telegrafisches Kurzzeichen: | BPAPV, vormals Pav |
eröffnet: | 1. Dezember 1901 |
elektrischer Betrieb (550 Volt) seit: | 4. Juni 1903 |
elektrischer Betrieb (750 Volt) seit: | 2. Juli 1929 |
Betrieb am alten Bahnsteig eingestellt am: | 15. Oktober 1993 |
Betrieb am Behelfsbahnsteig aufgenommen: | 4. Oktober 1993 (Richtung Priesterweg), 18. Oktober 1993 (Richtung Yorckstraße) |
Betrieb am Behelfsbahnsteig eingestellt am: | 25. Juni 2004 |
Betrieb im neuen Bahnhof wieder aufgenommen: | 7. Juni 2004 (Richtung Priesterweg), 28. Juni 2004 (Richtung Yorckstraße) |
Bahnhof in Südkreuz umbenannt am: | 28. Mai 2006 |
Station lag an der | Dresdener Bahn |
Papestraße (Ringbahn) | |
Priesterweg | Yorckstraße |
Kommt der Reisende am heutigen Bahnhof Südkreuz an, erinnert ihn nichts mehr an den ehemaligen Bahnhof Papestraße mit seinen beiden Bahnsteigen für die Ring- und Vorortbahn. Jahrelang war der Bahnhof das Synonym für lange Umsteigewege: am 1. Januar 1901 wurde der Ringbahnsteig eröffnet, der hier zu beschreibende Vorortbahnsteig folgte am 1. Dezember 1901.
Das heute nicht mehr vorhandene Empfangsgebäude stand im spitzen Winkel der Kreuzung zwischen den Ringbahn- und den Vorortgleisen. Ein eingeschossiger Anbau beherbergte den Eingang zu beiden Bahnsteigen, ihm schloß sich die zweigeschossige Schalterhalle (mit Gepäckannahme, Fahrkartenverkauf und Toiletten) an. Weiter befanden sich in dem Gebäude Wohnräume für den Stationsvorsteher und weitere Diensträume für das Zug- und Streckenpersonal. Das Empfangsgebäude sowie die Bahnsteigtunnel bestanden aus gelbem Klinkermauerwerk.
Der Treppenabgang zum Vorortbahnsteig (23. Dezember 1983).
Von der Schalterhalle führte durch einen ebenerdigen Tunnel der Weg zum Ringbahnsteig und weiter zur General-Pape-Straße. Auch der Vorortbahnsteig wurde durch einen ca. 4 Meter breiten Tunnel erreicht. Er unterquerte die Gleise der Dresdener und Anhalter Bahn. Eine breite Treppe erschloß den ca. 10 Meter breiten Bahnsteig mittig. Auf ihm waren die damals üblichen Aufbauten vorhanden: Dienstraum für das Aufsichtspersonal, ein Warteraum und ein Toilettenhäuschen. Südlich war der Bahnhof durch eine schon 1880 erbaute Holzbrücke, die die gesamten Gleisanlagen überspannte, angeschlossen. Auf dieser Holzbrücke verlief der Tempelhofer Weg.
Die ersten Jahre bis zum Kriegsende 1945
Schon bald nach seiner Eröffnung fuhr man am Vorortbahnsteig elektrisch: am 4. Juni 1903 begann der Probebetrieb mit 550 Volt auf der Vorortstrecke vom Potsdamer Ringbahnhof nach Lichterfelde Ost. Diese Probezüge verkehrten zwischen den von Dampfloks gezogenen Zügen des Vorortverkehres. Am 6. November 1928 begann ein neues elektrisches Zeitalter: der 750 Volt Gleichstrom-Betrieb, so wie wir ihn heute kennen, hielt seinen Einzug, wenn auch vorerst nur auf den Gleisen der Ringbahn. Am östlichen Ende des Ringbahnsteiges ging sechs Tage vorher das S-Bahnbetriebswerk Papestraße in Betrieb. Das neue Stromzeitalter erreichte den Vorortbahnsteig am 2. Juli 1929, vorerst nur auf der Strecke nach Lichterfelde Ost. Für die neuen Fahrzeuge mußte der Bahnsteig um 30 cm erhöht werden, um ein bequemes Ein- und Aussteigen zu ermöglichen. Bis zum Frühjahr 1939 erhielt auch die Dresdener Bahn die seitlich verlaufenden Stromschienen - seit dem 15. Mai 1939 verkehren die rotgelben Züge artenrein.
Hinweistafel auf dem Vorortbahnsteig (9. Januar 1984).
