über den Teltowkanal, dessen Ausbau noch offen war, und aus Kostengründen nur eingleisig ausgeführt wurde. Die Verlängerung nach Lichterfelde Süd, mit einem neuen Zwischenhalt an der Osdorfer Straße erfolgte am 25. September 1998. Eine Weiterführung nach Teltow war zu dieser Zeit schon angedacht.

Die Bauarbeiten zur Streckenverlängerung begannen allerdings erst am 22. Oktober 2003 mit einem Spatenstich am heutigen Bahnhof Teltow-Stadt. Entgegen früheren Zeiten führt die Trasse hinter der Stadtgrenze nicht parallel der Anhalter Bahn zum ehemaligen S-Bahnhof Teltow (heutiger Regionalbahnhof) am östlichen Ortsrand von Teltow, sondern verschwenkt in Richtung Südwest, etwa zur Ortsmitte des Rübenstädtchens. Die am 24. Februar 2005 eröffnete Strecke wurde eingleisig ausgeführt und ist nur im neu errichteten Bahnhof Teltow-Stadt zweigleisig. Eine schon mal im Jahr 1912, und dann im Zuge der "Germania-Pläne" Ende der dreißiger Jahre, nochmals angedachte Verlängerung über Stahnsdorf zur Friedhofsbahn wird vermutlich Utopie bleiben, für die allerdings noch immer die Trasse freigehalten wird.

Bild: Regionalbahnsteig Lichterfelde Ost

Der Regionalbahnsteig Lichterfelde Ost besteht neu aus zwei Seitenbahnsteigen (21. August 2008).

Im Bereich der Fernbahn begannen im Jahr 1992 die ersten Planungen für den Streckenabschnitt Prellerweg - Stadtgrenze. Seitdem im Februar 2002 die ersten Rodungsarbeiten anfingen, gingen die Bauarbeiten Schritt für Schritt voran. Auf Brandenburger Gebiet hatte man schon zwischen 1998 und 2000 mit Gleisverlegungen bis zur Stadtgrenze begonnen, sowie den neu erbauten Regionalbahnhof Teltow errichtet. Mit der Einschaltung der Fahrspannung im Dezember 2005 (Südkreuz - Großbeeren) sowie im Februar 2006 (Südkreuz - Nordring), waren die Bauarbeiten an der neuen Fernbahn Nord-Süd-Verbindung abgeschlossen. Eröffnet wurde die Fernbahnstrecke offiziell am 27. Mai 2006. Die ersten fahrplanmäßigen Züge rollten ab 28. Mai 2008 über die Anhalter Bahn.

Mit Aufnahme des Fernverkehrs gingen auch zwei Umsteigebahnhöfe zwischen Fern- und S-Bahn an der Anhalter Bahn in Betrieb. Die ehemalige S-Bahn Umsteigestation zur Ringbahn, Papestraße wurde schrittweise zum Fernbahnhof mit dem neuen Namen Südkreuz umgebaut. Ein neu errichteter Regionalbahnhaltepunkt entstand am S-Bahnhof Lichterfelde-Ost, der schon einmal, bis zum Mai 1952, von der Fernbahn angefahren wurde.


Zur Anhalter Bahn gehören die folgenden Bahnhöfe:

Priesterweg Südende Lankwitz Lichterfelde Ost
Osdorfer Straße Lichterfelde Süd Teltow  
abzweigend von der Anhalter Bahn:
Teltow Stadt      

Autor:
Detlef Hoge

Quellen und weiterführende Buchtipps:
Berlins S-Bahnhöfe; Jürgen Meyer-Kronthaler/Wolfgang Kramer, be.bra Verlag, 1998
150 Jahre Berlin-Anhaltinische Eisenbahn, P. Bley, Alba Verlag, 1990
Anhalter Bahnhof - Entwicklung und Betrieb, R. Knothe, EK-Verlag, 1997
S-Bahn nach Teltow, div. Autoren, GVE, 1995

weiterführende Links:
Webseite: www.bsisb.de

letzte Änderung:
26. Oktober 2008

Veröffentlichung:
26. Oktober 2008

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