Die Planungen für die Nordsüd-S-Bahn sahen auch für den Bahnhof Papestraße eine völlige Umgestaltung vor, analog dem westlich an der Wannseebahn gelegenem Umsteigebahnhof Schöneberg. In der nach 1936 angedachten Neugestaltung Berlins zur Welthauptstadt Germania plante man im Bereich des Bahnhofes Papestraße einen neuen Südbahnhof. Da das tausendjährige Reich nach zwölf Jahren schon wieder zu Ende war, wurde auch aus der geplanten neuen Bahnhofsanlage nichts. Lediglich einige vorbereitende Baumaßnahmen wurden durchgeführt: so wurde u.a. ein zweiter Verbindungsgang zum Ringbahnsteig sowie ein ca. 6 Meter breiter hölzerner Fußgängersteg vom Vorortbahnsteig zum Bahnhofsvorplatz angelegt. Letzterer Bahnsteig wurde auf seiner Ostseite verbreitert und mit einem neuen Ausgang zum Sachsendamm versehen. Dadurch wurde eine Verbesserung der Umsteigesituation herbeigeführt, da die Benutzung des zeitaufwendigeren Tunnelsystems entfiel.
Mit der Rückkehr des zweiten Weltkrieges an seinen Ausgangsort und den daraus folgenden Auswirkungen mußte der S-Bahnbetrieb im April 1945 eingestellt werden.
Von der Nachkriegszeit bis zur Wende
Wenige Wochen nach Kriegsende, am 8. Juni 1945, fuhr man den Vorortbahnsteig, wenn auch vorerst nur mit dampflokbespannten Zügen, wieder an. Der Ringbahnsteig ging am 18. Juni 1945 wieder in Betrieb, die elektrischen Züge der S-Bahn verkehrten zwischen 6:11 Uhr und 21:11 Uhr in einem 20-Minutentakt (Stand August 1945). Mit dem 16. August 1945 hielten dann auch wieder die rotgelben Züge, wenn auch vorerst nur stündlich, am Vorortbahnsteig.
Das Empfangsgebäude am 15. Juni 2002.
Mit dem Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 und dem darauf einsetzendem Boykott der Berliner S-Bahn nahmen die Fahrgastzahlen rapide ab. Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) richtete auf Drängen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) viele neue Buslinien ein, die dem Lauf der S-Bahnstrecken soweit wie möglich parallel folgten. Den Weg der Ringbahn folgte, so u.a. auch am S-Bahnhof Papestraße, die Linie 65 (spätere Linie 105).
Die zurückgehenden Fahrgastzahlen und dem damit einhergehenden Einnahmeverlusten veranlaßten die Deutsche Reichsbahn, an ihren Bahnhöfen, Strecken und Anlagen nur noch die notwendigsten Instandhaltungsmaßnahmen durchzuführen. Die S-Bahn in Westberlin verfiel in einen Dornröschenschlaf. In Papestraße wurde es im April 1963 kurzzeitig aufregend: durch Funkenflug brannte die erst 1937 errichtete Holzbrücke ab. Seitdem und bis zu seinem Ende war Papestraße wieder ein Bahnhof der langen Umsteigewege.
Der Reichsbahnerstreik vom September 1980 brachte die vorübergehende Stillegung der Station: nach dessen Ende am 23. September wurde der Verkehr nur noch am Vorortbahnsteig wieder aufgenommen, der Ringbahnsteig sowie das nahe S-Bahnbetriebswerk Papestraße wurden stillgelegt bzw. geschlossen.
Blick vom Behelfsbahnsteig zum alten Vorortbahnsteig.
Am 9. Januar 1984 bekam die BVG die Betriebsrechte der S-Bahn in Westberlin übertragen. Der Verkehr auf der Vorortstrecke nach Marienfelde blieb erhalten. Erste Planungen für die Wiederinbetriebnahme der Ringbahn folgten, der vorgesehene Zeitpunkt dafür lag jedoch erst nach 1990. Die Deutsche Reichsbahn (DR) hinterließ der BVG 115 Viertelzüge der BR 275 in einem "überholungsbedürftigem Zustand" [1]. Daher entschloß sich der neue Betreiber, diese Viertelzüge bei der Waggon-Union in Berlin-Borsigwalde in Zusammenarbeit mit den Firmen AEG und Siemens komplett aufarbeiten zu lassen. Für die in den kommenden Jahren nachfolgenden Hauptuntersuchungen reaktivierte sie im Januar 1987 das ehemalige S-Bahnbetriebswerk Papestraße. Die Zuführung der S-Bahnwagen erfolgte von Charlottenburg über Halensee kommend mittels Diesellokomotiven der BVG, da die Stromzuführung für die elektrische Stromschiene seit Jahren abgeschaltet war. Für die notwendigen Probefahrten zur Abnahme der Züge wurde die Stromschiene des Streckenabschnittes Papestraße—Schöneberg zugeschaltet, der Ringbahnsteig Papestraße wurde mit einer Aufsicht besetzt. Die Fahrten endeten im September 1989 mit dem Baubeginn zur Wiederinbetriebnahme des Südringes.
Hierzu sei als interessantes Filmdokument auf den Videofilm: "S-Bahn Berlin 1989" von CFT-Video, ab Minute 17:30, verwiesen.
Der Bahnhof besaß zwei Kehranlagen zum Wenden von S-Bahnzügen: Die Ringbahnkehranlage lag westlich und war eingleisig, die der Vorortbahn lag südlich. Sie war zweigleisig und bis 1987 wurde, überwiegend das westliche Gleis, zum Wenden und Abstellen genutzt. Danach wurden Teile der Abstellanlage abgebaut - sie verschwand endgültig im Oktober 1993.
Blick auf ein Provisorium am 4. Januar 2004.
Im Hintergrund ist der Neubau einer Ringbahnbrücke der Fernbahn erkennbar.
Von der Wende bis zum Ende
Der Vorortbahnsteig:
Nach der Wende im Jahre 1989 begannen frühzeitig die Planungen für ein neues Eisenbahnzeitalter namens Pilzkonzept. Im Oktober 1993 wurde dazu der alte Vorortbahnsteig stillgelegt, die Züge hielten nun an einem östlich neu aufgebauten Behelfsbahnsteig. Da sich die weiteren Planungen bzw. der Neubau verzögerte, mußte dieses Provisorium denn auch wieder länger halten als geplant. Seit dem 7. Juni 2004 halten die Züge Richtung Süden am neuen und endgültigen Bahnsteig, seit dem 28. Juni 2004 auch die Züge in Richtung Norden. Der alte Uhrenturm des Empfangsgebäudes wurde im Herbst 2003 abgetragen, das Gebäude selber im Februar 2004 komplett abgerissen.
Der Ringbahnsteig:
Mit der Wiederaufnahme des S-Bahnverkehrs auf dem Südring am 17. Dezember 1993 zog auf dem Ringbahnsteig neues Leben ein. Jedoch war die Wiederinbetriebnahme nur ein Provisorium, sollten doch beide Bahnsteige (Vorort- und Ringbahn) einem Neubau weichen. Dazu fanden umfangreiche Bauarbeiten statt: so wurden die neben dem Bahnhof verlaufenden Ringbahngleise der Fernbahn mitsamt ihren Brücken abgerissen und wieder neu aufgebaut. In Höhe des alten Ringbahnsteiges eröffnete man am 9. Dezember 2002 einen neuen provisorischen Seitenbahnsteig für die Züge in Richtung Tempelhof. Seit dem 7. April 2003 hielten die Züge in Richtung Schöneberg ebenfalls an einem provisorischen Seitenbahnsteig. Zum Verlassen dieses Bahnsteiges überquerten die Fahrgäste den alten Ringbahnsteig. Wer die Züge der Vorortbahn erreichen wollte, mußte dazu über eine 116 Meter lange Behelfsbrücke gehen - Fitneß pur!
Der neue Bahnhof ist in Betrieb, trotzdem drehen sich an diesem 25. Juli 2005 noch die Kräne. An die alten Anlagen erinnert nichts mehr.
Die westliche gelegene Kehranlage wurde, um Baufreiheit für die kommenden Baumaßnahmen zu haben, an das Streckengleis Papestraße - Schöneberg angeschlossen. Die Inbetriebnahme war im August 2001, die Außerbetriebnahme am 10. Juni 2005.
Seit dem 4. April 2004 halten die Züge in Richtung Schöneberg am neuen Ringbahnsteig. Der Bahnsteig in Richtung Tempelhof ist seit dem 13. Juni 2005 angeschlossen. Der alte Ringbahnsteig wurde in der ersten Aprilwoche 2005 abgeräumt. Der Behelfsbahnsteig der Gegenrichtung wurde am 10. Juni 2005 stillgelegt und mit seinem sofortigen Abriß begonnen.
Was ist nun das genaue Ende des alten Bahnhofes Papestraße?
Seit dem 28. Mai 2006 heißt die Station nun Südkreuz - und wir sind wieder am ersten Satz dieser Bahnhofsbeschreibung angekommen.
Papestraße (Ringbahn) | |
Priesterweg | Yorckstraße |
Autor:
Mike Straschewski
Quellen:
[1] "Aufarbeitung der S-Bahn-Fahrzeuge Berlin, Baureihe 275", BVG vom 3. Januar 1986
Zeitzeugenberichte
weitere Quellen und Buchtipps:
Die Bauwerke der Berliner S-Bahn: Die Vorortstrecke nach Zossen; H. Schmidt, J. Tomisch; Verlag Volker Spiess GmbH, 1985
Berlins S-Bahnhöfe; Jürgen Meyer-Kronthaler/Wolfgang Kramer, be.bra Verlag, 1998
weiterführende Links:
Bahnstrecken im Süden Berlins
Der Bahnhof bei Google Maps
Veröffentlichung:
26. Oktober 2008
letzte Änderung des Textes: 30. März 2008